Für Mathias Döpfner geht es um das große Ganze. Um die Zukunft der Presse, und mehr noch, die des Gesellschaftssystems Demokratie. Das machte der Vorstandschef von Axel Springer und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) vor knapp zwei Wochen in Wien deutlich. Dort eröffnete er die sogenannte Medienenquete, ein Treffen, zu dem die österreichische Regierung geladen hatte. Und Döpfner machte klar, wie beides zu retten sei, Presse und Demokratie: Europa müsse sein Urheberrecht reformieren.
Döpfner gilt als bekanntester und lautester Fürsprecher einer solchen rechtlichen Erneuerung, über die am Mittwoch (20.06.2018) der Rechtsausschuss des EU-Parlaments abstimmen wird. Eine "extrem knappe Abstimmung" werde erwartet, sagte Brüssel-Korrespondent Thomas Otto im Dlf. Der Versuch, ein modernes Urheberrecht zu schaffen, hänge an einigen wenigen Abgeordneten.
Für Aufregung sorgen seit Monaten vor allem die beiden Artikel 11 und 13. Artikel 11 eine sieht ein Leistungsschutzrecht vor, Artikel 13 könnte sogenannte Uploadfilter für Onlineplattformen zur Folge haben.
Kopie einer deutschen Regelung
In Deutschland wurde bereits 2013 das Leistungsschutzrecht für Verleger eingeführt. Die neue, europäische Regelung sei "eine Kopie des deutschen Leistungsschutzrechts", erklärt Karl-Nikolaus Peifer, Leiter des Kölner Instituts für Medienrecht und Urheberrechtsexperte, gegenüber dem Deutschlandfunk.
Ziel des Leistungsschutzrechts ist es, Verlagsinhalte vor der Verbreitung durch große Suchmaschinen wie Google zu schützen. Sie sollen demnach für Texte bezahlen, die sie auszugsweise bei ihren Suchergebnissen zeigen. Praktisch gilt es als gescheitert, wie auch Mathias Döpfner bei seiner Rede in Wien einräumte. Seine Erklärung: Deutschland als Markt sei "schlicht zu klein". Aber würden sich Google und Co. der "Marktmacht von 500 Millionen EU-Bürgern" beugen, wie Döpfner erwartet?
In Deutschland habe das Leistungsschutzrecht beziehungsweise seine Durchsetzung bisher "nur Geld gekostet, aber kaum Geld eingebracht". Warum sich dies durch die europäische Regelung ändern sollte, sei nicht ersichtlich, urteilt Peifer.
"Linksteuer" Leistungsschutzrecht?
Die Folgen dieses Leistungsschutzrechts seien nicht zu Ende gedacht, findet auch die Juristin und Urheberrechtsexpertin Anja Neubauer. Besonders heikel sei die Formulierung, die EU-Mitgliedsstaaten sollten "frei über die Unerheblichkeit von Teilen einer Presseveröffentlichung entscheiden können". Verlage könnten demnach von Suchmaschinen Lizenzgebühren verlangen, wenn diese neben einem Link zum Artikel auch noch dessen Überschrift oder Teile des übrigen Textes anzeigten.
Auf Radioeins sagte Neubauer, zu erwarten sei, dass Google, anstatt tatsächlich zu zahlen, wohl eher die Artikel von Verlagen ausschließen werde. Und so werde am Ende nur die Presse- und Informationsfreiheit eingeschränkt. Außerdem sei es jedem Land überlassen, zu entscheiden, was unerhebliche Ausschnitte sind. Am Ende würde diese Frage wohl Gerichte beschäftigen, schätzt Medienrechtler Karl-Nikolaus Peifer.
Wenn nur ein Mitgliedsstaat glaube, "es wäre schlau, bereits drei Wörter zu schützen, wäre das dann der Standard für ganz Europa", gibt Julia Reda, Europaabgeordnete der Piraten, gegenüber Zeit Online zu bedenken. Artikel 11 eine "Linksteuer" zu nennen - nicht übertrieben, findet Reda.
Unklare Uploadfilter-Norm
Und auch für den zweiten besonders umstrittenen Artikel der Urheberrechtsnovelle findet die Europapolitikerin klare Worte: Die Entscheidung über Artikel 13 und einen Uploadfilter sei die über einen "Zensurmaschinen-Paragrafen".
Nach dem EU-Reformvorschlag werden sämtliche Inhalte bereits beim Hochladen (Upload) auf vermeintliche Urheberrechtsverletzungen geprüft. Solche, die als potenziell rechtsverletzend maschinell erkannt werden, werden dann blockiert und gar nicht erst veröffentlicht - egal ob Text, Bild oder Videobeitrag. Bislang müssen Plattformen erst aktiv werden, nachdem sie auf mögliche Rechtsverstöße hingewiesen wurden. Kritiker befürchten, dass auch Inhalte blockiert werden, die eigentlich erlaubt sind, weil sie beispielsweise Satire sind oder als erlaubtes Zitat gelten.
Ob Uploadfilter überhaupt verhältnismäßig sind, beantworte die Vorschrift nicht eindeutig, so die Einschätzung des Kölner Urheberrechtsexpertem Karl-Nikolaus Peifer. Die Vorschrift sei ein "gravierender Eingriff in das bisherige Providerprivileg", nach dem Service-Provider wie Youtube bislang keine Vorabkontrollen für Uploads ihrer Nutzer durchführen mussten. Da die aktuell in Brüssel vorliegende Norm aber "nicht sehr klar formuliert" sei, unterstreicht Peifer, müssten wohl im Einzelfall auch hier Gerichte entscheiden.