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Radiolexikon Weihrauch

Der Weihrauch ist eine Räucherware: Er wird also verbrannt, heißgemacht, dann entfleuchen ätherische Öle und verbreiten den typischen Geruch. Die bräunlichen Harzbröckchen waren einst so wertvoll wie Gold: Weihrauch wurden nämlich - genau wie Gold und Myrrhe - heilende Kräfte nachgesagt.

Von Marieke Degen |
    Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.

    Der Weihrauch ist eine Räucherware, wird also verbrannt, heißgemacht, und dann entfleuchen ätherische Öle und verbreiten den typischen Geruch.

    "Früher in der Kirche, da ist mir von dem Geruch immer etwas übel geworden.

    Das Rheuma äußert sich, indem ich ganz schmerzhafte Gelenke bekomme, besonders an den Händen."

    Lisa Seidel leidet an einer besonders aggressiven Form von rheumatoider Arthritis.

    "Dass ich da gar nichts mehr anfassen kann, die Hände ganz dick und rot werden, und manchmal bekomme ich auch Fieber, zwei, drei Tage, auch bis 39, und habe ein absolutes Krankheitsgefühl."

    Der Weihrauch ist eine Räucherware: Er wird also verbrannt, heißgemacht, dann entfleuchen ätherische Öle und verbreiten den typischen Geruch. Die bräunlichen Harzbröckchen waren einst so wertvoll wie Gold: Weihrauch wurden nämlich - genau wie Gold und Myrrhe - heilende Kräfte nachgesagt.

    Um die Schübe in den Griff zu bekommen, nimmt sie das Rheumamedikament Methotrexat, kurz MTX, ein gängiges Immunsuppressivum. Lisa Seidel braucht aber nur wenig davon. Denn zusätzlich setzt sie auf Weihrauch.

    "Das sind ganz normale weiße Kapseln, solche Dragees, und ich muss dreimal täglich zwei Stück nehmen, also sechs am Tag."

    Weihrauch ist ein Harz. Es wird aus Weihrauchbäumen gewonnen, sogenannten Boswellia-Arten, die in Afrika, Westarabien und Indien wachsen. Jahrhundertelang brachten Händler den Stoff nach Mesopotamien und ins alte Rom – die Handelsrouten blieben streng geheim, schließlich ließ sich mit Weihrauch eine Menge Geld verdienen. Die bräunlichen Harzbröckchen waren einst so wertvoll wie Gold: Weihrauch wurden nämlich – genau wie Gold und Myrrhe - heilende Kräfte nachgesagt. Sie waren heilig. Angemessene Geschenke also für das Jesuskind: edel und gleichzeitig praktisch. Matthias Melzig, Pharmakologe von der Freien Universität Berlin:

    "Die meisten Erkrankungen, die die Leute in früheren Zeiten hatten, waren Entzündungskrankheiten, ausgelöst durch Bakterien, Infektionen, Verletzungen und Ähnlichem. Und da man noch keine modernen Arzneimittel hatte, brauchte man Arzneimittel, die Entzündungen hemmten."

    Die Kranken wurden mit Weihrauch versorgt.

    "Das wurde zwar auch eingeatmet, aber in erster Linie waren die Zubereitungen so, dass das in Salben eingearbeitet wurde, oder bei Mundentzündungen war das so, das wurde gekaut oder es wurden Extrakte hergestellt, die dann ganz normal eingenommen worden sind."

    Das heilige Harz wird bis heute in der ayurvedischen Medizin eingesetzt. In der modernen Schulmedizin spielt Weihrauch dagegen kaum eine Rolle: Desinfektionsmittel, Antibiotika und Cortison haben es schon lange verdrängt. Dabei ist die Wirksamkeit von Weihrauch inzwischen sogar wissenschaftlich nachgewiesen. Es enthält Boswelliasäuren, die bei Entzündungen helfen.

    "Also aus der Grundlagenforschung wissen wir, dass es gute entzündungshemmende Effekte hat, insofern können wir es insbesondere bei chronisch entzündlichen Erkrankungen, und zwar aus dem Bereich der Gelenk- und Weichteile, aber auch des Darmes oder der Därme einsetzen."

    Rainer Stange ist leitender Arzt in der Abteilung für Naturheilkunde am Immanuel-Krankenhaus in Berlin-Wannsee. Seine Patienten leiden an Rheuma oder an chronischen Darmentzündungen wie Morbus Crohn, und nehmen jeden Tag Kapseln mit zermahlenem Weihrauch-Harz ein. Dass Weihrauch in Kliniken zum Einsatz kommt, ist allerdings die Ausnahme, sagt Rainer Stange. Meistens besorgen sich die Patienten das Mittel einfach auf eigene Faust in der Apotheke oder im Internet.

    "Ich schätze, dass zwischen zehn- und fünfzigtausend Bundesbürger mit entsprechenden Krankheiten, meistens rheumatische Erkrankungen, regelmäßig Weihrauchpräparate nehmen."

