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Renaissance der Luftschiffe
Visionäre schrauben am Zeppelin mit Zukunft

Das Jahr 1917 sollte für Zeppelins Luftschiffe das Jahr der Rekorde werden: Mit sechs Tagen in der Luft schaffte eines über der Ostsee den längsten Flug, kurz darauf ein anderes mit 7.600 Metern über der Westfront den Höhenrekord. 100 Jahre später ist der Zeppelin immer noch nicht tot - auch wenn er zwischenzeitlich etliche Krisen meistern musste.

Von Frank Grotelüschen |
    "Expedition Uhrwerk Ozean" steht auf dem Rumpf des Forschungs-Luftschiffs
    Der Zeppelin ist wieder da. In Deutschland und auch anderswo. (Deutschlandradio / Frank Grotelüschen)
    "Dieser Hangar hier ist 100 Jahre alt. Hier wurde die R101 gebaut, 1930 war es das größte Luftschiff der Welt."
    Das Cardington Airfield in der Nähe von Bedford, einer Kleinstadt nördlich von London. Der Hangar, in dem Philippa Murrey steht, ist 250 Meter lang und 50 Meter hoch. Einst erbaut als Werft für den damals weltgrößten Zeppelin, den R101. Später zweckentfremdet für Fahrschüler und Modellflug-Weltmeisterschaften, sogar einige Szenen von Star Wars wurden hier gedreht. Doch nun sind in Cardington die Luftschiffe zurück.
    "Wir stehen an der Seite des Airlander. Die Hülle wurde von einer Firma zusammengeschweißt, die auch die Raumanzüge für die NASA macht. Das Material fühlt sich an wie dünnes Schuhleder und besteht aus drei Schichten: Innen Vectran, fünfmal fester als Stahl. In der Mitte Mylar, damit kein Helium entweicht. Und außen Tedlar, UV-beständig und wasserdicht."

    Der Airlander. 92 Meter lang, das längste Fluggerät der Welt. Dabei deutlich gedrungener als die schlanke Zigarrenform des alten Zeppelins. Die Hülle gefüllt mit 38.000 Kubikmetern Helium. Angetrieben von vier Propeller-Triebwerken á 325 PS. Maximale Flughöhe: knapp 5.000 Meter. Höchstgeschwindigkeit: 150 Kilometer pro Stunde.
    Der Airlander in einer Halle
    Im letzten Sommer hob der Airlander zu seinem Jungfernflug ab. (Deutschlandradio/F. Grotelüschen)
    "Unsere Ingenieure müssen öfter mal für Arbeiten ins Innere der Hülle. Sie müssen jedes Mal ihre Schuhe ausziehen und erzählen, dass es sich dort drinnen anfühlt wie in einer riesigen Hüpfburg."
    Im letzten Sommer hebt der Airlander zu seinem Jungfernflug ab. Bevor er behutsam wieder aufsetzt, kreist er eine halbe Stunde um den Flugplatz.
    Das Jahr 1917. Zeppeline haben sich einen Namen gemacht als effektive Aufklärer – ausdauernder und zuverlässiger als die primitiven Doppeldecker. Im Ersten Weltkrieg stellen sie fest, ob feindliche Seestreitkräfte unterwegs sind. Sie überwachen die U-Boot-Stationen des Gegners, suchen die See nach Minen ab und beobachten Handelsschiffe. Sie kreuzen über der Ostsee, bei Sonnenschein und Regen, bei Tag und Nacht. Am 31. Juli 1917 schafft Zeppelin LZ 90 einen Rekord: Lange, sehr lange ist er in der Luft gewesen. Erst nach 101 Stunden endet seine Fahrt – ein Sturm zieht auf. Die Benzinvorräte hätten noch für 33 Stunden gereicht.
