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Salomonischer Tempel
"Das größte erhaltene historische Architekturmodell"

Das Hamburg Museum arbeitet derzeit an der Restaurierung eines besonderen Modells aus dem 17. Jahrhundert: dem des Salomonischen Tempels von Jerusalem. "Es ist ungeheuer fein gearbeitet", berichtet Museumsmitarbeiterin Claudia Horbas - allerdings sind Teile der Säulen und Schmuckornamente durch Holzschutzmittel kontaminiert.

Claudia Horbas im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich |
    Blick auf den Jerusalemer Tempelberg mit Felsendom und Klagemauer
    Der Felsendom auf dem Tempelberg in Jerusalem - einst stand hier auch der Salomonische Tempel. (picture alliance / dpa/ Marius Becker)
    Burkhard Müller-Ullrich: Bei der Einweihung des Hamburger Opernhauses im Jahr 1692 wurde in einem Nebenraum ein staunenerregendes Objekt gezeigt: ein Architekturmodell, das keinem realen Bauwerk entsprach, sondern der überlieferten Beschreibung des Heiligtums der Juden - der Salomonische Tempel von Jerusalem. Im Jahr 1692 lag dessen Zerstörung schon 16 Jahrhunderte zurück, das Modell war also ein Fantasiekonstrukt. Das Modell gehört heute dem Hamburg Museum und unsere Gesprächspartnerin dort ist Claudia Horbas. Frau Horbas, dieses Tempelmodell, das eher wie eine gewaltige Schlossanlage mit sieben Innenhöfen aussieht, ist ja wahnsinnig filigran gearbeitet, aus Obstbaumholz, und man muss schon ganz nahe herantreten, um alle Einzelheiten zu erkennen. Dabei ist das Ganze riesengroß, 3,50 mal 3,50 Meter. Eine Modelleisenbahn ist nichts dagegen.
    Claudia Horbas: Das ist richtig. Es ist ja das größte erhaltene historische Architekturmodell, ein Idealmodell, eben nicht das Modell einer Architektur, die man entworfen hat, oder auch nicht das Abbild eines Gebäudes, das es schon gibt, wie etwa die Korkmodelle in Kassel, die die antiken Bauten Roms abbilden, sondern es ist das Modell einer Vision mehr oder weniger. Und es ist ungeheuer fein gearbeitet. Es ist holzsichtig gearbeitet wie die großen Renaissance-Modelle in Süddeutschland oder Italien, und wir haben ganz außergewöhnliche Materialien hier verwendet. Wir haben Obstbaumhölzer - das ist jetzt nicht so ungewöhnlich - für die Säulen, aber wir haben aus gepresster Birkenrinde hergestellte Schmuckornamente, wir haben Metall für die Kapitelle der Säulen. Das sind ungefähr 700 bis 800 Stück. Und wir haben lüstriertes Leder und Pergament im Inneren des Allerheiligsten, also eine ganz kostbare Ausstattung auch derjenigen Teile, die man zunächst von außen gar nicht sehen konnte.
    Müller-Ullrich: Und man merkt, wie Sie es beschreiben, schon so ein bisschen den Geist einer barocken Spielerei. Es hat was von Kuriositätenkabinett, oder?
    Horbas: Auf jeden Fall. Wir wissen auch, dass in barocker Zeit das Modell besichtigt werden konnte in Führungen und dass es bei dieser Gelegenheit auseinandergenommen wurde. Man hört davon, dass die Dächer abgenommen wurden, sodass man in das Innere hineinschauen konnte.
    Müller-Ullrich: Aber nicht ins Allerheiligste hoffentlich?
    Horbas: Da bin ich nicht sicher. Das ist ja auch möglich und wenn man sich ganz klein macht und durch die Kolonaden hindurchschaut und durch die Höfe hindurchschaut, hat man tatsächlich das Gefühl, in einer riesigen Architektur zu sein. Man muss ein bisschen die Fantasie anstrengen, es kommt auf den Blickpunkt an. Aber natürlich sind die Türen zum Allerheiligsten auch zu öffnen und man könnte dann auch hineinsehen bis zum Punkt, wo die Bundeslade aufgestellt ist, und sich vorstellen, hindurchzuwandeln durch dieses tatsächlich riesige Bauwerk.
    Müller-Ullrich: Wer jemals mit Faller-Häuschen gespielt hat, der weiß ja, was das für einen Begeisterungseffekt auslösen kann. Wie präsentieren Sie denn dieses Werk im Augenblick?
    Horbas: Im Augenblick können wir es gar nicht präsentieren. Der Tempel ist aufgestellt gewesen bis vor zwei, drei Jahren in unserer Abteilung zu Kunst, Wissenschaft, Oper in Hamburg und ist dann ausgeliehen worden auf eine große Ausstellung nach Amsterdam. Als der Tempel zurückkam, haben wir gesagt, dass wir uns nun die Zeit nehmen müssen, mal eine Bestandsaufnahme zu machen nach den Gesichtspunkten, wie man heute konservatorisch mit Kunstwerken umzugehen hat. Und dabei hat sich herausgestellt, dass ein enormer Bedarf an Arbeit da ist: erstens konservatorischer Art und zweitens durch die Tatsache, dass wir durch die Verwendung verschiedener Holzschutzmittel eine Schadstoffproblematik haben.
