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Was tun, wenn man unter Strom steht?

Defekte Elektrogeräte, Leitungen oder schlecht isolierte Kabel – das alles sind Auslöser für Stromschläge. Meistens kommt man nach einem Stromschlag mit einem Schrecken davon, manche können aber auch zum Tod führen. Wie man sich schützt und wie man anderen im Falle eines Stromschlags hilft.

Von Lisa von Prondzinski |
    Zwei Stromkabel mit Stecker sind in an einer Mehrfachsteckdose angeschlossen
    Die meisten sogenannten "Elektro-Unfälle" passieren im Haushalt. (dpa / Tobias Hase)
    Elektrizität kommt überall in der Natur vor. Und elektrische Impulse sind es, die bei Lebewesen Signale zwischen Nervenzellen übertragen. Kleine Mengen an Strom verträgt der Mensch ohne Weiteres. Sie machen sich schon beim Anfassen einer Türklinke bemerkbar:
    "Das ist echt so'n Wisch, den du da bekommst. Und das geht dir echt durch. Ja, und ist nicht schön."
    "Meistens halt wenn man über Teppich läuft. Je nachdem was man für Sohlen anhat und dann irgendwie Metall anfasst."
    Schuld an solchen Mini-Schlägen sind elektrostatische Ladungen, erklärt Dirk Meyer, Elektriker und Obermeister der Elektroinnung Köln:
    "... über ihre Schuhe erzeugen sie Reibung und nehmen diese Ladung auf, ihr Körper wird positiv oder negativ geladen. Die Rolltreppe, der Wäscheständer, Spiegel, die sind geerdet oder haben ein negatives Potenzial."
    Bei einer Berührung entlädt sich der Körper dann schlagartig.
    "... aber mit ganz geringem Strom. Das ist das Wichtige, (.,.) das sind Mikroampere. Darum kriegen sie zwar einen kurzen Schock, aber es passiert ihnen nichts."
    Ein ganz anderes Kaliber dagegen ist ein Stromschlag. Fachleute sprechen vom "Elektro-Unfall". Die meisten davon, 80 bis 90 Prozent, passieren im Haushalt. Die restlichen werden durch Starkstrom oder Hochspannung verursacht. Etwa durch Berührung von Überland- und Freileitungen. Im Gegensatz zu Starkstrom hat der Strom aus der Steckdose zu Hause mit 230 Volt nur Niederspannung - und eine Stromstärke von 50 Milliampere. Wenn man beispielsweise einen Föhn anmacht, beginnt der Strom zu fließen. Ist da ein Kabel oder eine Leitung beschädigt, kann es gefährlich werden Denn dann gerät der Mensch in den Stromfluss zwischen Gerät und Erde.
    "Der Strom möchte ja die Erdung erreichen, also dann letztlich in das Erdreich abfließen. Und das tut er jetzt durch ihren Körper."
    Stephan Padosch, leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin an der Uniklinik Köln. Wer Glück hat, kommt mit einem kurzen heftigen Schlag davon, einem sogenannten "Wischer". Wenn der Strom aber von der Hand über das Herz zum Boden fließt, können lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auftreten.
    Häufig hängen Betroffene an der Stromquelle fest, weil Muskeln verkrampfen
    "Das kann ihr ja Herz nicht mehr normal pumpen. Und sobald das Herz durcheinandergerät, was passiert dann? Dann haben sie dieses Kammerflimmern und ihr Herz zieht sich nicht mehr zusammen, pumpt nicht mehr wie es soll, sondern zuckt nur noch unter der Stromeinwirkung. Und damit haben sie keine Durchblutung und verlieren das Bewusstsein. Und wenn ihr Gehirn nicht durchblutet ist, das halten sie zwei Minuten aus. Dann kommt es zu irreversiblen, also unumkehrbaren Schäden."
    Im schlimmsten Fall versagt das Herz-Kreislauf-System. Man stirbt. Möglich ist auch ein Atemstillstand. Dabei verkrampft sich die Lungenmuskulatur.
    Häufig hängen Betroffene auch an der Stromquelle fest, weil Muskeln verkrampfen. In so einem Notfall müssen Helfer vorsichtig sein. Um sich selbst vor einem Stromschlag zu schützen, gilt: Zuerst die Sicherung ausschalten oder den Netzstecker ziehen und danach das Unfallopfer von der Stromquelle wegziehen. Das natürlich mit einem nicht leitenden Gegenstand wie einem Holzstiel oder einer Decke. Dann kommt die Erste Hilfe:
    "Der Basischeck ist: Ist er ansprechbar? Atmet er? Und wenn im Zweifel das schon nicht mehr so ist, bitte immer an den Notruf denken. Vielleicht wieder den Hinweis: Ist in einen Stromkreis geraten! Da kann ihnen der Leitstellenleiter auch schon Tipps geben."
