"Das sind eigentlich richtige Klosterbohnen, Hier sehen Sie, hier haben Sie den kleinen Engel." - "Ja, dieses kleine Auge dort, …" - "Wo die Engel so in Mode sind, …" - "Schön, sehr schön!" - "Die kommen von unserer Bohne in unserem Garten, hier haben Sie überall einen kleinen Engel drauf."
Christine Stoll ist ganz in ihrem Element. Die Gärtnerin und Ernährungsberaterin steht an einem der altrosa eingedeckten langen Tische im Veranstaltungsraum des Meißener Hahnemannzentrums. Sie berät eine engagiert auftretende Hobbygärtnerin im Rentenalter. Seit zehn Jahren veranstaltet die IG "Lebendige Vielfalt – Netzwerk zur Erhaltung der Kulturpflanzen" diese besondere Saatguttauschbörse und Christine Stoll hat hier den Hut auf.
"Das machen wir schon seit einigen Jahren, dass wir Menschen anhalten, wenn Sie schöne alte Sorten in Ihrem Garten haben, auch selbst Samen davon abnehmen, das machen viele Gartenbesitzer schon lange, schon früher war das gang und gäbe, dass man das alte Saatgut wieder aussät und dann über den Gartenzaun getauscht: Ich habe die Tomate, die sieht vielleicht sogar gelb aus oder die ist oval und das geht ja mit viele Pflanzen. Und unsere Samentauschbörse ist einfach eine Erweiterung des Gartenzaunmodells, wenn man so will."
Kräutergarten und Seminare
Neben der Ruine des einst mächtigen Benediktinerinnenklosters "Zum Heiligen Kreuz", in der malerischen Flussaue Meißens, haben engagierte Bürger einen Ort geschaffen, der sich dem Wirken des Erfinders der Homöopathie, Samuel Hahnemann, verschrieben hat. Ein neuer, großer Kräutergarten ist entstanden, Rosenfeste werden gefeiert und Seminare gegeben. An diesem sonnigen Samstagnachmittag treffen sich engagierte private Gemüse- und Blumenzüchter, um Saatgut zu tauschen.
"Ja, also ich bin Mitglied hier im Hahnemann-Zentrum und zugleich im Bund für Umwelt- und Naturschutz, und da kommen wir eigentlich fast jedes Jahr, wenn es geht, hierher und gucken, was es Neues gibt."
"Ich suche alles, was es gibt."
"Ja, ich war noch nie bei so etwas, ich habe jetzt einfach aus dem Garten, was ich so an Samen geerntet habe, mitgebracht." - "Was ist denn das alles, was Sie mithaben?" - "Also ich habe hier rote Nelke, dann Pastinake und Studenten, dieses kleinen, dann Mohn und diesen Rittersporn." - "Und suchen Sie selber auch etwas?" - "Ja, ich suche so seltene, so alte Gemüsesorten, Salatsorten und so Heilkräuter und so etwas, was man nicht so üblich in Katalogen findet."
Eine Keimgarantie gibt es nicht
Die Besonderheit an dieser Börse: Nur sogenanntes samenfestes Saatgut wird getauscht. Samenfest ist eine Pflanzensorte dann, wenn aus ihrem Saatgut Pflanzen wachsen, die dieselben Eigenschaften und Gestalt haben, wie deren Elternpflanzen. Das ist bei den handelsüblichen Hybrid-Samen nicht immer so. Das bedeutet, dass die Pflanze wie früher natürlich vermehrt wird. Bestäubt wird sie durch Wind und Insekten. Das hier angebotene Saatgut unterliegt nicht den üblichen Reinigungsstandards und eine Keimgarantie gibt es auch nicht.
Die Hobbygärtner auf der Meißener Saatguttauschbörse stört das nicht. Interessiert beugen sie sich über die auf den Tischen fächerförmig ausgelegten und fein säuberlich beschrifteten Samentütchen aus Papier und durchsichtigem Plastik. Fachgespräche werden geführt, iPads mit leuchtenden Fotos von bunten Blüten und glänzendem Gemüse stolz herumgereicht. Dazu gibt es Anbau- und Zubereitungstipps.
Ungewöhnliche Sorten im Tomatensamenüberraschungstütchen
"Was auch sehr schön ist, ist die Wunderblume, die kann ich empfehlen, in Gelb und in bunt und in weiß, das sind hier auch die Zettel dazu, wie das zu handhaben ist."
Großer Andrang herrscht bei Sabine Hoffmann. Sie züchtet Tomaten, kultiviert bereits 48 Sorten und geht bei dieser Tauschbörse mit ihren hübsch bunt aufgemachten "Tomatensamenüberraschungstütchen" an den Start. Darin das Saatgut für ganz ungewöhnliche Tomatensorten:
"Horn der Anden, rot, Chocolate, Oma’s Beste, Lila Sari, Orange Heart, Raspberry Miracle, Berner Rose, Hellfrucht, Anastasia, Pineapple, Pineapple Pig, unglaublich!"
"Sie können das wenigstens noch richtig aussprechen, ich, mir fehlt das ein bissel, das Englisch, ne, das klingt bei Ihnen viel besser, als bei mir."
Bis Anfang Mai finden Sachsenweit 14 weitere solcher nicht kommerziellen Saatguttauschbörsen statt.