Vergangenen Freitagabend, Stadion "An der Alten Försterei". Die Fans des 1. FC Union Berlin schwenken beharrlich ihre Fahnen. Die Stimmung beim Heimspiel gegen Greuther Fürth: prächtig, trotz des frühen Gegentreffers.
Aufgeladener dann die Stimmung in der Pause, auf dem Vorplatz:
"Hör auf!"
Da wird dem Reporter schon mal gegen das Mikrofon geschlagen oder ein "Scheiß Presse!" hinterhergerufen. Keine Frage: Journalisten werden in diesen Tagen bei den Fußball-Klubs nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen. Zu groß die Sorge, in negative Schlagzeilen hineingezogen zu werden.
Der Presseraum von Union Berlin. Journalisten bedienen sich an den belegten Brötchen. Draußen, an eine Säule gelehnt: Christian Arbeit, Pressesprecher von Union Berlin. Schulterlanges Haar, Vollbart, Kumpel-Typ. Eigentlich hatte seine Pressestelle ein Interview zugesagt. Jetzt hat man es sich offenbar anders überlegt. Begründung: Man wolle nicht mit halb garen Sachen vorpreschen. Aber Hooligans sind doch ein Problem, das es nicht erst seit gestern gibt? Doch, lautet die Antwort des Pressesprechers. "Bei uns gibt es Linke wie Rechte, Politik aber ist Privatsache, hier geht's um Fußball." Was denn mit dem Fan sei am Stadion-Eingang, mit dem Eisernen Kreuz am Körper? Nie gesehen, sagt Christian Arbeit. Ob wir denn später einmal reden können? Da werden die Medien sicher eine andere Sau durchs Dorf jagen, wehrt Arbeit ab, bricht das Gespräch ab. "Sie hören nicht zu!", ruft er noch zum Abschied.
Hooligans haben eine Weltanschauung
Dass Hooligans und Politik nichts miteinander zu tun haben - mit dieser Meinung steht Christian Arbeit allerdings nicht alleine. Für Hans-Georg Maaßen, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, sind Hooligans zum "größten Teil politisch indifferent". Ihre Werte bestünden aus - Zitat - "Bier trinken und prügeln". Deswegen werden zwar Einzelpersonen, nicht aber die Szene als ganze vom Verfassungsschutz beobachtet. Und auch Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD argumentiert in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" in diese Richtung:
"Hooligans sind nicht politisch. Hooligans sind asozial. Sie treffen sich zum Prügeln und sie trinken viel dabei. Das hat nichts mit politischer Meinungsäußerung zu tun."
Hooligans sind nicht politisch? Wir fragen jemanden, der sich seit Jahrzehnten - schon zu DDR-Zeiten - mit dem Thema beschäftigt.
Besuch bei EXIT - einem bundesweit bekannten Aussteiger-Programm für Rechtsextreme. Bernd Wagner - ehemaliger Kriminal-Oberrat, nach der Wiedervereinigung Leiter der Abteilung Staatsschutz im gemeinsamen Landeskriminalamt der neuen Bundesländer. Er sitzt entspannt in seinem Büro in Berlin-Friedrichshain. Was sagt er zu der Behauptung, Hooligans seien nicht politisch? Seine Antwort fällt eindeutig aus:
"Ich weiß nicht, wo die beiden Herren ihre Erkenntnisse her haben. Auf jeden Fall nicht aus der Wirklichkeit, muss man dazu sagen. Das ist ein reines Märchen."
Natürlich geht es Hooligans ums Prügeln. Aber gleichzeitig hätten sie eine Weltanschauung; und die sei eben mal extrem links - oder aber auch extrem rechts - inklusive rassistischer und völkischer Grundgesinnung. Wenn schon die Behauptung nicht stimmt, Hooligans seien unpolitisch: Stimmt dann wenigstens die These: "Bei der Zusammenarbeit zwischen Hooligans und Rechtsextremen handelt es sich um eine "neue Formation"? - wie NRW-Innenminister Ralf Jäger behauptet?
"Nein, das ist auch falsch."
Die Zusammenarbeit zwischen Hooligans und Rechtsextremen gibt es laut Wagner schon seit den 70er-Jahren. Rechtsextreme suchen gezielt den Kontakt zu sogenannten Randgruppen:
"Das heißt also zu Leuten, die mit den Verhältnissen in irgendeiner Weise unzufrieden sind. Und viele von den Unzufriedenen sammelten sich immer schon um Fußballstadien herum. Und deswegen werden Sie auch bei den Neonazigruppen überall sogenannte Hooligans finden, die als Schlüsselfiguren innerhalb der Netzwerke eine bedeutende Rolle spielen."
Die Bevölkerung in Sicherung wiegen
Wenn Hooligans also alles andere als unpolitisch sind, und die Formation Hooligans mit Neonazis nicht neu - weshalb wird dieses "Märchen" dann erzählt?
"Das Märchen wird deshalb erzählt, um eben den Eindruck vermitteln zu können, dass man die Lage beherrsche und im Griff habe. Das heißt: Die Bevölkerung in Sicherheit zu wiegen, dass alles schick, alles gut und alles nett ist."
Das Förderprogramm für das Aussteiger-Projekt EXIT läuft übrigens Ende des Jahres aus. Und ob die Förderung des Bundes im kommenden Jahr weiterläuft das steht - bisher jedenfalls noch - in den Sternen.
Und auch die Fußball-Vereine könnten sich mehr engagieren, in der Prävention; um zu verhindern, dass Rechtsextreme im Stadion die Oberhand bekommen, Nachwuchs rekrutieren, und anti-rassistische Fangruppen aus dem Stadion drängen - wie geschehen in Aachen im vergangenen Jahr. Politikwissenschaftler und Fan-Forscher Jonas Gabler:
"Dann muss sich der Verein ganz klar positionieren. Da gibt es kein Herumlavieren, sondern man muss ganz klar sagen, hier gibt es eine Gruppierung, die setzt sich gegen Diskriminierung ein, die sind ganz wichtig für uns, um unsere Fankurve zu einem Ort für jedermann und für jede Frau zu machen. Und es gibt eine andere Gruppierung, die hier ausgrenzen will. Da gibt es einfach keine zwei Meinungen. Da müssen die einen geschützt werden und den anderen müssen klare Grenzen aufgezeigt werden."
Und Michael Trube von der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin" ergänzt:
"Aus unserer Erfahrung sind die Vereine, die sich den Problemen offensiv stellen und die die Auseinandersetzung suchen, langfristig auch die, bei denen diese Probleme weniger vorkommen. Das Problem zu leugnen oder vors Stadiontor zu verbannen, das greift zu kurz."