Die ersten kamen um vier Uhr morgens. Als IndyMac gestern morgen um neun an der amerikanischen Westküste öffnete, ab sofort unter staatlicher Kontrolle, hatten sich lange Schlangen gebildet. Kunden, in Angst um Einlagen, mit Fragen, mit Wut im Bauch und grenzenlosem Misstrauen gegenüber ihrer Bank, die bis vergangene Woche noch Durchhalteparolen ausgegeben hatte. In Zehnergruppen wurden die Kunden ins Gebäude gelassen, vor der Tür versuchten Vertreter der Bank und der Einlagensicherungsbehörde FDIC zu beruhigen. Obwohl einer der größten unabhängigen Baufinanzierer des Landes, gibt es IndyMac-Filialen nur in Kalifornien. Doch die Bilder aufgeregter Kunden vor der Bank, sie zieren heute die Titelseiten von Washington Post und New York Times. Das Logo der Bank ist noch immer deutlich zu erkennen. You can count on us, heißt es dort. Sie können auf uns zählen. Diese Bilder sind Gift für das aktuelle Klima im Bankensektor. Denn plötzlich sind es alle Amerikaner, die sich fragen, wie es um die Sicherheit ihres Geldes steht. Sicher ist, es wird weitere Pleiten geben. Die Herren von der Einlagensicherung führen eine Liste mit aus ihrer Sicht angeschlagenen Banken. Ende März umfasste die Liste 90 Institute. FDIC-Manager John Bovenzi versuchte gegenüber CNN zu beruhigen:
"Aus Erfahrung wissen wir, dass nur sehr wenige der Banken auf unserer Liste tatsächlich pleite gehen", so Bovenzi. Er gab allerdings auch zu, dass IndyMac gar nicht auf der Liste stand. Anlegern, die um ihr Geld bangen, riet Bovenzi:
" Falls weitere Banken zusammenbrechen gilt die gleiche Botschaft: Unter 100.000 Dollar haben sie nichts zu befürchten, sie sind versichert, selbst darüber hinaus gibt es Wege, ihre Konten so zu strukturieren, dass höhere Summen garantiert sind. "
Wie das geht, nun, John Bovenzi empfiehlt die Webseite der Einlagensicherung. Für viele Kunden vermutlich ein völlig neues Anlagekriterium. Bisher schauten die meisten auf die Rendite, jetzt sollen sie sich darum sorgen, das Geld überhaupt wiederzubekommen. IndyMac war eine typische Erscheinung des amerikanischen Immobilienbooms der vergangenen Jahre. Wer immer kaufen wollte, wurde nicht lange geprüft. Als Sicherheit hatte die Bank ja die Immobilie, die im Wert doch offenbar grenzenlos wuchs. Als dieser Trend umkippte, brach das Kartenhaus zusammen. Immer mehr Kunden gerieten aufgrund inzwischen höherer Zinsen in Rückstand und die angebliche Sicherheit, die Immobilie, sank im Wert. Inzwischen kommt es in den USA zu 7000 bis 8000 Zwangsversteigerungen - täglich. Auch wenn es sich bei IndyMac um den größten Bankencrash seit 1984 handelt. Es ist ein typischer Fall für die Einlagensicherungsbehörde, die Zusammenbrüche dieser Art abwickelt. Anders verhält sich die Sache mit der Sorge um die zwei größten Hypothekenbanken des Landes. Fannie Mae und Freddie Mac. Aus ihren langatmigen offiziellen Bezeichnungen, der Federal National Mortgage Association und der Federal Home Loan Mortage Corporation haben sich im öffentlichen Sprachgebrauch die Namen Fannie Mae und Freddie Mac festgesetzt. Seit grob 40 Jahren spielen die beiden Banken eine Hauptrolle im Kreislauf des Immobiliengeschäfts. Als private Aktiengesellschaften agieren sie im öffentlichem Auftrag. Sie handeln mit umfangreichen Hypotheken-Paketen und sind in den vergangenen Jahrzehnten so stark gewachsen, dass sie ohne Übertreibung als Rückgrat des amerikanischen Finanzsystems bezeichnet werden müssen. Kaum eine Bank, die sich dem Verkauf von Hypotheken nicht über Freddie und Fannie refinanziert. Papiere der beiden Häuser wiederum sind beliebte Anlagen weltweit. Doch das explosive Wachstum von Freddie und Fannie ist problematisch, so der Wirtschaftswissenschaftler Harald Uhlig von der University of Chicago:
" Fannie Mae und Freddie Mac sind zu groß geworden. Es gab auch schon viele Senatoren, die das immer kritisiert haben, die immer gesagt haben, das dürfen wir nicht machen, dass die Regierung hier Institutionen garantiert, die die Hälfte des Hausmarktes in Amerika absichert. "
