Lauter Blut - Leben um der Toten willen, besingt die Band "Televisorr" ihren Freund Boris Nemzow. Michail der Sänger, kannte den ermordeten Oppositionspolitiker seit vielen Jahren. "Boris" steht in weißen Buchstaben auf seinem schwarzen T-Shirt, das er auf der Bühne trägt.
"Wir sind vor der Polizei geflohen, aber Boris haben sie in eine Sackgasse gelockt und verhaftet, das war in Sankt Petersburg. Und nun. Es ist sehr schade, dass sie diesen Mann auf derart brutale Weise umgebracht haben und das mitten im Zentrum von Moskau."
"Wir sind vor der Polizei geflohen, aber Boris haben sie in eine Sackgasse gelockt und verhaftet, das war in Sankt Petersburg. Und nun. Es ist sehr schade, dass sie diesen Mann auf derart brutale Weise umgebracht haben und das mitten im Zentrum von Moskau."
Gemeinsam mit Boris Nemzow beteiligte sich "Televisorr" an den Massenprotesten gegen die gefälschten Wahlen 2011 und 2012. "Televisorr" - der Name ihrer Band - erfährt im heutigen Russland eine ganz neue Bedeutung. Das staatliche Fernsehen ist zum wichtigsten Instrument der Kreml-Propaganda geworden. "Es herrscht eine Atmosphäre der Einschüchterung, Leute werden entlassen ohne Erklärung, es kann jeden treffen. Ich habe es mir abgewöhnt, Angst zu haben. Wir wollen unseren Freunden hier in Kiew zeigen, dass wir an ihrer Seite stehen. Nicht alle Russen sind auf Linie, wie das russische Fernsehen glauben machen will, nicht alle fallen auf die Putin-Propaganda rein. In dem Titel "Verzeih Ukraine" singe ich von unserem Bedauern, dass wir Russen unseren Janukowitsch bis jetzt nicht davonjagen konnten. Aber die Ukrainer haben es geschafft."
"Es gibt keine Rechtfertigung, in einem Bruder einen Feind zu sehen, es folgen Leid viele Jahre und Schande Jahrhunderte lang." Verzeih uns Ukraine. Michail Borsikin hat viele russische Bands gefragt, ob sie mit nach Kiew kommen, vielleicht zu einem Festival wie "Love and Peace" vor einem knappen halben Jahr. Aber keiner wollte. So spielten sie mit "Labyrint", einer ukrainischen Band, für die der Krieg im Osten ein wichtiges Thema ist.
Mit spontanen Solidaritätsgesten mit der Ukraine sind russische Musiker vorsichtig, durch die russische Rockszene geht ein tiefer Riss, sagt Mischa, der Sänger von "Televisorr": "Eine Reihe von Rockkonzerten wurde abgesagt, wenn Gruppen als Ukraine-Sympathisanten geoutet wurden. Zu einem der größten Festivals, es heißt "Schestwije", mit unzähligen Bands, werden wir nicht mehr eingeladen. Dort stehen Panzer mitten auf dem Platz für das Publikum, Kanonen, ein mobiles Wehrkreiskommando, wo du dich an Ort und Stelle als Berufssoldat einschreiben lassen kannst. Das alles auf einem Rockkonzert. Fallschirmspringer landen inmitten der Fans, steigen auf die Bühne und skandieren: 'Rock, Heimat, Patriotismus'. Sponsor dieser Festivals ist das Verteidigungsministerium Russlands." Die Bands bekommen große Gagen, vor allem kostenlose PR, denn die großen TV-Kanäle übertragen die Konzerte. Die Zeiten, dass Mischa Borsikin und seine Band "Televisorr" ins Fernsehen eingeladen wurden, sind vorbei. Bevor sie für ihre Auftritte einen Klub mieten können, müssen sie ihre Texte vorlegen.
"Es gibt keine direkten Verbote, sondern Empfehlungen an die Klubs, uns bestimmte Lieder nicht singen zu lassen. Die Manager fürchten um ihre Existenz und so müssen wir immer neue Auftrittsorte suchen. Oder wir verzichten auf solche Titel wie "Dein Vater ist ein Faschist". Eigentlich schon ein altes Lied, aber wir wandeln es jetzt oft ab: "Euer Putin ist ein Faschist." Thema ist dieser Typ Mensch, der die Freiheit des anderen nicht achtet. Wir meinen es weniger politisch, es geht vielmehr um solche Charaktere, mit dieser Härte und diesem totalitären Gehabe."
Mischa singt gegen den roll back in sowjetische Zeiten an, auf den aggressiven Kurs gegen vermeintliche Feinde Russlands innen und außen reagiert "Televisorr" mit immer neuen Titeln, und würde sich doch gern ganz anderen Themen zuwenden, die liefert die aus den Fugen geratene Welt zur Genüge, sagt der Frontmann und verweist auf das letzte Album: "Déjà-vu". "Ich will nicht mit all dem Blut zu tun haben, mit diesem schlimmen Krieg, dieser schrecklichen Regierung. Diese Zeiten müssten doch vorbei sein. Aber vor acht oder zehn Jahren haben wir gesehen, dass das Ganze von Neuem losgeht. Wir haben dagegen gekämpft, aber wir haben verloren."