    Wenn jemand weder reagiert noch atmet, ist eine Herz-Lungen-Wiederbelebung nötig. Der Mediziner Padosch rät vor allem eins: Bloß keine Zeit verlieren:
    "Fackeln sie da auch nicht lange, indem sie versuchen, irgendeinen Puls zu fühlen. Es ist mir wichtig zu sagen, dass sie dem Betroffenen damit nicht schaden können, wenn sie ein bisschen Herz-Druck-Massage mit ihm machen. Sollte er keinen Herzkreislaufstillstand haben: Der wird sie dann schon wegschicken, wenn es ihn stört."
    Wenn der Betroffene bewusstlos war oder über Benommenheit, Schwindel oder Herzstiche klagt, sollte er unbedingt einen Arzt aufsuchen. Unter Umständen wird er noch 24 Stunden stationär überwacht, um eventuell verzögerte Herzrhythmus-Störungen behandeln zu können.
    Wie schwer sich jemand verletzt, hängt von diesen Faktoren ab: Fließt der Strom über das Herz? Wie stark ist er? Und wie lange wirkt er auf den Körper ein? Aber auch Alter, Gesundheitszustand und die Hautbeschaffenheit spielen eine Rolle. Dünne Kinderhaut und feuchte Haut machen es dem Strom leichter, weiß der Elektrikermeister Dirk Meyer:
    "Beim Schwitzen wird Salz ausgetragen aus der Haut. Salz ist ein hervorragendes Medium für Wasser. Wasser und Salz ergibt einen herrlichen Leiter. Nämlich: Der Körper bietet dann dem Strom weniger Widerstand und die Spannung hat die Chance, einen größeren Strom durch ihren Körper zu jagen oder zu schicken."
    Die gewaltigste elektrische Energie hat ein Blitzschlag
    Elektro-Geräte gehören sowieso nie in die Nähe von Wasser. Zwar werden Neubauten inzwischen mit Fehlerstrom-Schutzschaltern ausgestattet, die den Stromkreis blitzschnell unterbrechen, wenn mal tatsächlich ein Föhn in die Wanne fällt. Aber in Altbauten sind diese sogenannten FI-Schutzschalter längst nicht überall montiert.
    Während Stromschläge im Haushalt vor allem für das Herz gefährlich sind, kommen im Hochspannungsbereich starke innere und äußere Verbrennungen dazu. Dieser Strom kann eine Hitze von mehreren tausend Grad Celsius im Körper erzeugen.
    "Die Patienten werden quasi mit den Metalldämpfen des Leiters, die Haut wird richtig bedampft. Da findet man dann Ablagerungen von diesem Dampf. Die Patienten sind kohlschwarz, weil da das Metall verdampft, so heiß wird es da."
    Das passiert schon, wenn man einer Hochspannungsleitung zu nahe kommt. Die Energie springt über einen sogenannten Lichtbogen auf den Menschen über.
    Wer so etwas überlebt, hat nicht nur Brandwunden dort, wo der Strom ein- und wieder ausgetreten ist, sondern schlimmste Gefäßschäden, Muskeldefekte oder Störungen des Nervensystems. Und unter Umständen müssen Gliedmaßen amputiert werden. Außerdem werden manche Betroffene noch meterweit aus dem Wirkungskreis des Stroms geschleudert. Der Mediziner Stephan Padosch:
    "Meistens fliegt er dann meterweit noch woanders hin. Das kommt dann einem schweren Verkehrsunfall, einem Aufprall mit hoher Geschwindigkeit, gleich. Also Sekundärschäden Brüche, Schädelhirntrauma, Gehirnerschütterung bis hin zum Bruch des Schädelknochens."
    Die gewaltigste elektrische Energie aber hat ein Blitzschlag. Ein Mensch hat dann so gut wie keine Chance. Übrigens braucht man keine Angst vor einem Blitzschlag in einem Auto zu haben. Stephan Padosch kann da beruhigen:
    "In Bezug auf Elektrizität und Blitzschlag ist das Auto sicher, weil es einem sogenannten Faradayschen Käfig entspricht. Da können sie drin machen, was sie wollen. Allenfalls haben sie verschmorte Reifen."
    Sollte ein Blitz einschlagen – was ohnehin unwahrscheinlich ist - , fließt die elektrische Energie nämlich außen in die Erde ab. Sie dringt nicht ins Wageninnere. Man muss nur eines beachten:
    "Nicht aussteigen."