"Dann fangen wir mal an und setzen den Tubus drauf. Das ist eine 150-Millimeter-Öffnung. 750 Millimeter Brennweite, Newton, also ein Spiegelteleskop. Da haben wir hier den Sucher. Vielleicht kriegen wir nachher noch einen wunderschönen Blick auf den Orionnebel."
Der Himmel ist sternenübersät bis zum Horizont. Thomas Wehr ist aber nicht nur hier, um Sterne zu beobachten. Der Amateurastronom hat es auf bewegliche Punkte am Himmel abgesehen. Auf Satelliten.
"Guck mal, da siehst du zum Beispiel Nato-4b oder Nanosat-1, Meteosat-7. Wenn man sich überlegt, was da oben herumschwirrt, dann ist das doch eine ganze Menge Von Tarnkappensatelliten bis zu anderen Satelliten, die so groß sind wie das Hubble Space Telescope."
Rund 1400 aktive Satelliten umkreisen heute die Erde. Ein Viertel von ihnen mit militärischen Aufgaben. Sie werden zum Risiko für die Raumfahrt: scheinbar unsichtbar, nicht zu orten und geheim.
"Das Interessante ist, dass es voran geht wie bei Hase und Igel. Die einen sind hinterher und versuchen die Satelliten aufzuspüren. Und die anderen wollen die wieder verstecken."
Am 11. Januar 2007 startet China eine Rakete in den Weltraum. Es ist keine gewöhnliche Trägerrakete vom Typ Langer Marsch, mit der China sonst Satelliten ins All schießt. Es ist eine militärische Mittelstreckenrakete. Und sie steigt bis auf 865 Kilometer auf. In eine Höhe auf der militärisch betriebene Satelliten vieler Staaten kreisen.
Das Geschoss trifft und zerstört einen eigenen Satelliten: FengYun-1C. Ein ausgedienter, acht Jahre alter chinesischer Wettersatellit. Brian Weeden hat das Manöver analysiert. Lange war er Offizier bei der US-Luftwaffe, heute ist er technischer Berater beim unabhängigen Thinktank Secure World Foundation in Washington DC:
"Seit zehn Jahren entwickelt China jetzt Waffensysteme, die Satelliten zerstören können. Beim Test von 2007 wurde ein Projektil vom Boden aus auf einen ihrer eigenen Satelliten geschossen. Und das erzeugte ungefähr 3000 Fragmente größer als zehn Zentimeter."
Trümmer wirken in der Umlaufbahn wie Geschosse. Sie gefährden alles, was dort kreist. Warum hat China diesen Kollateralschaden in Kauf genommen - für einen Test ohne Not?
Neil Armstrong: "Housten, hier ist Tranquility Base. Der Adler ist gelandet."
In der Anfangszeit waren Astronauten wie Kosmonauten fast ausnahmslos Angehörige des Militärs und erfahrene Jagdpiloten. Ihre Missionen dagegen dem Wortlaut nach friedlicher Natur:
"Hier setzten Menschen vom Planeten Erde zum ersten Mal ihren Fuß auf den Mond. Juli 1969. Wir kamen in Frieden für die gesamte Menschheit."
Das steht auf allen sechs Plaketten, die die Apollo-Astronauten auf dem Erdtrabanten zurückließen, neben einer amerikanischen Fahne, versteht sich. Schon zwei Jahre zuvor hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Weltraumvertrag beschlossen: Andere Himmelskörper sollen von der ganzen Menschheit friedlich genutzt werden. Und tatsächlich hat bis heute kein Staat einen Teil des Alls militärisch für sich beansprucht.
Die Vertragsstaaten verpflichten sich, keine Gegenstände, die Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen tragen, in eine Erdumlaufbahn zu bringen und weder Himmelskörper mit derartigen Waffen zu bestücken noch solche Waffen im Weltraum zu stationieren.
Keine Massenvernichtungswaffen also, und keine Kernwaffen. Was aber ist mit Anti-Satellitenwaffen, die vom Boden aus agieren? Konventionelle Satellitenwaffen wie von China 2007 erprobt, sind bis heute völkerrechtlich erlaubt. Brian Weeden:
"Am Anfang haben die USA und die Sowjetunion den Weltraum ständig auch militärisch genutzt."
Ost und West starteten in den 1960er Jahren immer wieder einfache Geschosse, mit denen sie auch testweise Satelliten abschossen. Viele der Missionen hatten aber andere Aufgaben. Sie stellten das Vertrauen zwischen den Atommächten her, indem sie nach Anzeichen für gegnerische Raketenstarts suchten. Auch nur versuchsweise Waffen auf solche Satelliten zu schießen, hätte das atomare Gleichgewicht gefährdet.
Ronald Reagan: "Als ersten wichtigen Schritt ordne ich ein langfristiges Forschungs- und Entwicklungsprogramm an, um unser endgültiges Ziel zu erreichen, die Bedrohung durch strategische nukleare Raketen zu eliminieren."
