Es klingt wie gemacht für VW und seinen Abgas-Skandal: Die Koalition will Sanktionen gegen Unternehmen verschärfen. Fast eine ganze Seite widmen dem CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag. Und tatsächlich erhofft sich der CDU-Abgeordnete und Wirtschaftsrechtsprofessor Heribert Hirte mehr Durchschlagskraft auch gegen Unternehmen wie VW.
"Der Unterschied könnte sein, dass schneller ermittelt würde, gründlicher ermittelt würde und dass die Haftungsrisiken schneller zutage treten und auf diese Weise die Mitarbeit des Unternehmens auch schneller bewerkstelligt wird."
Mit anderen Worten: Es geht um Druck. Auch im Rechtsausschuss des Bundestages habe man bemerkt, dass Volkswagen mit den US-Behörden schneller kooperiert habe als mit den deutschen. Dabei sieht das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht schon jetzt Geldbußen von bis zu zehn Millionen Euro vor, wenn ein Unternehmen zurechenbar von Straftaten von Mitarbeitern profitiert.
"Das Problem mit den Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts ist, dass sie sehr kompliziert sind und dass sie von manchen auch nicht so wahrgenommen werden, als dass sie als Ermöglichung von Sanktionen von Unternehmen auch genutzt werden können."
Seit Langem gibt es deshalb Forderungen nach einem regelrechten Unternehmensstrafrecht. Und ebenso lange ist umstritten, ob es das geben kann, ob ein Unternehmen im strafrechtlichen Sinn "schuldfähig" sein kann. Ein früherer Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen scheiterte unter anderem an dieser Diskussion. Der Koalitionsvertrag geht jetzt einen anderen Weg – und folgt damit einem Vorschlag des Strafrechtsprofessors Michael Kubiciel und seiner Kollegen. Ihr "Kölner Entwurf" will weg von Strafrecht, weg von der Ordnungswidrigkeit, die für Verstöße im Straßenverkehr besser passt, hin zu ganz eigenen Regeln.
"Und diese etwas anderen Regeln würde ich auch für angemessen halten. Denn im Kölner Entwurf geht es nicht so sehr um eine Bestrafung eines Unternehmens. Sondern wir wollen, dass sich die Unternehmen und ihre Einstellung ändern."
Sanktionen bis zu 10 Prozent des Umsatzes
Deshalb soll nur das Unternehmen sanktioniert werden, dass nicht mit den Ermittlern zusammenarbeitet. Gleichzeitig sollen erheblich höhere Sanktionen drohen – bei sehr großen Unternehmen bis zu 10 Prozent des Umsatzes. Und: Die Behörden sollen keine Wahl mehr haben – sie müssen ermitteln. Soviel zum Druck. Auf der anderen Seite aber soll das neue Recht auch den Unternehmen mehr Rechtssicherheit bringen, sagt Michael Kubiciel. Das bisherige Recht sei bisher einfach zu schlicht für so komplexe Fälle.
"Und das steht in deutlichem Missverhältnis zu dem Reputationsverlust und auch den Sanktionen, die Unternehmen in solchen Verfahren drohen."
Vor allem eine Schwierigkeit spricht auch der Koalitionsvertrag an: Die sogenannten internal investigations. Mehr und mehr sind Unternehmen verpflichtet, mit Staatsanwaltschaften zusammenzuarbeiten, Missstände selbst intern aufzuklären. Dann aber fehle es an klaren Regeln, wann Ermittler auf die Ergebnisse zugreifen dürfen – etwa mit Durchsuchungen beim Rechtsanwalt. So einen Fall hat es schon gegeben. Und:
"Die interviewten Arbeitnehmer im Verfahren werden nach Maßstäben des Arbeitsrechts befragt. Das heißt, sie haben in diesem Interview kein Zeugnisverweigerungsrecht. Sie müssen auch über Sachen aussagen, die sie selbst belasten könnten. Das wäre im Strafverfahren anders. Und insofern haben wir es mit einer Interessenkollision zu tun, die das gegenwärtige Recht einfach nicht abbildet. Und da brauchen wir dringend eine besondere Regelung."
Und das in jedem Fall – auch völlig unabhängig von VW, wo Michael Kubiciel sich nicht so sicher ist, dass Behörden ganz anders ermitteln würden. Wichtig ist ihm ein neues Recht auch, weil er sich eine größere Schlagkraft deutscher Behörden gegen ausländische Unternehmen erhofft, quasi im Sinne einer wirtschaftspolitischen Waffengleichheit. Ob das auch die Koalition so sieht, ist allerdings noch offen.