Der Plan ist, auf dem 12 Kilometer langen Kanal 2 Millionen Kubikmeter Wasser vom Roten Meer umzuleiten. Dazu muss das Wasser zunächst 200 Meter angepumpt werden, bevor es 617 Meter tief fällt, denn das Tote Meer liegt auf minus 417 Metern. Die Energie, die bei diesem Fall entsteht, soll dazu genutzt werden, um die Hälfte des Wassers zu entsalzen, also Trinkwasser zu machen, das dort sehr knapp ist.
In der jordanischen Hauptstadt Amman beispielsweise bekommen die Haushalte im Sommer höchstens einmal die Woche Trinkwasser. Auch die landschaftlichen Schäden durch den fallenden Pegel des Salzsees springen ins Auge. Einzelne Landstriche haben sich abgesenkt, Straßen wurden unbefahrbar. Die Austrocknung des toten Meeres setzte Mitte des vergangenen Jahrhunderts ein, fasst die jordanische Projektleiterin Yana Abu-Taleb zusammen.
Vor 1950 glich der Regen die Wasserentnahmen aus dem Toten Meer aus. Danach begann der Pegel zu sinken, und das tut er bis heute. Und so schrumpft der See. 80 Kilometer war er früher lang – heute nur noch 50 Kilometer. Und der Pegel sinkt jedes Jahr um einen Meter.
Die Folgen auf Fauna und Flora sind unabsehbar. Denn das Tote Meer enthält zehnmal mehr Salz als das Mittelmeer. Der Wind, der das an den Ufern ausgetrocknete Salz weiterträgt, könnte die spärliche Landwirtschaft der Region zerstören und den Menschen gesundheitlich schaden. Die Ingenieurleistungen des Kanals würden das Absinken des Toten Meeres wohl stoppen. Dennoch zweifeln die Umweltschützer von "Friends of the Earth Middle East" daran, dass der Kanal die Lösung ist. Denn der See würde an Salzgehalt verlieren.
Algen könnten vermehrt wachsen. In einem Experimentierteich auf der israelischen Seite mischten Forscher ein Drittel Wasser vom Roten Meer und zwei drittel Wasser aus dem Toten Meer. Dieses Wasser ist rot, und wegen der Algen riecht nach faulen Eiern.
Mit einem Toten Meer als stinkender Kloake wäre niemandem gedient, auch nicht dem Fremdenverkehr. Die Umweltschützer treten durchaus für einen maßvollen Tourismus rund um das Tote Meer ein. Aus diesem Grund schlagen sie eine andere Lösung vor: Sie wollen von der UNESCO die Anerkennung des Toten Meeres als Biosphären-Reservat und als Weltkulturerbe, was mehr Touristen anlocken würde. Außerdem fordert "Friends of the Earth Middle East" ein gemeinsames Management der drei verfeindeten Anrainerstaaten Israel, Jordanien und Palästina, sozusagen einen Masterplan Totes Meer. Gidon Bromberg.
Der Kanal ist eine mögliche Lösung – aber nur für eines der Probleme. Dabei gibt es viele Herausforderungen: keine nachhaltige Entwicklung, Gifte, die nach wie vor ins Tote Meer fließen, die Industrie. Wir wollen eine ganzheitliche Antwort, und wir wollen andere Möglichkeiten prüfen. Auch die Möglichkeit, dass eines Tages wieder auf natürlichem Weg Wasser in das Tote Meer fließt. Denn es gibt einen natürlichen Kanal ins Tote Meer, den Jordan. Der Fluss führt nur ein Zehntel seines Wasser – würde er zu Hundert Prozent fließen, ginge es auch dem Toten Meer gut.