Sein Kollege Hennig Bohn, Professor an der University of California in Santa Barbara stimmt ein. Auf die Frage, ob das Wachstum von Fannie und Freddie auch auf ein Versagen der Aufsicht zurückzuführen sei, sagt Bohn:
" Ganz sicher. Sie arbeiten mit einer ganz minimalen Kapitalbasis und arbeiten ganz klar mit dem Vertrauen, was sie in der ganzen Welt haben als staatsnahe Institutionen, die im Notfall gestützt werden würden. Darauf haben die spekuliert. Die Aktionäre haben gute Gewinne eingestrichen. Diese Gesellschaften haben seit Jahren hohe Wahlspenden gegeben an die Politiker. Und meiner Ansicht nach steckt da viel drin, dass diese Institutionen so mächtig waren, dass die Politiker faktisch nicht in der Lage waren, die mehr einzuschränken." "
Auch wenn Fannie und Freddie nicht im subprime-Bereich mit verantwortungslosen Kreditverträgen tätig waren und die meisten Darlehen, für die beide Banken garantieren, langjährige Hypotheken mit Festzins sind, die allgemeine Krise auf dem Häusermarkt zeigt Wirkung. Beide Institute haben im vergangenen Jahr an der Börse über 80 Prozent ihres Marktwerts verloren. Mit dünner Kapitaldecke konnte eine Zahlungsunfähigkeit offenbar nicht mehr ausgeschlossen werden. Ein Analystenbericht von Lehman Brothers gestern vor einer Woche reichte aus, um eine veritable Vertrauenskrise auszulösen. Freddie und Fannie seien demnach möglicherweise auf frisches Kapital in Höhe von 75 Milliarden Dollar angewiesen. Das ganze Wochenende über beriet das Finanzministerium in Zusammenarbeit mit der Notenbank und dem Kongress über vertrauensbildende Maßnahmen. Wenige Stunden vor der Markteröffnung gestern in Asien trat Finanzminister Henry Paulson vor dem gewaltigen Portal des Ministeriums an die Mikrofone:
" Beide Banken spielen eine zentrale Rolle, auch in Zukunft müssen sie diese Rolle als Aktiengesellschaft wahrnehmen. "
Die Option einer Verstaatlichung wurde also vorerst verworfen, dennoch gab Paulson Maßnahmen bekannt, die de facto staatlichen Garantien gleichkommen:
" Um notfalls für Liquidität zu sorgen, soll der staatliche Kreditrahmen erhöht werden. "
Auch wenn Einzelheiten noch erarbeitet werden. Es wird von einer möglichen Ausweitung des Kreditrahmens von 2,2 auf 300 Milliarden gesprochen. Dazu kommt die Absicht der Regierung, notfalls selbst Aktien der beiden Banken kaufen zu wollen. Mit öffentlichen Mitteln, mit Steuergeldern also. Angesichts dieser Maßnahmen hält Professor Bohn aus Santa Barbara eine Verstaatlichung für überlegenswert:
" Es sieht natürlich so aus, als ob der Staat sich stark investiert hat. Und an einem gewissen Punkt muss man natürlich darüber nachdenken, ob der Staat nicht besser dran wäre, auch das Gewinnpotenzial zu sozialisieren und nicht nur die Verluste. "
Denn da liegt seiner Meinung nach eine Wurzel des Übels. Wenn Fannie Mae und Freddie Mac Gewinne machen, dann profitieren die Aktionäre, unternehmerische Entscheidungen werden naturgemäß mit größerem Risiko getroffen, wenn klar ist, dass mögliche negative Folgen vom Steuerzahler aufgefangen werden. Der republikanische Abgeordnete Scott Garrett es deshalb auch vehement gegen das Hilfspaket der Regierung. Garrett gegenüber PBS:
Eine Politik, die jahrzehntelang Bestand hatte, unter demokratischen wie republikanischen Präsidenten wurde einfach über Bord geworfen, die Haltung nämlich, dass es keine staatliche Verpflichtung gibt, für Freddie und Fannie zu haften. Doch Garrett kämpft gegen Windmühlenflügel. Barney Frank, Demokrat, Vorsitzender im Finanzausschuss des Repräsentantenhauses:
" Ich fühle keine Verpflichtung gegenüber den Aktionären von Freddie und Fannie, wohl aber gegenüber der amerikanischen Wirtschaft", so Frank, und aus dem Senat kommen ähnlich entschlossene Töne. Der Fraktionschef der Demokraten, Harry Reid, sagt, wir werden alles tun, um die beiden Banken im Geschäft zu halten:
Präsident Bush betont, dass es sich bei dem Paket um Maßnahmen handelt, die im Notfall ergriffen werden.
Es ging darum, zu beruhigen. Dadurch, dass wir diese Absichten öffentlich machen, wird es weniger wahrscheinlich, dass es je dazu kommt, so Bush in einer Pressekonferenz vor etwa zwei Stunden.