    Müller-Ullrich: Ist das Ding denn richtig kaputt?
    Horbas: Es ist nicht kaputt, aber es hat durch seine verschiedenen Reisen natürlich gelitten. Es sind viele Teile lose, es gibt Verschmutzung. Das heißt, eine Festigung ist unbedingt notwendig, eine Reinigung ist wünschenswert und eine Dekontamination der schadstoffbelasteten Teile muss zumindest angestrebt werden. Sie können sich vorstellen, dass das eine nicht kleine Maßnahme ist, und deshalb haben wir die Kulturstiftung der Länder angesprochen, uns zu unterstützen, und sind aufgenommen worden in das Projekt "Kunst auf Lager", können jetzt eine größere Restaurierungsmaßnahme durchführen und möchten dann gerne im Herbst/Winter des nächsten Jahres das Stück in einer Sonderpräsentation zeigen. Und hier würde ich gerne zurückkommen auf das, worüber wir eben sprachen: Diese Sonderpräsentation möchten wir so gestalten, dass man einen ganz besonderen Blick auf das Modell haben kann. Wir werden es so präsentieren, dass man verschiedene Blickwinkel einnehmen kann, dass man sozusagen einen Gang durch das Modell machen kann. Das wird nur für kurze Zeit möglich sein, weil wir einen Ort vorgesehen haben, den wir im Museum auch für andere Dinge brauchen: unsere große obere Halle. Aber es wird eine einzigartige Möglichkeit sein, dieses Stück in Augenschein zu nehmen.
    Müller-Ullrich: Sie haben ja jetzt dargestellt, dass es einen gewissen Bedarf an Erhaltungsmaßnahmen, Restaurierungsmaßnahmen gibt. Warum? Wie kam es dazu? Wurde da was vernachlässigt?
    Horbas: Nein. Es ist einfach so, dass Holz natürlich ein ganz besonders empfindliches Material ist, was Klimaschwankungen betrifft. Und diese Birken-Pressornamente - man kann sich das vorstellen, das ist ein ganz filigranes Material. In den 1720er-Jahren ist das Modell per Schiff von Hamburg nach London gebracht worden, um dort nach dem Tod von Gerhard Schott verkauft zu werden - die Erben hatten kein Interesse an dem Modell, sondern eher daran, einen finanziellen Gewinn zu erzielen. Von dort ist es dann 1732, nachdem August der Starke es für seine Kunstkammer gekauft hatte, wieder nach Dresden gekommen. In Dresden ist es dann an verschiedenen Orten aufbewahrt und aufgestellt gewesen, bevor es 1910 wieder nach Hamburg kam.
    Man kann sich vorstellen, dass alleine durch diese Reisen, die ja kaum in Klimakisten durchgeführt worden sind, sondern mit Schiffen und bei schlechtem Wetter und im Winter, bereits Veränderungen eingetreten sind. Wir wissen auch schon aus dem 18. Jahrhundert von Reparaturen an dem Tempel. All dieses gilt es, natürlich dann irgendwann aufzuarbeiten.
    Die Schadstoffproblematik ist eine relativ junge. Man hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Holzschutzmittel verwendet, um Schäden auszuschließen, aber war natürlich damals offenbar nicht ausreichend informiert, was man verwenden kann und was man nicht verwenden kann. Das wissen wir heute und daran müssen wir natürlich was tun. Vernachlässigt worden ist da gar nichts. Im Gegenteil muss ich sagen: Dass wir eine so umfangreiche Bestandsaufnahme gemacht haben, ist, glaube ich, eher etwas ungewöhnlich.
    Müller-Ullrich: Wie ist es denn 1910 nach Hamburg zurückgekommen?
    Horbas: Das Modell war wie gesagt seit 1732 in Dresden, war dort auch aufgestellt im Rahmen einer, man könnte sagen, ersten kulturhistorischen Ausstellung zur jüdischen Kultur und stand bis in die 1830er-Jahre im Wallpavillon des Zwinger. Und dann wusste man offenbar nicht mehr so ganz genau, wohin damit, hat es weitergereicht, es stand mal in der Kreuzkirche. Schließlich war es Eigentum des königlich-sächsischen Altertumsvereins und noch mal ausgestellt gewesen im frühen 20. Jahrhundert. Der Führer zu dieser Ausstellung in Dresden sagt damals schon, es handele sich um ein zwar imposantes Werk, aber ohne jeden archäologischen Wert. Das heißt, man hat damals schon nicht mehr so ganz genau gewusst, was man mit diesem Modell anfangen soll. Und in dieser Zeit entstehen ja überall Vereine zur Pflege von Kunst und Kulturgeschichte und in Hamburg gibt es schon seit Jahrzehnten natürlich auch den Verein für Hamburgische Geschichte, und es gab Kontakte natürlich zwischen den einzelnen Städten und so kam das Modell wieder nach Hamburg zurück.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.