    Anleger witterten das große Geschäft mit dem CargoLifter
    Der Airlander ist der jüngste Anlauf, das Konzept des Luftschiffs wiederzubeleben, ihm neue Anwendungen zu erschließen – und damit neue Märkte. Nicht der erste Versuch. Es gab einige in den letzten Jahrzehnten, vor allem auch in Deutschland. "Damals in der Phase – 1996 bis 2000 – war der Zeitgeist so, dass man sich an große Aufträge auch in der Industrie herangetraut hat."
    Die Zeit der New Economy und des Aktien-Booms. Anleger witterten das große Geschäft und steckten ihr Geld in junge Unternehmen. Eines davon: die CargoLifter AG. Die Vision von Carl-Heinrich von Gablenz: ein Zeppelin als Lastesel für riesige Maschinenteile. "Der sollte mindestens 100 Tonnen heben können oder in der Lage sein, Teile zu transportieren, die länger sind als 25 Meter oder höher als fünf Meter."
    260 Meter lang, Durchmesser 65 Meter. Das größte Luftschiff der Welt, größer sogar als die Hindenburg. Es sollte Lasten über tausende Kilometer durch die Lüfte befördern. Südlich von Berlin entstand die Werfthalle mit einer Fläche von zehn Fußballfeldern. "Wir haben einen Ballon gebaut und haben damit ein 55 Tonnen schweres Gerät gehoben und transportiert. Das heißt technologisch ging das, wir waren auch sonst relativ weit." Das war im Mai 2002. Doch da stand die CargoLifter AG schon vor der Pleite, einen Monat später meldete sie Konkurs an. Der Zeppelin wurde nie gebaut, die Werfhalle dient heute als Freizeitpark. "Der Knack kam mit dem 11. September. Danach ist die Finanzwelt zusammengebrochen, und dann ging nichts mehr. Wenn das nicht gewesen wäre, sondern der Zeitgeist hätte noch zwei bis drei Jahre angehalten, hätten wir das geschafft."
    "Es war damals schade, dass wir, obwohl wir unsere Kompetenz angeboten haben, auf uns nicht gehört wurde. Und das Projekt sich in eine Richtung entwickelt hat, wo es scheitern musste!" Uwe Apel, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der Hochschule Bremen. "Man hat den Fehler gemacht, dass das Design, was man gewählt hat, zu dem Anwendungsfall gar nicht gepasst hat." Lasten über Abertausende Kilometer zu transportieren, wäre per Schiff viel billiger. Und: Riesenluftschiffe wie die Hindenburg besaßen ein Metallskelett, das die Hülle in Form hielt. Auf dieses Stützkorsett wollte man bei CargoLifter verzichten. Ein Fehler, meint Apel. "Weil die Hülle alleine nicht mehr vernünftig trägt und das Ganze zu weich wird."
    Dem widerspricht Carl-Heinrich von Gablenz zwar, er hält das CargoLifter-Konzept nach wie vor für tragfähig. Aber: "Es wäre sicherlich sinnvoller gewesen, etwas kleiner anzufangen. Nur: Die Industrie wollte nun mal etwas Großes. Und Sie können ja nicht sagen: Wenn Sie ihre Gesellschafter haben, und die wollen was Großes – wir machen was Kleines."
    20. Oktober 1917, die Westfront, Deutsche und Alliierte stehen sich seit Jahren unversöhnlich gegenüber. Zeppelin LZ 101 ist von einem Einsatz über dem Atlantik auf dem Weg zurück nach Deutschland. Plötzlich eröffnet der Feind vom Boden aus das Feuer. Um den Kugeln und Granaten zu entgehen, gibt der Kapitän das Kommando zum Steigflug. Höher und höher fliegt das Luftschiff. Dann zeigen die Instrumente einen neuen Höhenrekord – 7.600 Meter.
    "Zeppelin? Luftschiff? Gibt’s das überhaupt noch? So mancher muss es immer noch lernen, dass es uns wieder gibt." Der CargoLifter war ein Fehlschlag. Mehr Erfolg war einem anderen Projekt beschieden, in Friedrichshafen am Bodensee. Ein geschichtsträchtiger Ort, einst baute Graf Ferdinand von Zeppelin hier die fortschrittlichsten Luftschiffe der Welt. 1990 entschlossen sich seine Erben zu einer Neuauflage: ein Zeppelin mit innovativer Technik.