Doch Professor Uhlig glaubt, der Staat habe sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Wie schon im Falle von Bear Sterns, der Wall Street Investmentbank, die im März zusammenbrach, habe die Angst vor einem Systemcrash das Hilfspaket diktiert:
" Nein, man hat nicht gewusst, was passieren würde, wenn man die Dinge hätte laufen lassen. Es gibt durchaus eine ganze Menge anerkannter Ökonomen, die sagen: Das ist eine Sache des Marktes. Das muss der Markt aussortieren. Das sind große Jungs, die wissen, was sie da machen. Und wenn sie es nicht wissen, dann haben sie es nicht verdient, dass der Staat ihnen hilft, und man hätte Fannie Mae und Freddy Mac weiterhin existieren lassen können. Wenn sie den Bach runter gehen, gehen sie den Bach runter. "
Die Regierung in Washington hat sich gegen dieses Wagnis entschieden. Auch wenn es für den amerikanischen Steuerzahler teuer werden könnte, für den Rest der Welt ist wichtig: Ein Zusammenbruch von Freddie und Fannie ist zur Zeit ausgeschlossen. Das heißt noch lange nicht, dass das Vertrauen in den Bankensektor zurückkehrt. Alle wissen zwar inzwischen. Ab einer gewissen Größe hilft der Staat, doch wo verläuft die Grenze. Diese Unsicherheit zeigt sich gerade an der Kursentwicklung der kleineren regionalen Banken, die für Millionen von Amerikanern aber nicht weniger wichtig sind. Gestern, wohlgemerkt nach Bekanntgabe des Hilfspakets verloren Banken überall im Land: Sterling Financial im Westen minus 28,7 Prozent, Zions Bankcorp im Südwesten, minus 23 Prozent, Huntington Bankshares im Nordosten, minus 17 Prozent und so weiter, und so weiter. Die Krise ist alles andere als ausgestanden, ihre Folgen noch unabsehbar.
Bisher hat das System in Deutschland gehalten. Zwar haben Banken wie die SachsenLB ihre Selbständigkeit verloren. In diesem Fall hat die Landesbank Baden-Württemberg LBBW das Institut aufgenommen. Und auch der Steuerzahler. Denn die Risiken der Sachsen LB wollte die LBBW nicht. Die hat der Freistaat Sachsen abgesichert. Ähnlich war es bei der Mittelstandsbank IKB. Sie war zu groß, um in die Insolvenz zu gehen. Das hätte womöglich andere Banken mitgerissen. Und dieser volkswirtschaftliche Schaden sollte vermieden werden. Hier hat in erster Linie der Großaktionär, die staatliche KfW - zunehmend wider Willen - die Risiken mit eigenem Kapital abgedeckt. Nur kleine Banken wie die Weserbank wurden ohne großes Aufheben geschlossen. Doch Bilder wie in England, wo im Herbst vorigen Jahres Kunden der Northern Rock ihre Bank bestürmten und belagerten, um Geld abzuziehen, die hat es bisher in Deutschland in dieser Krise nicht gegeben. Reinhard Schmidt, Professor für Internationales Bank- und Finanzwesen an der Universität Frankfurt, zweifelt auch, ob es sie geben werde:
" Was bei Northern Rock passiert ist, ist etwas, von dem man dachte, so etwas gibt es ja eigentlich gar nicht mehr. Und wenn man sieht, dass es in England passieren kann, dass etwas passieren kann, was es eigentlich gar nicht mehr gibt, dann kann man das für hiesige Verhältnisse auch nicht mehr ausschließen. Die zweite Antwort ist viel weniger pessimistisch. Das Einlagensicherungssystem in Deutschland ist wesentlich besser als in England, wesentlich umfangreicher. In Deutschland braucht man solche Sorgen wirklich nicht zu haben, dass Banken illiquide werden. "
Die Sparkassen haften gemeinsam für die Gelder, die die Sparer bei ihnen eingezahlt haben. "Jedem Einleger können daher bei Fälligkeit seine Ansprüche in voller Höhe erfüllt werden," versichert wörtlich der Sparkassen- und Giroverband.
Eine ähnliche sogenannte Institutssicherung haben die Volks- und Raiffeisenbanken aufgebaut. Sie gewährleistet einen umfassenden Schutz der genossenschaftlichen Banken. Auch in Extremfällen seien mindestens die Einlagen der Kunden geschützt.
Die privaten Banken haben den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken gegründet. Der garantiert Guthaben jedes einzelnen Kunden bis zur Höhe von 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals. Selbst bei kleinen Banken mit einem Eigenkapital von nur 5 Millionen Euro werden daher Forderungen jedes einzelnen Kunden von bis zu 1,5 Millionen Euro abgedeckt. Damit seien fast alle Kunden mit ihren vollen Guthaben abgesichert, sagt der Verband. Das Vertrauen in dieses System ist groß - und berechtigt, sagt Professor Thomas Heimer, der Dekan der Frankfurt School of Finance and Management:
" Dies ist im Prinzip eine Art genossenschaftliches System. Wenn eine Bank oder eine Sparkasse oder eine Volksbank in Liquiditätsschwierigkeiten gerät, dann springen die anderen ein. Wir haben übrigens ein Einlagensicherungssystem nicht nur in Banken, sondern auch in Versicherungen, wo wir auch einmal einen Fall hatten, wo dieses System getestet worden ist und sich als sehr stabil herausgestellt hat. Also, von daher bin ich überhaupt nicht ängstlich, so dass die Kunden mit Vertrauen ihr Geld auf der Bank lassen können. "
Dennoch geht die Finanzkrise an den Sparern und Anlegern nicht vorbei. Der Deutsche Aktienindex DAX ist seit Beginn der Krise vor gut einem Jahr um rund 25 Prozent gefallen. Erst heute hat er wieder ein neues Jahrestief gezeigt. Aktionäre können also ein Lied vom Leid in der Krise singen. Das hätte ihnen klar sein müssen, sagt der Frankfurter Ökonomieprofessor Reinhard Schmidt:
" Ja, natürlich müssen sie bluten. Die Anleger in Aktien sind Eigenkapitalgeber. Und der Hauptrisikoträger in einer kapitalistischen Wirtschaft ist das Eigenkapital. Und wenn es Verluste gibt - die mögen übertrieben sein oder übertrieben wahrgenommen werden -, dann ist es völlig richtig und systemkonform, dass die Eigenkapitalgeber erst mal die Verluste tragen. "
Auch Anleihen spüren den Marktdruck. Aus Sorge, Banken könnten mangels Liquidität zum Verkauf selbst sicherer Anleihen gezwungen sein, drohen auch deren Kurse zu fallen. Manfred Westphal, Abteilungsleiter Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Bundesverband:
" Das ist richtig. Auch die sind betroffen, weil sie ja sehr stark an den Markt gebunden sind, anders als die Festzinskonditionen und Festzinssparverträge, von denen es in Deutschland ja auch noch sehr viele gibt. "
Wenn Anleihekurse fallen, steigen deren Renditen. Wer also neu einsteigt, kommt billiger an die Papiere heran, verdient mehr. So sind in der Krise gewisse Sparformen auch attraktiver geworden. Weil die Risiken größer geworden sind, werden sie besser bezahlt. Die Zinsen also steigen. Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit haben Ende 2006, ein halbes Jahr vor Ausbruch der Krise, 3,9 Prozent Rendite gebracht. Jetzt sind es knapp 4,6 Prozent. Fast ebenso sichere Pfandbriefe mit gleicher Laufzeit bringen gar fünf Prozent. Festgeld, das man für ein Jahr anlegt, bringt 5,6 Prozent Zins. Ende 2006 bekam man nur 3,9 Prozent.
