Auch in der Ukraine selber schlugen die Recherchen des Deutschlandfunk Wellen. Wichtige Fernsehsender und Internetportale bezogen sich auf den Bericht über Zwangsarbeit in den Separatistengebieten. Einige veröffentlichten auch eine Landkarte mit den Gefängnissen, wo Häftlinge zur Arbeit gezwungen werden.
Andrij Melnik, der ukrainische Botschafter in Berlin, zeigte sich gegenüber dem Deutschlandfunk überrascht:
"Wir haben natürlich mit Bestürzung und auch mit Entsetzen über diese Nachrichten reagiert, dass die russische Besatzungsmacht im Donbass auch die Zwangsarbeiter einsetzen, und dieses unzumutbare Vorgehen erinnert uns auch an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges, als über zwei Millionen Ukrainer als Ostarbeiter ausgebeutet wurden."
Vorwürfe auch an die Ukraine
Menschenrechtler machen hier auch der Ukraine Vorwürfe: Sie kümmere sich nicht um Strafgefangene in den Separatistengebieten und deren Rechte. Die Ukraine setze sich nur für die Befreiung von politischen Häftlingen und Kriegsgefangenen ein.
Die Strafgefangenen, von denen viele längst hätten entlassen werden müssen, werden in den Gefängnissen zur Arbeit gezwungen. Einen adäquaten Lohn erhalten sie dafür nicht.
Angesichts solcher Zustände müsse die Staatengemeinschaft Druck auf Russland ausüben, meint Wenzel Michalski, Direktor der Organisation "Human Rights Watch" in Deutschland:
"Russland unterstützt die Rebellen, auch bei Taten, die Menschenrechte verletzen. Ich sehe zur Zeit da überhaupt keine Einsicht der Russen. Es sei denn, andere Länder dringen auf die Russen und verhandeln Entsprechendes oder üben Druck aus. Dann lässt sich da vielleicht etwas bewegen."
Vergleich mit dem Gulag-System in der Sowjetunion
Rebecca Harms, Europapolitikerin der Grünen, verglich die Zwangsarbeit in den Separatistengebieten mit dem Gulag-System in der Sowjetunion. Sie forderte angesichts der Recherchen des Deutschlandfunk, die Beobachtermission der OSZE in der Ukraine müsse Zugang zu den Gefängnissen bekommen.
Der Konflikt im Donezbecken und seine Folgen standen auch auf der Tagesordnung des Gipfeltreffens zwischen der EU und der Ukraine, das heute in Kiew zu Ende ging. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker legte den Akzent des Treffen aber vor allem auf die Forderung der EU, dass die Ukraine die Korruptionsbekämpfung vorantreiben müsse:
"Bisher hat die Europäische Union von der Ukraine verlangt, dass sie einen besonderen Gerichtshof für Korruptionsfälle einrichtet. Heute Morgen sind wir übereingekommen: Wenn die Ukraine in ihr Gerichtssystem eine gesonderte Kammer einführt, die sich mit Korruption befasst, dann ist das ausreichend. Es kommt nicht auf die Instrumente an, sondern die Absichten und die Ergebnisse sind wichtig."
Gipfeltreffen zwischen EU und Ukraine endet ernüchternd
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wertete das Treffen als historisch: Der Gipfel, an dem auch EU-Ratspräsident Donald Tusk teilnahm, stand im Zeichen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine, das im September nun endgültig und vollumfänglich in Kraft treten wird:
"Dieser Moment fasst die langjährigen Bemühungen der Ukraine auf ihrem Weg der Integration nach Europa zusammen. Seit einem Monat können Ukrainer schon ohne Visum in die EU einreisen - und schon über 100.000 haben von diesem Recht Gebrauch gemacht."
Trotzdem endete das Treffen ernüchternd: Es gab keine gemeinsame Abschlusserklärung. Die Ukraine hatte nach Medieninformationen darauf bestanden, dass in dem Text ihr Bestreben festgehalten wird, der EU beizutreten. Darauf wollte sich die Delegation aus Brüssel nicht einlassen.