    "Modernes Schweißen der Verbindungsstellen. Carbon-Verwendung, Leichtbau. Elektronisch gesteuerte Flüge. Computergesteuertes Drucksystem." Der Zeppelin NT, NT steht für neue Technik, erklärt Geschäftsführer Thomas Brandt. Entwicklungskosten: 70 Millionen Euro. Erstflug: 1997. Zulassung für Passagierflüge: 2001. "Seitdem absolut störungsfreier Betrieb, keinerlei Vorfälle. Und was wahrscheinlich nie einer geglaubt hätte: weit über 200.000 Passagiere!"
    Der Zeppelin NT in seiner Halle. 
    Der Zeppelin in seiner Halle. Unten hängt die Kabine von den Ausmaßen eines Kleinbusses, mit Platz für 15 Passagiere. (Deutschlandradio/F. Grotelüschen)
    "Wir haben hier zwei komplett aufgerüstete Luftschiffe stehen, die komplett einsatzbereit sind. Plus zwischen den beiden Schiffen sehen wir eine Hülle, die gerade für den amerikanischen Export vorbereitet wird. Diese Hülle wird gerade überprüft, Drucktests etc."
    Im Hangar zeigt Chefpilot Fritz Günther auf seine kleine Flotte: Zwei Luftschiffe hier in Friedrichshafen, das dritte ist für die USA bestimmt, wo bereits zwei Zeppeline NT fliegen, in Diensten der Reifenfirma Goodyear. "Unser Luftschiff ist größer als der A380, von der Länge her. Wir sind 75 Meter lang, über 19 Meter hoch. Wir fliegen im Schnitt mit 7.500 Kubikmeter Helium."
    Die Hülle wird von einem Innenskelett aus Kohlefaser und Aluminium gestützt. Unten hängt die Kabine von den Ausmaßen eines Kleinbusses, mit Platz für 15 Passagiere. Vier Propeller treiben das Luftschiff an. "Im Schnitt reisen wir mit 60 bis 70 km/h gegenüber der Luft. Was unser Gerät wirklich außergewöhnlich macht: Wir können auf der Stelle stehen bleiben. Wenn jemand möchte, dass wir 24 Stunden lang über einem Ort stehen, können wir das darstellen."
    "Man fliegt ruhig, man schwebt. Man hat Riesenfenster. Man kann die Welt anschauen, die Schönheit der Natur, Städte oder Flüsse oder Seen oder Meere. Es ist ein einmaliges Erlebnis." Deutschland von oben, live statt im TV. Das Kerngeschäft des Zeppelin NT. "Das können Touristen sein, aber auch viele Firmen, die uns inzwischen buchen. Das ist das stetige Geschäft, und das ist unser absoluter Fokus." 80 Prozent der Einnahmen kommen aus Rundflügen. Der Rest: Expeditionen für die Wissenschaft. "Warum ist der Zeppelin da gut? Weil er lange fliegen kann und relativ vibrationsfrei fliegt. Und damit kann man hervorragend wissenschaftliche Instrumente einsetzen und gut messen."
    Besonders heikel beim Zeppelin: Start und Landung
    Zum Beispiel im Juni 2016 bei einer Messkampagne über der Ostsee. Von der Luft aus will ein Forscherteam Meereswirbel aufspüren und mit Spezialkameras vermessen. Früh morgens wirft der Zeppelin seine Propeller an und hebt sachte ab. Bald verschwindet der Flugplatz aus dem Blickfeld, der Zeppelin schwebt über der See. Pilot Fritz Günther steuert ihn, ähnlich wie bei einem Computerspiel, mit einem Joystick. "Wir haben hinten am Luftschiff Ruder dran. Wenn wir den Stick nach links nehmen, dreht das Schiff nach links. Wenn wir den nach vorne drücken, geht die Nase runter. Ziehen wir den Stick, würde das Luftschiff steigen. Wie ein Flugzeug." Dann hat der Zeppelin sein Ziel erreicht – viele Stunden lang kann er über dem Meer schweben und es in aller Ruhe vermessen.
    Wer einen Zeppelin steuern will, muss als Berufspilot mindestens 1.000 Flugstunden auf einem Flugzeug oder Helikopter absolviert haben und zusätzlich eine anderthalbjährige Spezialausbildung. Besonders heikel: Start und Landung. "Das ist noch ein richtiges Handwerk, eine richtige Kunst. Wir haben eine seitliche Windangriffsfläche, die größer ist als die Segelfläche der Gorch Fock. Wenn wir am Boden sind, müssen wir das Schiff an den Mast verbringen. Da gehört schon viel fliegerisches Gefühl dazu, um das in Zusammenarbeit mit der Crew hinzubekommen."

    Das zeigt sich bei der Landung: Bei böigem Wind braucht Fritz Günther mehrere Anläufe. Es dauert eine Viertelstunde, bis er den Zeppelin am Ankermast angedockt hat. Der ist auf einem Spezial-Lkw montiert, der mitsamt der Bodencrew jedes Mal kommen muss, wenn das Luftschiff irgendwo landen will. Nachteile, die so manche Interessenten abzuschrecken scheinen. Denn Thomas Brandt und seine Leute haben im Laufe der Jahre vieles ausprobiert, haben ihren Zeppelin bei der Diamantensuche in der Kalahari erprobt, zur Verkehrsüberwachung und im Küsten- und Grenzschutz. Nur: "Außer bei den wissenschaftlichen Anwendungen sind die anderen Dinge irgendwo noch nicht so weitergekommen. Mag es an den Drohnen liegen, die mehr und mehr kommen. Mag es an der Komplexität des Luftschiffbetriebes liegen, das auch bei schlechtem Wetter oder im Winter natürlich die Leute fragen lässt: Ist es ein für Sicherheitskontrollen nachhaltiges Produkt? Deswegen ist da wahrscheinlich die Anwendung noch nicht so platziert."
    Der Zeppelin NT mit Kabine steht startklar auf der Wiese.
    Start und Landung sind eine richtige Kunst. (Deutschlandradio/F. Grotelüschen)
    Also konzentriert man sich in Friedrichshafen aufs Kerngeschäft – Rundflüge für Touristen. Und versucht, Zeppeline ins Ausland zu exportieren, Stückpreis: 17,5 Millionen Euro. "Wir arbeiten an weiteren Kunden. Da ist das Übliche heute, nach China zu schauen oder auch in die Vereinigten Arabischen Emirate."
    21. November 1917, Jambol, Bulgarien. Um fünf Uhr morgens bricht Zeppelin LZ 104 nach Deutsch-Ostafrika auf. An Bord: Maschinengewehre und Munition für die deutschen Truppen. Doch dann, Karthum im Sudan ist schon in Sicht, kommt der Funkbefehl zur Umkehr – der Stützpunkt in Deutsch-Ostafrika ist an die Briten gefallen. LZ 104 fliegt nach Bulgarien zurück. Bei der Landung am 25. November hat er einen neuen Streckenrekord aufgestellt – 6.757 Kilometer.
    "Normalerweise können Luftschiffe nur bei gutem Wetter operieren. Der Airlander ist schwerer als Luft und löst dieses Problem." Zurück in England, im Hangar auf dem Cardington Airfield. Hier versuchen sich Chris Daniels und seine Leute an einem Konzept, das die Luftschifffahrt revolutionieren soll – der Airlander. Ein Hybrid aus Zeppelin, Flugzeug und Hubschrauber. "Wir haben einen Flugzeugflügel mit einem Luftschiff gekreuzt. In Ruhe ist der Hybrid schwerer als Luft und bleibt am Boden. Erst wenn wir uns vorwärtsbewegen, erzeugt er wie ein Flügel Auftrieb."
    Das Helium in der Hülle sorgt für 60 Prozent des Auftriebs. Der Rest kommt von den schwenkbaren Propellertriebwerken und durch die ungewöhnliche Form des Luftschiffs: Nicht zigarrenförmig wie ein Zeppelin, sondern breit und bauchig. Dadurch strömt die Luft schneller über die Hülle hinweg als unter ihr hindurch – es entsteht ein Auftrieb ähnlich wie bei einem Flugzeugflügel.
    "Normalerweise reichen 100 Meter Anlauf, um den Airlander auf 40 Kilometer pro Stunde zu bringen und abheben zu lassen." Die Geschichte des Projekts: militärisch. "Wir hatten das Glück, dass die US-Regierung einen Haufen Geld in die Sache gesteckt hat, mehr als 100 Millionen Euro."
    2010 beauftragte die US-Armee die britische Firma Hybrid Air Vehicles mit der Entwicklung eines unbemannten Luftschiffes. In Afghanistan sollte es wochenlang in der Luft operieren, als schwebende Plattform für Kommunikation, Aufklärung und Überwachung. "Doch als Obama 2012 wiedergewählt wurde, versprach er, dass sich die USA aus Afghanistan zurückziehen würden. Damit war auch unser Programm gestorben. Also kauften wir den Prototyp der US-Armee ab und entwickeln ihn seitdem selbst weiter."
    Nach dem Jungfernflug kam die erste Panne
    "Das ist grundsätzlich eine interessante Lösung. Man kann damit bestimmte Problemstellungen des Luftschiffs umgehen und trotzdem die wesentlichen Fähigkeiten des Luftschiffs erhalten", meint Uwe Apel von der Hochschule Bremen. "Wenn Sie ein System haben, das schwerer als Luft ist, wo Sie einen Teil des Auftriebs aerodynamisch generieren, haben Sie ein Start- und Landeverhalten, das wesentlich ziviler ist. Das ist die Idee hinter diesen hybriden Konzepten."
    Der Jungfernflug am 17. August glückte. Doch schon eine Woche später bei Flug Nummer zwei: die erste Panne. "Zunächst legte der Airlander eine perfekte Landung hin. Doch es gab ein technisches Problem mit dem Landemast, und das Luftschiff musste wieder aufsteigen – und zog dabei ein 50 Meter langes Halteseil mit sich. Dadurch musste der Pilot ziemlich schnell wieder nach unten ziehen. Fast wäre ihm das Manöver gelungen. Doch dann kam er mit der Kabine auf dem Boden auf."
    Der Pilot blieb unverletzt, der Airlander aber wurde beschädigt und musste monatelang repariert werden. Dabei verpasste man ihm eine Art Airbag: Künftig sollen bei einem drohenden Aufprall zwei Luftsäcke aus der Hülle schießen und die Kabine schützen. Doch kam der Unfall tatsächlich durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zustande? Nein, meint Uwe Apel und vermutet einen anderen Grund. "Das System ist in Längsrichtung instabil. Gleich beim zweiten Flug ist es beim Landeanflug mit der Nase auf den Grund aufgeditscht, weil die Längsstabilität das Problem bei dem Ding ist."
    Apels Hypothese: Zieht der Pilot das Luftschiff zu schnell nach unten, gerät der Bug außer Kontrolle. "Der Pilot hat einen etwas zu starken Steuer-Input gegeben. Und das System ist zu träge, um da noch gegenzusteuern. Deswegen ist das mit der Nase in den Boden rein. Das Ding ist falsch designt. Die haben einfache Prinzipien der Aerodynamik nicht vernünftig verinnerlicht. Die haben einfach einen Fehler gemacht!"
    Das Verhältnis von Länge und Breite: ungünstig. Der Schwerpunkt: schlecht gewählt. Das Leitwerk: falsch dimensioniert. "Man kann dieses Problem durch Einsatz von Rechentechnik und Flugsteuerung beheben. Dann erzeugt man eine künstliche Stabilität. Ein Luftschiff sollte aber eigenstabil fliegen. Das sollte sich automatisch wieder in die richtige Fluglage bringen. Und das ist an der Stelle kritisch."
    Vorwürfe, die die Airlander-Macher um Chris Daniels nicht abhalten, an ihr Konzept zu glauben. Für den Rest des Jahres planen sie weitere Testflüge, danach wollen sie eine verbesserte und womöglich stabilere Version bauen. "Das erste Serienmodell soll 2019 fertig sein. Ab dann hoffen wir, alle paar Monate ein Exemplar ausliefern zu können. Unabhängige Markstudien sagen, dass weltweit ein Bedarf von 500 und 1.000 solcher Fluggeräte besteht. Es gibt also einen großen Markt dafür."
    Der Preis? Nicht gerade ein Schnäppchen
    Die Vorteile gegenüber dem Zeppelin NT, dem Luftschiff aus Friedrichshafen: Ein größeres Hüllenvolumen, dadurch zehn Tonnen Tragkraft statt zwei. Maximale Flugdauer: fünf Tage statt anderthalb. Und: Als Hybrid ist der Airlander weniger abhängig von Wind und Wetter. "Als erstes werden das Behörden nutzen. Wir haben zwei Kunden, mit denen die Verhandlungen weit fortgeschritten sind. Beide haben mit staatlichen Aufgaben zu tun, einer aus dem militärischen Bereich. Wir haben noch mehr Interessenten, aber die wollen erst die nächsten Testflüge abwarten, bevor sie bestellen."

    Und der Preis? Nicht gerade ein Schnäppchen. 40 Millionen Dollar soll der Airlander kosten – so viel wie ein Transporthubschrauber oder ein Passagierjet. Dafür seien die Kosten für Treibstoff und Betrieb deutlich geringer. Und die Pläne von Daniels und seinen Leuten reichen noch weiter. Denn als wirklicher Lastesel ist der Airlander mit seinen zehn Tonnen Tragkraft eigentlich noch zu klein. "Der Airlander 50 wird in der Lage sein, 50 Tonnen zu tragen. Er wird noch einmal 30 Meter länger sein als unser jetziges Modell. Und wir denken auch schon an einen Airlander 200, mit einer Tragkraft von 200 Tonnen."
    Im Cockpit des Zeppelins während der Helmholtz-Mission
    Deutschland von oben, live statt im TV. (Deutschlandradio / Frank Grotelüschen)
    Der Erste Weltkrieg, das Luftschiff wird zur Waffe. Dank Ferdinand Graf von Zeppelin haben die Deutschen einen Vorsprung. Ihre bombenbeladenen Luftschiffe überqueren den Ärmelkanal, tragen die Schlacht hinter die Fronten, terrorisieren die Bevölkerung – eine neue Form der Kriegsführung. Bei 51 Angriffen sterben 498 Zivilisten, darunter 110 Kinder. Der Schrecken endet, als es die britische Luftwaffe schafft, eine spezielle Brandmunition zu entwickeln. Sie lässt die wasserstoffgefüllten Zeppelin-Bomber in Flammen aufgehen und holt sie so vom Himmel.
    Der Airlander ist nur einer von mehreren Versuchen, dem Hybridluftschiff zum Durchbruch zu verhelfen: Der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin hat – ursprünglich für die Militärs – einen Prototyp entwickelt und kürzlich vermeldet, dass eine britische Transportfirma eine Absichtserklärung über den Kauf von zwölf Luftschiffen unterzeichnet hat. Geplantes Einsatzfeld: der Transport von Bauteilen für Ölpipelines in abgelegene Gebiete. Das französische Startup-Unternehmen Flying Whales will, unterstützt von einem chinesischen Luftfahrtkonzern, ein Luftschiff mit einer Tragkraft von 60 Tonnen bauen. Und Ende 2016 verblüffte Amazon mit der Veröffentlichung eines spektakulären Patents. "Und zwar stellen die sich vor, dass man Aerostaten dazu nutzen kann, große Lagerhäuser in die Luft zu bringen. Und dann sehr schnell per Drohnen Ware zu den Bestellern zu liefern."