Wer Geld hat, bekommt also mehr Zinsen. Für den, der Geld braucht, wird es dagegen teurer. Hauskäufer spüren das. Investierende Unternehmen auch. Und das ist nicht angesagt in einer Zeit, in der die konjunkturelle Lage unsicherer wird. Um die Inflation zu bekämpfen, hat die Europäische Zentralbank Anfang des Monats die Zinsen leicht erhöht. Die amerikanische Notenbank hatte dagegen den Kampf gegen die Finanzkrise im Blick, als sie seit September vorigen Jahres in riesigen Schritten die Leitzinsen von 5,25 auf nur noch 2,0 Prozent senkte. Eine Politik, die - so oder so - auch Rückwirkungen auf Deutschland und Europa hat. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba:
" Wenn man in diesem Fall nichts tun würde, könnte die ganze Wirtschaft kollabieren. Wenn man was tut, dann schafft man volkswirtschaftlich und ordnungswirtschaftlich große Probleme -volkswirtschaftlich das Problem, dass das Vertrauen in die USA verloren gehen könnte, trotz dieser Maßnahmen, dass der Dollar abstürzt, dass die Rentenmärkte zusammenbrechen oder dass die USA tatsächlich Geld ohne Ende drucken, um eine Krise abzuwehren, was natürlich am Ende auch in den Kollaps führen würde. "
Ein Teil dieser Sorgen hat sich heute auf den Märkten gezeigt: Der Euro ist kurz vor Mittag wieder über die Marke von 1,60 Dollar und sogar auf ein neues Allzeithoch gestiegen, der Dollar entsprechend gefallen. Weil das die Exporte belasten dürfte, der Ölpreis nicht sinken will, die Menschen ihr Geld an die Tankstelle tragen müssen statt es zum Wohle der Konsumkonjunktur im Einzelhandel auszugeben, sind die Konjunkturaussichten nicht rosig. Das ZEW-Barometer, das das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung heute Vormittag veröffentlich hat, sank um 11,5 auf minus 63,9 Punkte. Die Prognosen hatten bei minus 55 Zählern gelegen. Die 300 befragten Volkswirte, Analysten und Fondsmanager sind also sehr pessimistisch.
Doch das ist die Sicht auf das Tagesgeschäft. Grundsätzlich gilt es unter Fachleuten als sicher, dass die Krise hier nicht in gleichem Maße Fuß fassen kann wie in den angelsächsischen Ländern. Das hat vor allem mit den Krisenursachen zu tun: den Immobilienpreisen. In Deutschland haben sie sich in den letzten 25 Jahren im Schnitt nur verdoppelt. In den Vereinigten Staaten sind sie dagegen um das Fünffache, in Großbritannien gar um den Faktor 16 teurer geworden. Hinzu kam, dass in Deutschland Immobilien in der Regel erstens mit einem nennenswerten Anteil Eigenkapital und zweitens mit langfristig gebundenen Zinsen finanziert werden. In Amerika und Großbritannien sind dagegen variable Zinsen und Vollfinanzierungen, also zu 100 Prozent auf Pump, deutlich üblicher. Dass vom deutschen Hypothekenmarkt Krisen ausgehen können, wie wir es seit einem Jahr in der von Amerika herrührenden Subprimekrise gesehen haben, sieht Professor Thomas Heimer nicht. Der Dekan der Frankfurt School of Finance and Management sagt:
" Wir haben eben nicht eine solche Blase, eine solche Spekulationsblase im Immobilienbereich wie in den angelsächsischen Ländern, wie Vereinigtem Königreich, aber viel stärker noch USA. Von daher sind die deutschen Hypotheken-Banken mit wesentlich geringeren Risiken ausgestattet als dies in Großbritannien der Fall ist. Man kann wirklich nur sagen, dass in Deutschland die Situation so anders aufgestellt ist, dass selbst die Gefahr einer Immobilienkrise in Deutschland zur Zeit nicht absehbar ist. "
Was kommen wird, auch als Folge der Krise kommen wird, ist eine neue, kleinere Bankenlandschaft. Der Frankfurter Lehrstuhlinhaber für internationales Bankwesen, Reinhard Schmidt:
" Es gibt ja sowieso Kräfte, die die Bankenstrukturen verändern. Und diese Kräfte sind in Bewegung geraten. Die werden wirksamer. Schauen Sie sich die Situation mit den Landesbanken an. Da muss ja ohnehin irgendetwas passieren. Und durch die Betroffenheit einiger Landesbanken durch die Krise wird das jetzt schneller passieren als es ohnehin passieren würde. "
"Aus Erfahrung wissen wir, dass nur sehr wenige der Banken auf unserer Liste tatsächlich pleite gehen", so Bovenzi. Er gab allerdings auch zu, dass IndyMac gar nicht auf der Liste stand. Anlegern, die um ihr Geld bangen, riet Bovenzi:
