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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (70)

Die Historikerin Katharina Kunter, der Schriftsteller Feridun Zaimoglu und Heike Sieberns von der Evangelischen Jugend kommentieren Martin Luthers 70. These.

    These 70: "Bischöfe und Pfarrer sind verpflichtet, mit scharfen Augen und offenen Ohren darauf zu achten, dass die Ablass-Kommissare nicht anstelle des Auftrags des Papstes ihre eigenen Einfälle predigen."
    Katharina Kunter, Historikerin: "Holzauge sei wachsam, fällt mir da gleich ein. Wieder nimmt Luther hier den Papst in Schutz. Zumindest tut er rhetorisch so. Und das ist ja so: Im Dunstkreis von Prominenten gibt es immer irgendwelche, die sich auf eigene Kosten bereichern wollen und ihre eigene Agenda setzen wollen. Das ist in der Kirche heute auch noch so. Vor vier Jahren ist Papst Benedikt XVI. genau deswegen zurückgetreten. Und im Sinne dieser These kann man hoffen: Hoffentlich stolpert Franziskus auch nicht heute oder in den nächsten Jahren über diese Art von Kommissaren."
    Feridun Zaimoglu, Schriftsteller: "Damals war das so, dass der Papst den eigenen Einfall und die eigene Absicht an die Stelle des Gotteswortes gesetzt hat. Wie hätten denn seine Gehilfen es anders machen sollen? Sie verließen sich darauf, dass sie in der Falschheit ihrer Vorgehensweise im Grunde genommen Fußsoldaten des Vatikans waren."
    Heike Sieberns, Evangelische Jugend: "Vielleicht müssen wir auch mit scharfen Augen und offenen Ohren darauf achten, dass wir das reden, wohinter wir eigentlich stehen. Müssen wir immer das reden, was uns vorgegeben wird? Ich denke, dass Luther uns doch eigentlich dazu ermutigt hat, das zu sagen, wozu wir stehen. Wir sollten den Mut haben, eigene Worte zu finden und uns auch auf fremde und andere Meinungen einstellen und uns ihnen aussetzen."
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern