Archiv

Ruhrgebietskonferenz 2018
Hoffen auf einen Ruck im Revier

Ende 2018 schließt nach über 200-jähriger Industrie-Geschichte die letzte Steinkohlenzeche im Ruhrgebiet: Prosper-Haniel in Bottrop. Ein großer Einschnitt für das Ruhrgebiet, bei altbekannten, strukturellen Problemen - wie die hohe Arbeitslosigkeit und das fehlende Wirtschaftswachstum. Kann eine Neuauflage der Ruhrgebietskonferenz helfen?

Von Moritz Küpper |
    Die Zeche Prosper-Haniel in Bottrop
    Die letzte ihrer Art: Zeche Prosper-Haniel in Bottrop (dpa)
    Der Protest, so scheint es, gehört zum Ruhrgebiet, wie der Bergbau und die Bergmänner:
    "In ganz Deutschland gibt es keine Arbeit mehr Leute, wie lange soll es denn weitergehen. Er kann den Bergbau von mir haben, wenn er uns neue Arbeitsplätze gibt. Erst die neuen Arbeitsplätze und dann kann er sich den Bergbau in den Arsch schieben von mir aus. So."
    Töne aus der Vergangenheit, Töne der Wut, der Verzweiflung, Töne aus einer Region, die sich im Stich gelassen fühlte – und mitunter auch noch fühlt. Doch genauso wie es eine Tradition des Protestes gibt, gibt es eine Geschichte der Rettungs- und Modernisierungsversuche:
    "Zwei Tage diskutierte man über eine bessere Zukunft für Europas größtes Ballungsgebiet, erörterte Struktur-Verbesserungen und konjunkturelle Maßnahmen, man war sich einig, gestern zum Schluss, eine faire, eine offene Auseinandersetzung, ein guter Dialog."
    Zehn Milliarden Mark schwer: Das "Aktionsprogramm Ruhr"
    Hieß es im Jahr 1979 in einem Rundfunkbeitrag. NRWs damaliger Ministerpräsident Johannes Rau von der SPD, hatte rund 150 Teilnehmer zur ersten Ruhrkonferenz geladen, um über Strukturprobleme zu reden – und gab sich anschließend hoffnungsfroh:
    "Die Teilnehmer der Konferenz, die Sprecher der Gruppen, waren, ganz unabhängig von ihrem politischen und von ihrem gesellschaftlichen Standort, außerordentlich dankbar für diese Konferenz und haben ein sehr positives Echo bekannt gegeben."
    Das Ergebnis damals: Das "Aktionsprogramm Ruhr", vom Bund mitgestaltet, rund zehn Milliarden Mark schwer, förderte die Forschungslandschaft, neue Schulen, Beschäftigungs- und Beratungszentren – und ist ein Vorbild für folgende, politische Initiativen, bis heute:
    "Es braucht einfach die Sammlung aller Kräfte, die von der Wirtschaft, über Kultur, über die Universitäten, Forschungen, Stiftungen, sich einer gemeinsamen Aufgabe stellt, die wir alle sehen. Und die wir auch nur in Eigenverantwortung unter Vernachlässigung von Eigeninteressen angehen."
    Kein singulares, kein einziges Ereignis
    Stephan Holthoff-Pförtner sitzt in einem Besprechungsraum der NRW-Staatskanzlei, direkt am Düsseldorfer Rheinufer gelegen. Der 69-jährige CDU-Politiker, seit dem Sommer Minister für Bundes- und Europa-Angelegenheit, Internationales sowie kurzzeitig Medienminister, soll sich innerhalb der schwarz-gelben Landesregierung um eine Neuauflage der Ruhrkonferenz kümmern. Auf Seiten der CDU erinnert man sich dabei allerdings weniger an 1979, sondern eher an 1988, als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zu einer Montankonferenz bat. Nun also, 30 Jahre später, soll es eben wieder eine Ruhrkonferenz geben:
    "Das sind 53 Kommunen, das sind sechs Millionen Menschen und das ist ein toller Aufbruch, den wir schon wiederholt geschafft haben, zum Beispiel auch 1988 mit der Ruhrkonferenz. Und die Ruhrkonferenz diesmal wird kein singulares, ein einziges Ereignis, sondern es ist eine Dachmarke, unter der wir neu, geordnet, mit neuer Offenheit, miteinander zusammenarbeiten und uns gegenseitig unsere Schwächen anhören und sie gemeinsam ändern."
    Für Holthoff-Pförtner, Rechtsanwalt, millionenschwerer Verlagserbe, selbst ein Kind des Ruhrgebiets, er lebt bis heute in Essen, ist es eine Herzensaufgabe:
    "Ich gehe Menschen sammeln. Das heißt: Ich versuche Bürgermeister zu finden, in dem ich sage: Diese Initiative darf überhaupt keine Farbe haben. Die darf nicht rot, nicht schwarz, nicht gelb, nicht grün sein, sondern die muss NRW und Ruhrgebiet sein. Und ich versuche mit großem Erfolg nicht meinetwegen, sondern eben weil viele für die Idee brennen. Wenn Sie alleine lesen, was einzeln schon gedacht worden ist für die Region fehlt einfach nur jemand, der es wirklich sammelt und sagt: Ja, wir machen es."
    Minister, Unternehmer, Wissenschaftler und Kulturschaffende
    Sieben thematische Arbeitskreise soll es geben: Energie, Verkehr, Bildung, Gesundheit, Kultur Digitalisierung und Integration, die über die gesamte Legislaturperiode tagen. Die Konferenzen würden über das ganze Ruhrgebiet verteilt stattfinden. In jedem Arbeitskreis sollen Minister, Unternehmer, Wissenschaftler und Kulturschaffende vertreten sein. Inhaltlich werde es vor allem darum gehen, Ideen von allen Beteiligten zu sammeln, wie es mit dem Ruhrgebiet bis zum Jahr 2030 weiter gehen solle, so der Minister. Aber auch aktuelle Erfolge sollen mehr Aufmerksamkeit bekommen:
    "Ja, ich bin ja auch Ruhrgebietler. Also, Aufschneiden liegt uns wenig. Also, Wichtigtuer kommen bei uns nicht gut. Aber man sollte sein Licht auch nicht unter den Scheffel stellen. Ich glaube, dass das, was die Universitäten-Allianz, was die Forschungseinrichtungen, was auch einzelne Kommunen und was Unternehmen bereits leisten, ist ungeheuer gut. Und wir müssen einfach stolz darauf sein und tun und darüber reden."
    Mehr als einzelne Maßnahmen
    Im Frühjahr 2018 werde Ministerpräsident Armin Laschet Details verkünden, richtig los, soll es dann 2019 gehen. Für Holthoff-Pförtner steht fest, dass es um mehr gehe, als nur um einzelne Maßnahmen:
    "Das Ruhrgebiet ist groß geworden in einer Zeit von großen Konzernen. Die Mentalität, die auch mit sehr viel Erfolg war, war eben doch von den sogenannten Ruhr-Baronen gutsherrlich. Das ist in der Zeit von Digitalisierung, von Forschungseinrichtungen, von Eigenverantwortung nicht mehr gefragt. Das heißt, wir haben eben nicht mehr denjenigen, der sich darum kümmert, dass wir eine Wohnung haben, dass wir ein Krankenhaus haben, was ihm gehört, dass wir eine Versicherung haben, sondern wir müssen selber aktiv werden, wir müssen Ideen aufnehmen, wir müssen brennen für unsere eigene Sache."
    Mit anderen Worten: Es braucht einen Ruck im Revier. Mal wieder.