" Falls weitere Banken zusammenbrechen gilt die gleiche Botschaft: Unter 100.000 Dollar haben sie nichts zu befürchten, sie sind versichert, selbst darüber hinaus gibt es Wege, ihre Konten so zu strukturieren, dass höhere Summen garantiert sind. "
Wie das geht, nun, John Bovenzi empfiehlt die Webseite der Einlagensicherung. Für viele Kunden vermutlich ein völlig neues Anlagekriterium. Bisher schauten die meisten auf die Rendite, jetzt sollen sie sich darum sorgen, das Geld überhaupt wiederzubekommen. IndyMac war eine typische Erscheinung des amerikanischen Immobilienbooms der vergangenen Jahre. Wer immer kaufen wollte, wurde nicht lange geprüft. Als Sicherheit hatte die Bank ja die Immobilie, die im Wert doch offenbar grenzenlos wuchs. Als dieser Trend umkippte, brach das Kartenhaus zusammen. Immer mehr Kunden gerieten aufgrund inzwischen höherer Zinsen in Rückstand und die angebliche Sicherheit, die Immobilie, sank im Wert. Inzwischen kommt es in den USA zu 7000 bis 8000 Zwangsversteigerungen - täglich. Auch wenn es sich bei IndyMac um den größten Bankencrash seit 1984 handelt. Es ist ein typischer Fall für die Einlagensicherungsbehörde, die Zusammenbrüche dieser Art abwickelt. Anders verhält sich die Sache mit der Sorge um die zwei größten Hypothekenbanken des Landes. Fannie Mae und Freddie Mac. Aus ihren langatmigen offiziellen Bezeichnungen, der Federal National Mortgage Association und der Federal Home Loan Mortage Corporation haben sich im öffentlichen Sprachgebrauch die Namen Fannie Mae und Freddie Mac festgesetzt. Seit grob 40 Jahren spielen die beiden Banken eine Hauptrolle im Kreislauf des Immobiliengeschäfts. Als private Aktiengesellschaften agieren sie im öffentlichem Auftrag. Sie handeln mit umfangreichen Hypotheken-Paketen und sind in den vergangenen Jahrzehnten so stark gewachsen, dass sie ohne Übertreibung als Rückgrat des amerikanischen Finanzsystems bezeichnet werden müssen. Kaum eine Bank, die sich dem Verkauf von Hypotheken nicht über Freddie und Fannie refinanziert. Papiere der beiden Häuser wiederum sind beliebte Anlagen weltweit. Doch das explosive Wachstum von Freddie und Fannie ist problematisch, so der Wirtschaftswissenschaftler Harald Uhlig von der University of Chicago:
" Fannie Mae und Freddie Mac sind zu groß geworden. Es gab auch schon viele Senatoren, die das immer kritisiert haben, die immer gesagt haben, das dürfen wir nicht machen, dass die Regierung hier Institutionen garantiert, die die Hälfte des Hausmarktes in Amerika absichert. "
Sein Kollege Hennig Bohn, Professor an der University of California in Santa Barbara stimmt ein. Auf die Frage, ob das Wachstum von Fannie und Freddie auch auf ein Versagen der Aufsicht zurückzuführen sei, sagt Bohn:
" Ganz sicher. Sie arbeiten mit einer ganz minimalen Kapitalbasis und arbeiten ganz klar mit dem Vertrauen, was sie in der ganzen Welt haben als staatsnahe Institutionen, die im Notfall gestützt werden würden. Darauf haben die spekuliert. Die Aktionäre haben gute Gewinne eingestrichen. Diese Gesellschaften haben seit Jahren hohe Wahlspenden gegeben an die Politiker. Und meiner Ansicht nach steckt da viel drin, dass diese Institutionen so mächtig waren, dass die Politiker faktisch nicht in der Lage waren, die mehr einzuschränken." "
Auch wenn Fannie und Freddie nicht im subprime-Bereich mit verantwortungslosen Kreditverträgen tätig waren und die meisten Darlehen, für die beide Banken garantieren, langjährige Hypotheken mit Festzins sind, die allgemeine Krise auf dem Häusermarkt zeigt Wirkung. Beide Institute haben im vergangenen Jahr an der Börse über 80 Prozent ihres Marktwerts verloren. Mit dünner Kapitaldecke konnte eine Zahlungsunfähigkeit offenbar nicht mehr ausgeschlossen werden. Ein Analystenbericht von Lehman Brothers gestern vor einer Woche reichte aus, um eine veritable Vertrauenskrise auszulösen. Freddie und Fannie seien demnach möglicherweise auf frisches Kapital in Höhe von 75 Milliarden Dollar angewiesen. Das ganze Wochenende über beriet das Finanzministerium in Zusammenarbeit mit der Notenbank und dem Kongress über vertrauensbildende Maßnahmen. Wenige Stunden vor der Markteröffnung gestern in Asien trat Finanzminister Henry Paulson vor dem gewaltigen Portal des Ministeriums an die Mikrofone:
