Würzig und intensiv riecht der Kaffee, den Zahara Mohammed ihren Gästen aus einer tönernen Kanne serviert. Die 50-jährige Äthiopierin hat in den vergangenen Monaten fast alles verloren, was sie einmal besaß. Ihre 30 Kühe sind verendet, die Hälfte ihrer einst 200 Ziegen ist gestorben. Aber Zahara Mohammed ist Nomadin aus dem Volk der Afar, und als Nomadenfrau ist ihr die Gastfreundschaft selbst im größten Elend heilig.
"Die meisten unserer Tiere sind verendet. Von denen, die bis jetzt überlebt haben, sind viele mehr tot als lebendig. Aber am Himmel sehen wir ein paar Wolken. Wir hoffen natürlich, dass wir bald Regen kriegen, so Gott will. Nur bliebe unsere Situation dann immer noch sehr schwierig. Jetzt schon sind nicht nur die Tiere betroffen, sondern auch die Menschen."
Ihre drei jüngsten Enkelkinder seien nur noch Haut und Knochen, sagt Zahara Mohammed. So wie auch andere Kleinkinder in der Region. Die Regierung ist über diese Zustände im Bilde. Bisweilen kommen Angestellte aus der regionalen Hauptstadt Samara, über 100 Kilometer unwegsame Piste aus Staub und Geröll bis hierher zu ihnen, in den Weiler namens Maagidayto. Sie messen dann den Umfang der Oberarme aller Kinder und wüssten anschließend, wie viele unterernährt seien, wie kritisch die Lage sei. Die 50-jährige Nomadin erzählt auch, dass zwei Mal ein Team von Helfern kam und Zusatznahrung für die Kinder brachte. Das war viel zu selten, sagt die hagere Frau.
Die Regierung und die Helfer haben nicht genug Geld
Debrew Ayele gibt ihr Recht. Er arbeitet für die Abteilung der Regionalregierung, die für das Frühwarnsystem und die Hilfe im Notfall zuständig ist.
"Die Regierung unterhält ein Sozialhilfeprogramm und Nothilfeprogramme. Außerdem spenden Privatleute für die Bedürftigen, und die internationalen Hilfsorganisationen unterstützen uns. Sie verteilen Viehfutter, Impfstoff für die Tiere und päppeln schwer unterernährte und mangelernährte Kinder auf. Insgesamt ist die Situation also sehr kritisch, aber alle Regierungsstellen und alle Hilfsorganisationen tun, was sie können, um zu helfen. Allerdings reicht das alles nicht."
Denn die Regierung und die Helfer haben nicht genug Geld. Das gilt unter anderem für das Welternährungsprogramm WFP. Sagt dessen Leiter in Äthiopien John Aylieff.
"Allein wir brauchen für dieses Jahr 950 Millionen US-Dollar, haben aber nur 150 Millionen bekommen. Wir sind also massiv unterfinanziert. Angesichts unserer Finanznot ist die äthiopische Regierung eingesprungen und hat mehr als 400 Millionen Dollar für die Nothilfe zur Verfügung gestellt. Das meiste davon floss in die Verteilung von Lebensmitteln."
Von dieser Hilfe sind zurzeit sind gut zehn Millionen Äthiopier abhängig. Hinzu kommen acht Millionen Menschen, die regelmäßig staatliche Unterstützung erhalten.
Die äthiopische Regierung tut, was sie kann, um eine Hungerkrise zu vermeiden.
"Das ist ja auch die Verantwortung einer Regierung. Wir sind dieser Verantwortung nachgekommen."
Mitiku Kassa spricht mit spürbarem Stolz, er leitet die Nothilfeagentur der Zentralregierung in Addis Abeba. Die hat zehn Prozent ihres Jahresbudgets für die Nothilfe zur Verfügung gestellt. Mitiku Kassa betont, dass sich sein Land diese Mittel ohne das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre nicht hätte leisten können. Trotz allem Respekt vor der Leistung der Regierung ist aber auch Kritik zu hören. Viel zu lange, so heißt es unter Helfern, habe die Regierung versucht, die Auswirkungen der Dürre kleinzureden. Viel zu spät habe sie das Ausland um Hilfe gebeten.
Das ist, als wäre einem Deutschen sein Einfamilienhaus abgebrannt
Mohammed Yusuf, Vater von fünf Kindern, wirkt immer noch wie gelähmt von dem Schock, die Tiere von Maagidayto zu hunderten sterben zu sehen.
"Allein ich habe 15 Rinder und 100 Ziegen verloren. Mir sind nur drei Kühe und zehn Ziegen geblieben."
Das ist, als wäre einem Deutschen sein Einfamilienhaus abgebrannt und sein Konto geplündert worden. Denn die Nomaden ernähren sich bis heute von der Milch ihrer Tiere und tauschen auf dem Markt ihre Ziegen gegen Getreide. Zurzeit bekommen sie aber kaum noch etwas für ihr abgemagertes Vieh: Ein Sack Getreide gegen eine Ziege ist der übliche Kurs. Jetzt sind zwei Ziegen fällig, und wenn die Tiere sehr klein und mager sind, kostet der Sack Getreide auch vier. Für seine Familie braucht Mohamed zwei Säcke im Monat, beim gegenwärtigen Kurs sind das vier bis acht Ziegen. Er kann sich einfach ausrechnen, wie lange er mit seinen sieben Ziegen überlebt.
Immerhin gibt es in Maagidayto derzeit Wasser.
Einen Tag lang hat es kürzlich geregnet, erzählt dieser Mann. Danach waren die beiden Zisternen des Weilers gefüllt. Die Deutsche Welthungerhilfe hat die betonierten und überdachten Auffangbecken für Regenwasser in Maagidayto schon vor acht Jahren gebaut, jetzt in der Not bewähren sie sich. Rund 300 davon gibt es in Afar, sie sind Teil der jahrzehntelangen Bemühungen aller Partner, die Bevölkerung widerstandsfähig zu machen gegen die regelmäßig wiederkehrenden Dürrezeiten. Deshalb wurden auch Dämme gebaut, um Wasser für das Vieh aufzufangen, landesweit Weideland und Ackerflächen terrassiert, neue Maßnahmen für den Erosionsschutz entwickelt. Durchaus erfolgreich, immerhin sind bisher keine Menschen gestorben, trotz der schwersten Dürre in vielen Jahrzehnten.
Weil die Menschen in Maadigayto mit dem Wasser sehr sparsam sind, reicht es nun schon seit einer Woche. Johannes Belay arbeitet für die deutsche Organisation.
"Ein Tag Regen kann sechs bis sieben Tanklaster mit Wasser ersetzen. "
Auch junge und schwache Tiere werden damit getränkt, sie sind für die Menschen lebenswichtig. Nur die Kräftigen müssen sich ihr Wasser anderswo suchen, damit der Zisterneninhalt für die Menschen länger reicht. Währenddessen ist die Stimmung in Maagidayto an diesem Nachmittag nicht ganz so verzweifelt: Der Himmel hängt voller Wolken, vielleicht wird es noch einmal regnen.