    In Rainer Stanges Sprechstunde kommen um die 150 Weihrauch-Patienten. Auch Lisa Seidel saß eines Tages im Behandlungszimmer. Sie hatte eine wahre Odyssee hinter sich, alle gängigen Rheumamedikamente durchprobiert. Einige schlugen überhaupt nicht an, andere hatten so starke Nebenwirkungen, dass Lisa Seidel ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Es ging ihr ziemlich schlecht, aber Weihrauch kannte sie nur aus der katholischen Kirche. Ausgerechnet das sollte ihr helfen?

    "Ja das war für mich schon komplett neu. Und ich bin eigentlich auch nicht jemand, der so schnell auf solche alternativen Sachen abfährt, ich bin da schon so ein bisschen zurückhaltend. Aber da ich ja in so einer schwierigen Situation war, hab ich gedacht, das probier ich jetzt aus."

    Vor einem Jahr hat Lisa Seidel mit der Weihrauchtherapie begonnen.

    "Es hat schon eine Zeit gedauert, denk ich, so vier, sechs Wochen, und dann hatte ich den Eindruck, dass diese Schübe weniger schwer verlaufen. Also inzwischen ist es so, dass ich dieses Rheumabasismedikament MTX in einer niedrigen Dosierung nehme, die ich offensichtlich auch vertrage, und zusätzlich Weihrauch."

    Weihrauch ist kein Wundermittel. Doch die Kapseln sind gut verträglich, und sie lassen sich problemlos mit herkömmlichen Rheumamedikamenten kombinieren. Wenn das Harz anschlägt, können die anderen Rheumamedikamente niedriger dosiert werden – was aber längst nicht bei allen Patienten funktioniert.

    "Insgesamt zählt das Weihrauch wenn überhaupt sicherlich eher zu den milde wirksamen Immunsuppressiva, und die Ansprechraten, also welcher Prozentsatz der Patienten spricht überhaupt an, würde ich nach meinen etwa 12-jährigen Erfahrung bei 40 Prozent ansiedeln."

    40 Prozent, das klingt wenig, ist aber recht ordentlich. Denn auch ein gängiges Rheumamedikament schlägt längst nicht bei jedem Patienten an.
    Es gibt auch Hinweise darauf, dass Weihrauch offenbar auch bei Hirntumoren helfen kann. So kämpfen Neurochirurgen mit hoch dosiertem Weihrauch gegen Hirnödeme. Das sind Wasseransammlungen um den Hirntumor herum, die das Gehirn zusätzlich belasten.

    "Das lässt sich zurückdrängen, möglicherweise sogar der Tumor selbst. Es ist so, dass mittlerweile viele neurochirurgische Kliniken, die ich da übrigens für sehr viel unvoreingenommener halte als viele internistische Kollegen, mit Erfolg offenbar Weihrauch einsetzen."

    Ärzte, die Patienten mit Weihrauch behandeln, müssen sich auf ihre eigenen Erfahrungswerte verlassen - und die ihrer Kollegen. Große Arzneimittelstudien mit Tausenden von Patienten gibt es nicht. Weihrauchkapseln sind in Deutschland auch nicht als Medikament zugelassen. Man kann sie rezeptfrei in der Apotheke kaufen. Und eines hat sich auch nach 2000 Jahren nicht geändert: Weihrauch ist eine teure Arzneidroge, für das einfache Volk fast unbezahlbar. Die Kapseln kosten um die 70 Euro im Monat, die von den Krankenkassen nicht übernommen werden. Die Experten warnen jedoch vor Schnäppchen im Internet: Da kursieren eine Menge Fälschungen, die nicht genug oder überhaupt kein Weihrauch enthalten.

    "Da gibt es natürlich auch jede Menge Fälschungen, die als Arzneimittel mit Weihrauch deklariert auf den Markt kommen, aber dann ist was ganz anderes drin, die wirken vielleicht auch, wir kennen das aus der ganzen Gruppe der traditionellen chinesischen Arzneimittel, dann sind das Zubereitungen, in denen Cortison enthalten ist, und dass das eine Wirkung hat, ist natürlich völlig klar, aber das wollen ja viele Patienten nicht."

    In der katholischen Kirche gehört das Verräuchern von Weihrauch seit Jahrhunderten zur heiligen Messe. Früher haben die Priester damit üble Gerüche aus der Kirche vertrieben, die Luft desinfiziert. Und heute? Manche Kirchgänger wollen schon regelrechte Rauschzustände erlebt haben – ausgelöst durch den Duft des Weihrauchs.

    "Ein Rausch, der durch Myrrhe oder auch durch Weihrauch ausgelöst werden soll, der ist schlechterdings durch die Inhaltsstoffe nicht zu erklären. Er kann natürlich einen rauschartigen Zustand durch die Atmosphäre, durch Licht und vielleicht auch durch den Gesang, der bei der Christmette von den Teilnehmern erfahren wird, durch einen solchen Geruch verstärkt werden, aber als einen Rausch würde ich das eher nicht beschreiben. Das ist ein Zustand, der sicher Wohlbefinden auslöst und unser Herz für die Weihnachtsbotschaft vielleicht eher öffnet, als das mit einem Geruch Chanel No. 5 der Fall wäre."