" Beide Banken spielen eine zentrale Rolle, auch in Zukunft müssen sie diese Rolle als Aktiengesellschaft wahrnehmen. "
Die Option einer Verstaatlichung wurde also vorerst verworfen, dennoch gab Paulson Maßnahmen bekannt, die de facto staatlichen Garantien gleichkommen:
" Um notfalls für Liquidität zu sorgen, soll der staatliche Kreditrahmen erhöht werden. "
Auch wenn Einzelheiten noch erarbeitet werden. Es wird von einer möglichen Ausweitung des Kreditrahmens von 2,2 auf 300 Milliarden gesprochen. Dazu kommt die Absicht der Regierung, notfalls selbst Aktien der beiden Banken kaufen zu wollen. Mit öffentlichen Mitteln, mit Steuergeldern also. Angesichts dieser Maßnahmen hält Professor Bohn aus Santa Barbara eine Verstaatlichung für überlegenswert:
" Es sieht natürlich so aus, als ob der Staat sich stark investiert hat. Und an einem gewissen Punkt muss man natürlich darüber nachdenken, ob der Staat nicht besser dran wäre, auch das Gewinnpotenzial zu sozialisieren und nicht nur die Verluste. "
Denn da liegt seiner Meinung nach eine Wurzel des Übels. Wenn Fannie Mae und Freddie Mac Gewinne machen, dann profitieren die Aktionäre, unternehmerische Entscheidungen werden naturgemäß mit größerem Risiko getroffen, wenn klar ist, dass mögliche negative Folgen vom Steuerzahler aufgefangen werden. Der republikanische Abgeordnete Scott Garrett es deshalb auch vehement gegen das Hilfspaket der Regierung. Garrett gegenüber PBS:
Eine Politik, die jahrzehntelang Bestand hatte, unter demokratischen wie republikanischen Präsidenten wurde einfach über Bord geworfen, die Haltung nämlich, dass es keine staatliche Verpflichtung gibt, für Freddie und Fannie zu haften. Doch Garrett kämpft gegen Windmühlenflügel. Barney Frank, Demokrat, Vorsitzender im Finanzausschuss des Repräsentantenhauses:
" Ich fühle keine Verpflichtung gegenüber den Aktionären von Freddie und Fannie, wohl aber gegenüber der amerikanischen Wirtschaft", so Frank, und aus dem Senat kommen ähnlich entschlossene Töne. Der Fraktionschef der Demokraten, Harry Reid, sagt, wir werden alles tun, um die beiden Banken im Geschäft zu halten:
Präsident Bush betont, dass es sich bei dem Paket um Maßnahmen handelt, die im Notfall ergriffen werden.
Es ging darum, zu beruhigen. Dadurch, dass wir diese Absichten öffentlich machen, wird es weniger wahrscheinlich, dass es je dazu kommt, so Bush in einer Pressekonferenz vor etwa zwei Stunden.
Doch Professor Uhlig glaubt, der Staat habe sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Wie schon im Falle von Bear Sterns, der Wall Street Investmentbank, die im März zusammenbrach, habe die Angst vor einem Systemcrash das Hilfspaket diktiert:
" Nein, man hat nicht gewusst, was passieren würde, wenn man die Dinge hätte laufen lassen. Es gibt durchaus eine ganze Menge anerkannter Ökonomen, die sagen: Das ist eine Sache des Marktes. Das muss der Markt aussortieren. Das sind große Jungs, die wissen, was sie da machen. Und wenn sie es nicht wissen, dann haben sie es nicht verdient, dass der Staat ihnen hilft, und man hätte Fannie Mae und Freddy Mac weiterhin existieren lassen können. Wenn sie den Bach runter gehen, gehen sie den Bach runter. "
Die Regierung in Washington hat sich gegen dieses Wagnis entschieden. Auch wenn es für den amerikanischen Steuerzahler teuer werden könnte, für den Rest der Welt ist wichtig: Ein Zusammenbruch von Freddie und Fannie ist zur Zeit ausgeschlossen. Das heißt noch lange nicht, dass das Vertrauen in den Bankensektor zurückkehrt. Alle wissen zwar inzwischen. Ab einer gewissen Größe hilft der Staat, doch wo verläuft die Grenze. Diese Unsicherheit zeigt sich gerade an der Kursentwicklung der kleineren regionalen Banken, die für Millionen von Amerikanern aber nicht weniger wichtig sind. Gestern, wohlgemerkt nach Bekanntgabe des Hilfspakets verloren Banken überall im Land: Sterling Financial im Westen minus 28,7 Prozent, Zions Bankcorp im Südwesten, minus 23 Prozent, Huntington Bankshares im Nordosten, minus 17 Prozent und so weiter, und so weiter. Die Krise ist alles andere als ausgestanden, ihre Folgen noch unabsehbar.