    Bislang nur eine Papierstudie, sagt Johannes Hartmann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Hamburg. Aber: "Das könnte ein Potenzial allein schon darin beherbergen, dass da sehr viel Kapital hinter steckt." Geld scheint für Internetriesen wie Amazon kein Thema. Durchaus möglich also, dass die nötigen Millionen für die Entwicklung fließen. Nur: Da wäre ein Grundproblem, an dem alle Konzepte kranken, meint Hartmann. "Zu beobachten ist so ein bisschen, dass die Form der bisherigen Hybriden aus einer bestimmten Community kommt, der Luftschiff-Community. Die sagt dann: Wie kriegen wir ein Luftschiff in der Form so gestaltet, dass es auch aerodynamisch Auftrieb erzeugt?"
    Die Hindenburg-Katastrophe markierte das vorläufige Aus
    Sein Vorschlag: Statt von einem Luftschiff auszugehen und es zu modifizieren, sollte man das Konzept von Grund auf neu denken. "Man könnte probieren, dass man Ingenieure der verschiedenen Luftfahrzeuge wie Zeppeline, Hubschrauber und Flugzeuge zusammenbringt und dann versucht, eine ganzheitliche Lösung zu finden. In so einem Wettstreit der Ingenieure kommt man zu Lösungen, die sich vielleicht vorher gar nicht erschließen, wenn man nur aus einer Branche darauf guckt." Und wie könnte so etwas konkret aussehen? Das hat Hartmann in einer Studie bereits umrissen, wenn auch nur grob. "Viel flacher und viel breiter. In bestimmten Teilen sehr flach wie ein Flügel. Und in bestimmten Teilen immer noch wie Zeppelin-Formen – aber eben nicht über die gesamte Luftfahrzeug-Form."
    6. Mai 1937, Lakehurst südwestlich von New York. Drei Tage zuvor ist die Hindenburg von Frankfurt aus zu ihrem Linienflug gestartet. Schon längst hätte sie in Lakehurst ankommen sollen, doch schlechtes Wetter verzögert die Landung. Plötzlich, während des Anflugs, entzündet sich Wasserstoff am Heck des größten Luftschiffs der Welt. Binnen 30 Sekunden sinkt der Gigant zu Boden, das Feuer breitet sich aus. 36 Menschen sterben.

    Die Hindenburg-Katastrophe markierte das vorläufige Aus des Zeppelins – zu unsicher schien die Technik. Doch wenn heute die Ingenieure an neuen Konzepten schrauben und mit innovativen Formen experimentieren, geht es ihnen vor allem um eines – um die Wirtschaftlichkeit. Um hohe Effizienz und niedrige Kosten. Helium ist als Traggas mit den Jahren immer teurer geworden. Also liebäugeln die Fachleute wieder mit jenem Gas, das die Zeppeline vergangener Epochen in der Luft hielt – Wasserstoff. "Es ist erstaunlich, dass sich Leute in ein Flugzeug setzen mit 130 Tonnen Kerosin und sich nichts bei denken. Aber wenn Wasserstoff ist, denken sie, der explodiert. Wenn man’s nüchtern betrachtet ist Wasserstoff eine sehr sichere Technologie. Sie ist mindestens genauso sicher zu handeln wie Benzin oder andere Dinge."
    Der hintere Rumpfteil des Luftschiffs LZ 129 "Hindenburg" wird am 6. Mai 1937 bei der Landung auf dem Luftschiffhafen von Lakehurst in New Jersey bei New York von einer Explosion erschüttert. Insgesamt 36 Passagiere und Besatzungsmitglieder kamen bei der Katastrophe ums Leben. Der 100 Tonnen schwere, zu seiner Zeit größte Zeppelin der Welt brannte völlig aus, das Ende der Zeppelin-Ära begann.
