An einem Freitagnachmittag Anfang November spürt man im Fabrikkomplex am Ortseingang von Waterloo schon so etwas wie Wochenendstimmung. Fast alle Maschinen sind abgestellt, und nur noch wenige Angestellte im Einsatz.
"These guys are hard at work. That’s good."
Eine Gelegenheit für Eric Bjorling, den Pressesprecher, Besucher durch die Anlage zu führen. Zum Beispiel in die Abteilung, in der die Spezialanfertigungen für die Profi-Fahrer montiert und in Stand gehalten werden. Trek ist schon seit Jahren im internationalen Radsport aktiv und ritt nicht schlecht auf der Welle der Lance-Armstrong-Begeisterung. Nun will man sich noch sehr viel stärker engagieren. Mit einem eigenen Rennstall: Trek Factory Racing.
An der Wand hängen jede Menge Karbon-Rahmen. Darunter einer in weiß mit einer ungewöhnlichen Applikation. Wenn der Fahrer später im Sattel sitzt und nach unten auf die Pedale schaut, wird er eine kleine DDR-Fahne im Blick haben. Hammer und Zirkel – Symbole eines untergegangenen Staates. Hier in Wisconsin, mitten in den USA, eine echte Kuriosität. Eric Bjorling kann das erklären.
"Diesen Rahmen haben wir für Jens Voigt gemacht. Er ist in Ostdeutschland geboren. Sein Vater war interessanterweise Soldat und stand auf der Ostseite der Mauer Posten."
Mit Vergangenheitsbewältigung geht man bei Trek ausgesprochen selektiv um. Die DDR-Fahne, die für ein System politischer Unterdrückung steht und für ein Land, in dem auf kriminelle und durchperfektionierte Weise gedopt wurde – die nimmt man hin. Komplett ausradiert hingegen wurde die jüngste Geschichte und die eigene Verwicklung darin. Nirgendwo im Foyer, in dem das Unternehmen mit Bildern und Rädern seine Geschichte präsentiert, weist irgendetwas auf Lance Armstrong hin. Es ist, als wären zwei Jahrzehnte des Radsports von einem schwarzen Loch des Universums verschluckt worden. Und so, als ob man hier den jahrelangen verkaufsfördernden Rummel um den Texaner im Nachhinein als eine lange Fahrt in einer Geisterbahn empfindet. Eric Bjorling:
"Die Sache mit Armstrong hat uns gewiss stark durchgerüttelt. Denn wir haben oft die Details im selben Moment erfahren wie der Rest der Welt. Sollte der Radsport wirklich seine schwärzeste Zeit hinter sich haben, dann sieht die Zukunft sehr, sehr hell aus. Und zwar, weil man sich mit den Dämonen auseinandergesetzt hat."
Lance Armstrong gehörte ein kleiner Anteil an Trek
Aus solchen Erklärungen, aber vor allem aus dem Verhalten der Firma spricht, dass man in Waterloo kein Interesse an einer gründlichen Selbstbefragung über die eigene Rolle in der Ära Armstrong hat. Verständlich. Zu pikant sind einige der Details, die erst vor kurzem bekannt wurden. Etwa, dass Trek-Inhaber John Burke im Vorstand von Tailwind saß. Das war jene Firma, die den Rennstall namens US Postal betrieb. Eine Schaltstelle für den Fluß von Millionen von Dollar. Noch erstaunlicher: Lance Armstrong wiederum gehörte ein – wenn auch kleiner – Anteil an Trek. Eine Interessensverflechtung erster Güte.
Wenn man diese Informationen heute zusammensetzt, wundert man sich denn auch schon sehr viel weniger, warum man bei Trek vor ein paar Jahren alles daran setzte, den Dopingkritiker Greg LeMond mundtot zu machen. Die Logik war simpel: Je öfter Armstrong gewann, desto stärker wuchs der Umsatz. Allein zwischen 2000 und 2005 konnte man ihn, so heißt es, mehr als verdoppeln.
Und natürlich wird nun auch verständlich, weshalb ausgerechnet der Abgeordnete, der die Gegend im Kongress in Washington vertritt, im letzten Jahr massiv intervenierte. John Sensenbrenner scheiterte jedoch bei dem Versuch, das Verfahren der USADA gegen Lance Armstrong über politische Kanäle zu Fall zu bringen. Auch diese Schlacht von Waterloo hatte, ganz so wie das historische Vorbild, am Ende Gewinner und Verlierer.
Einer der Gewinner: die Firma Trek. 900 Millionen Dollar Geschäftsvolumen, knapp 2000 Angestellte weltweit. Darunter im sächsischen Hartmannsdorf.
Brüder Schleck unter Vertrag
Dass die Verflechtungen jemals in den verantwortlichen Sportgremien beleuchtet werden, ist unwahrscheinlich. Zu groß ist das Bedürfnis, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Was womöglich auch zum Kalkül von Trek gehört, wo man nicht nur Jens Voigt unter Vertrag genommen hat, sondern im Sommer auch die luxemburgischen Brüder Schleck. Fränk Schleck, der einst seine Beziehungen zum Dopingarzt Eufemiano Fuentes zugegeben hatte, war 2012 bei einem Dopingtest erwischt worden. In einem Team, in dem der Belgier Johan Bruyneel die Verantwortung trug. Und auf dessen Sponsoren-Liste ganz prominent ein Name stand: Trek. Und dennoch ist Eric Bjorling zuversichtlich.
"Wir haben das Gefühl, dass wir die Zukunft beeinflussen können. Mit einem Team, das das Beste des Radsports repräsentiert. Und zwar auf die Trek-Weise. In dem wir das einfach tun. Und gar nicht groß darüber reden."
Um die schmuddeligen Altlasten müssen sich andere kümmern.