Bisher hat das System in Deutschland gehalten. Zwar haben Banken wie die SachsenLB ihre Selbständigkeit verloren. In diesem Fall hat die Landesbank Baden-Württemberg LBBW das Institut aufgenommen. Und auch der Steuerzahler. Denn die Risiken der Sachsen LB wollte die LBBW nicht. Die hat der Freistaat Sachsen abgesichert. Ähnlich war es bei der Mittelstandsbank IKB. Sie war zu groß, um in die Insolvenz zu gehen. Das hätte womöglich andere Banken mitgerissen. Und dieser volkswirtschaftliche Schaden sollte vermieden werden. Hier hat in erster Linie der Großaktionär, die staatliche KfW - zunehmend wider Willen - die Risiken mit eigenem Kapital abgedeckt. Nur kleine Banken wie die Weserbank wurden ohne großes Aufheben geschlossen. Doch Bilder wie in England, wo im Herbst vorigen Jahres Kunden der Northern Rock ihre Bank bestürmten und belagerten, um Geld abzuziehen, die hat es bisher in Deutschland in dieser Krise nicht gegeben. Reinhard Schmidt, Professor für Internationales Bank- und Finanzwesen an der Universität Frankfurt, zweifelt auch, ob es sie geben werde:
" Was bei Northern Rock passiert ist, ist etwas, von dem man dachte, so etwas gibt es ja eigentlich gar nicht mehr. Und wenn man sieht, dass es in England passieren kann, dass etwas passieren kann, was es eigentlich gar nicht mehr gibt, dann kann man das für hiesige Verhältnisse auch nicht mehr ausschließen. Die zweite Antwort ist viel weniger pessimistisch. Das Einlagensicherungssystem in Deutschland ist wesentlich besser als in England, wesentlich umfangreicher. In Deutschland braucht man solche Sorgen wirklich nicht zu haben, dass Banken illiquide werden. "
Die Sparkassen haften gemeinsam für die Gelder, die die Sparer bei ihnen eingezahlt haben. "Jedem Einleger können daher bei Fälligkeit seine Ansprüche in voller Höhe erfüllt werden," versichert wörtlich der Sparkassen- und Giroverband.
Eine ähnliche sogenannte Institutssicherung haben die Volks- und Raiffeisenbanken aufgebaut. Sie gewährleistet einen umfassenden Schutz der genossenschaftlichen Banken. Auch in Extremfällen seien mindestens die Einlagen der Kunden geschützt.
Die privaten Banken haben den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken gegründet. Der garantiert Guthaben jedes einzelnen Kunden bis zur Höhe von 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals. Selbst bei kleinen Banken mit einem Eigenkapital von nur 5 Millionen Euro werden daher Forderungen jedes einzelnen Kunden von bis zu 1,5 Millionen Euro abgedeckt. Damit seien fast alle Kunden mit ihren vollen Guthaben abgesichert, sagt der Verband. Das Vertrauen in dieses System ist groß - und berechtigt, sagt Professor Thomas Heimer, der Dekan der Frankfurt School of Finance and Management:
" Dies ist im Prinzip eine Art genossenschaftliches System. Wenn eine Bank oder eine Sparkasse oder eine Volksbank in Liquiditätsschwierigkeiten gerät, dann springen die anderen ein. Wir haben übrigens ein Einlagensicherungssystem nicht nur in Banken, sondern auch in Versicherungen, wo wir auch einmal einen Fall hatten, wo dieses System getestet worden ist und sich als sehr stabil herausgestellt hat. Also, von daher bin ich überhaupt nicht ängstlich, so dass die Kunden mit Vertrauen ihr Geld auf der Bank lassen können. "
Dennoch geht die Finanzkrise an den Sparern und Anlegern nicht vorbei. Der Deutsche Aktienindex DAX ist seit Beginn der Krise vor gut einem Jahr um rund 25 Prozent gefallen. Erst heute hat er wieder ein neues Jahrestief gezeigt. Aktionäre können also ein Lied vom Leid in der Krise singen. Das hätte ihnen klar sein müssen, sagt der Frankfurter Ökonomieprofessor Reinhard Schmidt:
" Ja, natürlich müssen sie bluten. Die Anleger in Aktien sind Eigenkapitalgeber. Und der Hauptrisikoträger in einer kapitalistischen Wirtschaft ist das Eigenkapital. Und wenn es Verluste gibt - die mögen übertrieben sein oder übertrieben wahrgenommen werden -, dann ist es völlig richtig und systemkonform, dass die Eigenkapitalgeber erst mal die Verluste tragen. "
Auch Anleihen spüren den Marktdruck. Aus Sorge, Banken könnten mangels Liquidität zum Verkauf selbst sicherer Anleihen gezwungen sein, drohen auch deren Kurse zu fallen. Manfred Westphal, Abteilungsleiter Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Bundesverband:
" Das ist richtig. Auch die sind betroffen, weil sie ja sehr stark an den Markt gebunden sind, anders als die Festzinskonditionen und Festzinssparverträge, von denen es in Deutschland ja auch noch sehr viele gibt. "
Wenn Anleihekurse fallen, steigen deren Renditen. Wer also neu einsteigt, kommt billiger an die Papiere heran, verdient mehr. So sind in der Krise gewisse Sparformen auch attraktiver geworden. Weil die Risiken größer geworden sind, werden sie besser bezahlt. Die Zinsen also steigen. Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit haben Ende 2006, ein halbes Jahr vor Ausbruch der Krise, 3,9 Prozent Rendite gebracht. Jetzt sind es knapp 4,6 Prozent. Fast ebenso sichere Pfandbriefe mit gleicher Laufzeit bringen gar fünf Prozent. Festgeld, das man für ein Jahr anlegt, bringt 5,6 Prozent Zins. Ende 2006 bekam man nur 3,9 Prozent.