    Am 6. Mai 1937 verunglückt der Zeppelin "Hindenburg" bei der Landung auf einem Luftschiffhafen (picture-alliance / dpa / Gustav Unger Universal)
    Mit der CargoLifter AG hat Carl-Heinrich von Gablenz vor 15 Jahren eine Riesenpleite hingelegt. Dennoch machen er und einige seiner Leute unverzagt weiter, als CargoLifter GmbH. "Jetzt bauen wir das von unten nach oben auf, um die Technologie in Ruhe entwickeln zu lassen. Wir nehmen uns jetzt auch deutlich mehr Zeit, backen ja auch kleinere Brötchen." Heute bietet CargoLifter Ballonkräne an, Tragkraft bis zu einer Tonne. "Das ist für den Bereich Katastropheneinsatz völlig ausreichend, damit können Sie ein paar Leute retten. Da sind ein paar hundert Kilo schon eine Menge."
    Manche Modelle besitzen einen Antrieb, sind mit Motoren ausstaffiert. "Ein Gerät, das in der Luft stehen bleiben und heben kann, das sich auch bewegen kann. Für bestimmte Aufgaben – Forschungseinsätze, Rettungseinsätze oder auch Tourismus – natürlich hübsch."
    Eine Renaissance des Luftschiffes?
    Das Besondere: Die Ballons werden von Elektromotoren angetrieben, also emissionsfrei. Die Steuerung läuft ähnlich wie bei einer elektrischen Mini-Drohne: Lagesensoren und Mikroprozessoren halten die Drohnen immer stabil in der Luft, auch bei Windstößen. Dieselbe Technik soll den Ballon zuverlässig auf seinem Kurs halten. Derzeit werden die Elektromotoren noch von Batterien gespeist. Künftig könnten es Brennstoffzellen sein, die mit Wasserstoff laufen – und zwar jenem Wasserstoff, der als Traggas in der Hülle steckt. "Wasserstoff ist für uns ganz klar ein Energieträger der Zukunft und trägt auch mehr als Helium. Ist eigentlich ideal dafür."
    Nur: Ist Wasserstoff nicht seit der Hindenburg-Katastrophe vom Tisch? Nein, meint manch ein Experte, auch Uwe Apel. "Der Hindenburg-Unfall ist nicht primär dadurch erzeugt worden, dass das Luftschiff mit Wasserstoff gefüllt war. Sondern dass die Außenhaut mit einem feuergefährlichen Lack lackiert war. Dort hat wahrscheinlich ein Funkenüberschlag für eine Initialzündung gesorgt. Dann ist Wasserstoff aus der Hülle ausgetreten, und in Folge ist das Ganze abgebrannt."
    Heute sei es kein wirkliches Problem, Luftschiffe mit Wasserstoff statt mit Helium fliegen zu lassen, meint Apel. "Wenn man Wasserstoff als Traggas nimmt, muss man andere Sicherheitsbedingungen einhalten als mit Helium. Das ist aber heute kein Hexenwerk mehr. Damit kann man umgehen, das kann man sicherheitstechnisch in den Griff kriegen."
    Wasserstoff besitzt zwei Vorteile: Er kostet deutlich weniger als Helium, nur ein Zehntel. Und: Er ließe sich nicht nur als Traggas, sondern auch als Treibstoff für elektrogetriebene Luftschiffe verwenden. Das wäre nicht nur praktisch, sondern auch klimaschonend – wenn man den Wasserstoff regenerativ erzeugt. Genau das könnte auf lange Sicht die eigentliche Chance für den Zeppelin sein: eine klimafreundliche Luftfahrt ohne CO2-Ausstoß. "Es kann passieren, dass in 10 bis 20 Jahren Regierungen feststellen: Wir können uns aus Umweltgründen die bisherige Luftfahrt gar nicht mehr leisten. Und schon hat man ganz andere Anforderungen. Wenn an ein Luftfahrzeug eine Anforderung gestellt wird: Minimum Emission, Geschwindigkeit nicht mehr so wichtig – dann kann es auch eine Renaissance des Luftschiffes geben."