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re:publica
Von Algorithmen, Missbrauch und rechten Positionen

Seit gestern wird auf der größten deutschen Digitalkonferenz re:publica in Berlin wieder über das Netz diskutiert: über Hass in Sozialen Netzwerken und den Missbrauch von Technologien bis hin zum Facebook-Skandal. Einen etwas kleineren Skandal gab es gleich zu Beginn.

Von Stefan Fries |
    Aufbauarbeiten für die Vorbereitungen für die Re:publica 2018.
    Die Internetkonferenz Republica in Berlin - laut Mitorganisatorin Tanja Haeusler "ein digitales Volksfest für alle" (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Diskutiert wurde schon vor der eigentlichen Eröffnung der Republica. Vor dem Veranstaltungsort, einem ehemaligen Postbahnhof in Berlin, fuhr die Bundeswehr mit einem Truck mit Werbeplakat vor, um Personal zu rekrutieren. Eigentlich wollten die Soldaten das auf dem Republica-Gelände selbst machen, hatten aber schon im Vorfeld eine Abfuhr kassiert und sprachen jetzt von einer "Provokation gegen die Parlamentsarmee", obwohl die Republica-Macher sich ihre Aussteller selber aussuchen können.
    Mitorganisator Johnny Haeusler sprach sich wenige Minuten später bei der Eröffnung noch mal gegen die Präsenz der Bundeswehr aus.
    "Das ist nicht in unserem Sinne, die sind nicht eingeladen worden. Wir haben ihnen deutlich gesagt, dass wir das nicht möchten. Die haben einen Riesenwagen da stehen, lasst Euch bitte nicht provozieren davon, die haben einen Riesenwagen stehen, da steht drauf: Zu bunt gehört auch grün. Wir haben hier schon genug grün, danke."
    "Digitales Volksfest für alle"
    Damit spielte Haeusler auf die Farbe der diesjährigen Republica an, die unter dem Motto "Pop" steht. Eine Abkürzung für "Power of People", also Macht der Menschen, auch eine Anspielung auf um sich greifenden Populismus.
    Außerdem wollen die Macher die Republica breiter in die Gesellschaft tragen, wo zwar die Digitalisierung angekommen sei, nicht aber die Konferenz, sagte Mitorganisatorin Tanja Haeusler.
    "Mit dem Motto Pop widmen wir uns deshalb nicht nur thematisch popkulturellen Phänomenen, sondern öffnen uns selbst - mit dem Netzfest, das, wenn Ihr dann noch könnt, im Anschluss an die Republica als digitales Volksfest für alle umsonst und draußen am Gleisdreieckpark stattfinden wird."
    Großer Applaus für Chelsea Manning
    Stargast des ersten Tages war die Whistleblowerin Chelsea Manning. Erst vor einem knappen Jahr wurde sie aus dem Gefängnis entlassen, nachdem der damalige US-Präsident Obama sie vorher begnadigt hatte. Manning war unter anderem wegen Spionage zu 35 Jahren Haft verurteilt worden, weil sie Dokumente des US-Militärs zu Folter im Irak an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben hatte.
    US-Whistleblowerin Chelsea Manning auf der Republica 2018.
    US-Whistleblowerin Chelsea Manning auf der Republica 2018. (Deutschlandfunk / Simon Detel)
    Auf der Republica wurde Chelsea Manning mit großem Applaus empfangen. Gewöhnt an ihren neuen Status als Berühmtheit habe sie sich aber nicht, sagte sie.
    "Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Ich versuche, ich selbst zu bleiben und mein Leben zu leben. Ich versuche, meinen Status zu ignorieren, aber es ist schwer."
    Inzwischen hat Chelsea Manning, die in der US-Armee als IT-Spezialist tätig war, durch Kritik an Entwicklungen im Netz mehr Aufmerksamkeit bekommen. Auf der Republica sprach sie sich dagegen aus, immer mehr Entscheidungen im Netz Algorithmen und selbstlernenden Maschinen zu überlassen. Diese seien keinesfalls neutral.
    "Sie übernehmen die Voreingenommenheit in den Daten, mit denen Du sie fütterst. Und solange Du die Algorithmen und ihre ethischen Auswirkungen nicht aktiv beobachtest, gibt es keinen Ausweg. Du musst sie dir anschauen und sagen: Das passiert, das macht der Algorithmus, und das sind die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft."
    Technologien und Missbrauch
    Ein Thema, das auch Danah Boyd bewegt. Die amerikanische Wissenschaftlerin arbeitet in der Forschungsabteilung von Microsoft und untersucht die Wechselwirkungen zwischen Technologie und Gesellschaft.
    In ihrem Vortrag legte sie dar, wie bestimmte gesellschaftliche Gruppen ihre Anliegen in die Öffentlichkeit bringen, indem sie Technologien missbrauchen - und nannte ein Beispiel: So hätten rechtsextreme Gruppen versucht, einen Anschlag in den USA Linksextremisten anzulasten und diese größer und gewalttätiger aussehen zu lassen als sie seien. Medien fühlten sich dadurch animiert, verstärkt über die Linksextremisten zu berichten.
    "So haben rechtsextreme Gruppen hunderte von Twitter-Konten angelegt, in denen die Antifa realistisch aussehend Verantwortung für verschiedene Aktionen übernimmt. Woraufhin Medien diese gefälschten Antifa-Tweets zitieren."
    Auf diesem Weg fänden extrem rechte Positionen ihren Weg in klassische Medien, die wiederum in den Suchergebnissen bei Google landeten und damit im Laufe der Zeit ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit zeigten. Begünstigt werde das durch Algorithmen, denn diese sorgen der Wissenschaftlerin zufolge dafür, dass sich solche Nachrichten immer weiter verbreiten.
    Was man dagegen tun kann, wusste Boyd nicht so recht zu sagen. Ihre Analyse kann aber dabei helfen, den richtigen Weg zu einer Lösung zu finden. Über solche und andere Ideen wird noch bis morgen auf der Republica in Berlin gesprochen.