Wer Geld hat, bekommt also mehr Zinsen. Für den, der Geld braucht, wird es dagegen teurer. Hauskäufer spüren das. Investierende Unternehmen auch. Und das ist nicht angesagt in einer Zeit, in der die konjunkturelle Lage unsicherer wird. Um die Inflation zu bekämpfen, hat die Europäische Zentralbank Anfang des Monats die Zinsen leicht erhöht. Die amerikanische Notenbank hatte dagegen den Kampf gegen die Finanzkrise im Blick, als sie seit September vorigen Jahres in riesigen Schritten die Leitzinsen von 5,25 auf nur noch 2,0 Prozent senkte. Eine Politik, die - so oder so - auch Rückwirkungen auf Deutschland und Europa hat. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba:
" Wenn man in diesem Fall nichts tun würde, könnte die ganze Wirtschaft kollabieren. Wenn man was tut, dann schafft man volkswirtschaftlich und ordnungswirtschaftlich große Probleme -volkswirtschaftlich das Problem, dass das Vertrauen in die USA verloren gehen könnte, trotz dieser Maßnahmen, dass der Dollar abstürzt, dass die Rentenmärkte zusammenbrechen oder dass die USA tatsächlich Geld ohne Ende drucken, um eine Krise abzuwehren, was natürlich am Ende auch in den Kollaps führen würde. "
Ein Teil dieser Sorgen hat sich heute auf den Märkten gezeigt: Der Euro ist kurz vor Mittag wieder über die Marke von 1,60 Dollar und sogar auf ein neues Allzeithoch gestiegen, der Dollar entsprechend gefallen. Weil das die Exporte belasten dürfte, der Ölpreis nicht sinken will, die Menschen ihr Geld an die Tankstelle tragen müssen statt es zum Wohle der Konsumkonjunktur im Einzelhandel auszugeben, sind die Konjunkturaussichten nicht rosig. Das ZEW-Barometer, das das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung heute Vormittag veröffentlich hat, sank um 11,5 auf minus 63,9 Punkte. Die Prognosen hatten bei minus 55 Zählern gelegen. Die 300 befragten Volkswirte, Analysten und Fondsmanager sind also sehr pessimistisch.
Doch das ist die Sicht auf das Tagesgeschäft. Grundsätzlich gilt es unter Fachleuten als sicher, dass die Krise hier nicht in gleichem Maße Fuß fassen kann wie in den angelsächsischen Ländern. Das hat vor allem mit den Krisenursachen zu tun: den Immobilienpreisen. In Deutschland haben sie sich in den letzten 25 Jahren im Schnitt nur verdoppelt. In den Vereinigten Staaten sind sie dagegen um das Fünffache, in Großbritannien gar um den Faktor 16 teurer geworden. Hinzu kam, dass in Deutschland Immobilien in der Regel erstens mit einem nennenswerten Anteil Eigenkapital und zweitens mit langfristig gebundenen Zinsen finanziert werden. In Amerika und Großbritannien sind dagegen variable Zinsen und Vollfinanzierungen, also zu 100 Prozent auf Pump, deutlich üblicher. Dass vom deutschen Hypothekenmarkt Krisen ausgehen können, wie wir es seit einem Jahr in der von Amerika herrührenden Subprimekrise gesehen haben, sieht Professor Thomas Heimer nicht. Der Dekan der Frankfurt School of Finance and Management sagt:
" Wir haben eben nicht eine solche Blase, eine solche Spekulationsblase im Immobilienbereich wie in den angelsächsischen Ländern, wie Vereinigtem Königreich, aber viel stärker noch USA. Von daher sind die deutschen Hypotheken-Banken mit wesentlich geringeren Risiken ausgestattet als dies in Großbritannien der Fall ist. Man kann wirklich nur sagen, dass in Deutschland die Situation so anders aufgestellt ist, dass selbst die Gefahr einer Immobilienkrise in Deutschland zur Zeit nicht absehbar ist. "
Was kommen wird, auch als Folge der Krise kommen wird, ist eine neue, kleinere Bankenlandschaft. Der Frankfurter Lehrstuhlinhaber für internationales Bankwesen, Reinhard Schmidt:
" Es gibt ja sowieso Kräfte, die die Bankenstrukturen verändern. Und diese Kräfte sind in Bewegung geraten. Die werden wirksamer. Schauen Sie sich die Situation mit den Landesbanken an. Da muss ja ohnehin irgendetwas passieren. Und durch die Betroffenheit einiger Landesbanken durch die Krise wird das jetzt schneller passieren als es ohnehin passieren würde. "