"Wenn er mal eine Feier macht, sagt er, Mensch heute wird es mal ein bisschen lauter. Also ich kann nichts Nachteiliges sagen. Wirklich. Ein ganz Sympathischer muss ich sagen", sagt die Nachbarin von Dennis Wesemann. Dessen Biografie liest sich wie ein Auszug aus einem Polizeibericht. Gefährliche Körperverletzung, Landesfriedensbruch, Zeigen von Symbolen verfassungswidriger und verbotener Organisationen. Er ist auch der Star des bundesweit in die Schlagzeilen geratenen Fußballvereins Ostelbien Dornburg, der sich aus Neonazis rekrutiert. Jetzt ist der vorbestrafte rechtsextreme Hooligan Dennis Wesemann bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt als Einzelbewerber in den Ortschaftsrat von Stresow gewählt worden. 71 von 256 Stimmen konnte er auf sich vereinen. Das mit Abstand beste Ergebnis aller Stresower Kandidaten entspricht zwei Mandaten, weshalb ein Sitz nun unbesetzt bleiben muss.
"Da stell ich mir die Frage, wo kommt das her, wo kommt der Sinneswandel her. Da fragt man sich, habe ich eigentlich noch Vertrauen in die Leute hier. Extrem hart." Sven Nagel wohnt seit 24 Jahren in Stresow, das auf halber Strecke zwischen Berlin und Magdeburg liegt. Dass jedoch ein polizeibekannter, rechtsextremer Hooligan, der vom Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt unter Beobachtung steht, jetzt im Ortschaftsrat sitzt, war für Anwohner Nagel bisher unvorstellbar: "Was kommt wissen wir nicht. Wir haben sowas noch nicht gehabt. Er hat sich in der ganzen Gemeinde noch nicht eingebracht, noch gar nicht. Überhaupt nicht."
Wilde Spekulationen
Weshalb über die Hintergründe des Engagements von Wesemann in Stresow wild spekuliert wird. Eine der Vermutungen, die immer wieder zu hören ist, dass er ein rechtsextremes Bildungszentrum gründen wolle. Weshalb der Ortsbürgermeisterposten für ihn auch sehr interessant sei. Kein aussichtsloses Unterfangen. Denn im Ortschaftsrat hat er eine starke Basis. Es herrschen - wie es heißt - enge familiäre Bande. So sitzt auch seine Tante im Ortschaftsrat. Gestern hat er aus taktischen Gründen seine Kandidatur noch mal zurückgezogen. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben, sagt der Magdeburger Rechtsextremismusexperte David Begrich: "Das heißt die Gesamtproblematik bei der Frage, ob jemand aus dem Kontext der militanten Neonazi-Szene als Ortschaftsbürgermeister gewählt wird, ist vertagt. Sie ist nicht vom Tisch, die ganze Situation ist komplett offen."
Mit Markenklamotten adrett gekleidet und wie der nette Nachbar von nebenan, saß Wesemann - fast ein bisschen steif - gestern im Ortschaftsrat. Nur unter den Hemdsärmeln sieht man seine dunklen Tätowierungen durchschimmern. Aber einmal, als es nicht so lief, wie er es sich vorstellte, begann er zu pöbeln, so dass ihn selbst sein Vater - der als Besucher anwesend und einst langjähriges Mitglied bei der DVU war - zur Räson rufen musste.
Hoffen auf die nächste Sitzung
Jetzt hofft der ehemals als Gewalttäter eingestufte Wesemann auf die nächste Sitzung. Es muss nur einer der Ortschaftsräte fehlen und schon wäre seine Wahl rechnerisch möglich, erklärt David Begrich: "Ich glaube, dass er stark darauf setzt, dass es sowas wie ein reibungsloses Durchlaufen seiner Kandidatur gegeben hätte. Was man aber hier sieht: Die Demokratie darf nicht von unten erodieren und hier findet sowas wie ein Nageltest statt. Das muss man ganz klar sagen."
Mit Journalisten spricht Dennis Wesemann nicht, der auch Mit-Inhaber einer T-Shirtdruckerei ist, die Szene-Bekleidung mit gewaltverherrlichenden und rechten Aufschriften im Internet vertreibt. Jahresumsatz: 280.000 Euro. Wesemanns Unterstützer sind immer in seiner Nähe. Auch bei der gestrigen Ortschaftsratssitzung. Einer trug gar ein T-Shirt der gleichnamigen Rechtsrockband Blutzeugen, die mit Titel wie "Einmarsch", "Breslau 1945" oder "Ein Volk, ein Weg" auftritt. Kein Problem, sagen Dorfbewohner, sehen sie doch in Wesemann den starken neuen Mann, einen der die Probleme anpackt und nicht redet, wie sie sagen: "Es passiert ja einfach nichts im Dorf. Er hat schon gesagt, er würde was für den Spielplatz machen, den Sportplatz. Allgemein für die jungen Leute will er sich engagieren."
Der Neonazi als Kümmerer
Der Neonazi als Kümmerer, dessen Ziel es ist, das gesellschaftliche Leben Stück für Stück zu unterwandern: In den Augen der Politikberaterin Cornelia Habisch ganz klassische Strategien rechtsextremer Kameradschaften: Die Attraktivität dieser Gruppen ist nicht zu unterschätzen. Wo es wenig gibt, wo es weit und breit keine Freizeitangebote gibt, wenn die irgendwo ein Kinderfest, ein Familienfest anbieten, sind das attraktive Angebote. Und das machen Kameradschaften in Sachsen-Anhalt ganz massiv und sind da an manchen Orten stärker als rechtsextreme Parteien wie die NPD.