1983 geriet das Gleichgewicht durch US-Präsident Ronald Reagan ins Wanken. Seine Strategic Defense Initiative, kurz SDI, sollte Amerika befähigen, Atomraketen aus der Sowjetunion zuverlässig abzufangen. Dafür wurde ein ganzes Netzwerk neuer Satelliten nötig. Und die sollten Satelliten des Gegners auch angreifen können. "Star Wars" brachte Ideen für eine ganze Armada von Weltraumwaffen hervor.
Koorbitale Bomben: Einfache Bomben, werden in die Umlaufbahn eines feindlichen Satelliten geschossen, nähern sich unauffällig an und explodieren
Laserwaffen: Bringen einen Satelliten zum Absturz oder blenden seine Beobachtungsinstrumente
Kinetische Abschusskörper: Eine beschleunigte Masse mit einigen Sensoren, die den Satelliten an dessen Wärmeabstrahlung erkennt und rammt
Mit dem Ende des Kalten Kriegs verschob sich die Strategie in der Umlaufbahn: Die US-Armee wurde mit ihren Einsätzen weltweit und ihren Drohnen zu Großkunden kommerzieller Anbieter von Kommunikationssatelliten. Doch die Generäle haben das Star-Wars-Programm nicht ganz vergessen. Die Pläne liegen fertig in den Schubladen.
Brian Weeden: "Als die Sowjetunion aufhörte zu existieren, wurden all ihre Programme beendet. Die USA haben hier weitergeforscht, überwiegend aber ohne die Technik einzusetzen."
Erst das Jahr 2007 mit dem Anti-Satellitentest Chinas markiert den Wendepunkt.
"Der Raketentreibstoff Hydrazin ist für den Menschen gesundheitsschädlich. Und wir versuchen, dieses Risiko zu verringern."
Das gibt US-Sicherheitsberater General James Cartwright in einer Pressekonferenz am 14. Februar 2008 zu Protokoll, gerade ein Jahr nach Chinas Satellitenabschuss. Sieben Tage später steigt von einem Lenkwaffenkreuzer im Pazifik eine Boden-Luft-Rakete auf und zerstört USA-193, einen offenbar defekt gestarteten Satelliten des US-Geheimdienstes. Immerhin in einer Höhe von nur 250 Kilometern, wo Weltraumschrott in der dünnen Restatmosphäre schnell verglüht. Es ist der erste Anti-Satelliten-Einsatz des US-Militärs seit zwei Jahrzehnten.
Brian Weeden: "In den USA wird gerade viel über einen möglichen Konflikt mit China diskutiert. Ein hypothetisches Beispiel ist eine Krise über Taiwan. Aus Sicht von China wäre die Präsenz von US-Flugzeugträgern oder Kampftruppen in dieser Gegend ziemlich besorgniserregend. Stellen Sie sich jetzt vor, Sie wären der US-Commander für den Pazifikraum. An Bord eines Flugzeugträgers befinden sich vier- bis fünftausend Menschen und die sind kriegsentscheidend. Und Sie wüssten, dass Chinas Fähigkeit, diese Flugzeugträger zu orten, wiederum entscheidend von deren Satelliten abhängt: Dann wollen die USA in der Lage sein, diese Satelliten zu zerstören."
Für Brian Weeden eine logische strategische Entscheidung.
"Es sind ja keine Leute auf diesen Satelliten; es sind nur Roboter. Sie töten keinen einzigen Menschen. Für einen Commander ist diese Entscheidung gar nicht schwer."
Holger Krag: "Für uns ist das auf jeden Fall ein Horrorszenario."
Bei der Europäischen Raumfahrtagentur mag man sich solche Planspiele nicht einmal vorstellen. Jeder Abschuss produziert Schrott, und der ist Gift in der Umlaufbahn.
Holger Krag: "Also hier ist ein Aluminiumblock beschossen worden mit fast orbitaler Geschwindigkeit, mit einer einen Zentimeter großen Aluminiumkugel - wo habe ich sie denn? Da ist sie. Das ist nicht die gleiche. Die richtige ist dabei verdampft."
Holger Krag ist bei der ESA zuständig für Weltraumschrott. Großen Trümmern könnten Satelliten ausweichen, sagt er. Sorge bereiten ihm deshalb vor allem die kleinen Trümmer, denn die sind unsichtbar für jedes Radar. Krags Murmel hat die zehn Zentimeter dicke, massive Aluminiumplatte spielend durchbohrt.
"Von diesen Objekten, ein Zentimeter und darüber, schätzen wir, dass wir 700.000 im All haben. Die Dynamik ist eine ganz andere als die, die wir durch Gewehrkugeln kennen mit den niedrigen Geschwindigkeiten. Wir nennen das die Hochgeschwindigkeitseintrittsphysik."
Raumfahrtingenieure fürchten bei weiteren Zusammenstößen eine Kettenreaktion, die die Trümmer immer weiter fragmentiert. Die größte Wolke aus Weltraumschrott kreist heute in einer Höhe von rund 800 Kilometern, genau dort also, wo strategisch entscheidende Spionage- und Kommunikationssatelliten ihre Bahnen ziehen, aber auch viele Erdbeobachtungssatelliten und Wettersatelliten. Ein Raketeneinschlag wäre hier verheerend.
Satelliten zählen heute zur kritischen Infrastruktur, die im Falle eines Konflikts im All auf Jahrhunderte eingeschränkt werden würde. Eine Zeit ohne Satelliten wäre für Brian Weeden schwer vorstellbar:
"Es gibt so viele Satellitenaufgaben, die für unser tägliches Leben entscheidend sind: Ein großer Teil der Wettervorhersage, von Hurrikans, Tornados und Zyklonen. Erst mit Satelliten können wir das Erdklima begreifen und wie wir es vielleicht verändern."
Auch die Weltwirtschaft bekäme ohne Satellitendaten sofort Probleme.
"Natürlich würden Frachtschiffe, Ihr Auto und Lastwagen auch ohne GPS irgendwie ans Ziel finden. Aber die Satellitennavigation macht solche Reisen so viel effizienter und wirtschaftlicher. Natürlich könnten wir Bankgeschäfte tätigen oder Geldautomaten oder unsere Mobiltelefone benutzen, ganz ohne Satelliten. Aber wir nutzen die Satelliten eben trotzdem, weil mit ihnen alles effizienter und besser geht."
Im Frühjahr 2015 manövriert sich ein militärischer Satellit Russlands direkt zwischen zwei kommerzielle Kommunikationssatelliten aus den Vereinigten Staaten. Er bezieht gerade noch zehn Kilometer entfernt Stellung. Eine Nachfrage des Betreibers bei der russischen Botschaft über den Zweck des Manövers bleibt unbeantwortet.
Eine Detonation in der Umlaufbahn birgt ein hohes Risiko für alle, die dort arbeiten wollen. Auch deshalb blieb es dort so lange ruhig. Doch das Waffenarsenal im All entwickelt sich weiter. Die Angreifer bewegen sich bereits unauffälliger, ihre Manöver sind schwerer nachzuverfolgen. Und gerade tut sich eine recht neue Möglichkeit auf, Satelliten völlig unbemerkt zu schädigen,
Tief kreisende Satelliten arbeiten die meiste Zeit für sich. In 100 Minuten einmal um die Erde führen ihre Umlaufbahnen jedes Mal über die Pole. In der Arktis und der Antarktis stehen daher große Antennen.
Über sie stellen die Betreiber einen Kontakt her, empfangen die angehäuften Daten und übermitteln neue Kommandos: Soll der Satellit seine Triebwerke zünden, seine Bahn verändern? Nach wenigen Minuten ist er für die Antenne hinter dem Horizont verschwunden. Der Satellit kreist wieder für sich. Und wartet auf die nächsten Kommandos.
Ruben Santamarta: "Sie rechnen nicht damit, ein Ziel zu sein"
Ruben Santamarta ist Hacker. Er arbeitet für die angesehene Sicherheitsfirma IOActive. Und er fand heraus, dass viele Hersteller von Satellitenhardware bisher nicht damit rechnen, ein Ziel für Attacken zu werden. Er untersuchte Satellitenterminals.
"Ein Satelliten-Terminal ist ein Gerät für den Zugriff auf Satelliten. Man findet sie auf Flugzeugen Schiffen, in militärischen Fahrzeugen, also an ganz unterschiedlichen Orten."
Eine kleine steuerbare Parabolantenne und ein kleiner Computer: Mehrere Millionen dieser Geräte von mehreren Dutzend Anbietern sind weltweit im Einsatz.
Alles was Ruben Santamarta tat, war, die frei verfügbare Software zu untersuchen, die den Datenaustausch mit den Satelliten regelt. Seine Resultate sind bemerkenswert:
"Ich habe einige Dinge gefunden, die ich nicht erwartet hatte, um ehrlich zu sein. Es gibt grob vier verschiedene Schwachstellen: Da sind Hintertüren, also eigentlich Zugangsmöglichkeiten für den Entwickler. Einige Passwörter auf dem Gerät waren fest gespeichert und ließen sich nicht ändern. Die könnte man verwenden, um in das Gerät einzudringen. Und es gab auch Schwachstellen in der eingebauten Verschlüsselung, unsichere und nicht dokumentierte Protokolle zur Kommunikation."
Mit anderen Worten: Die Sicherheitsexperten konnten die Satelliten-Terminals dazu bringen, beliebigen und potenziell auch schadhaften Code auszuführen.
"Sie haben die Möglichkeit, bösartige Daten an den Satelliten zu schicken in einer Art und Weise, auf die der Satellit gar nicht eingerichtet ist."
Ruben Santamarta und seine Kollegen verstehen sich als gute Hacker. Sie wollen den Herstellern helfen, den Datenaustausch mit Satelliten sicherer zu machen. Daher testete Santamarta auch nur die Software der Satelliten-Terminals, ohne die Geräte selbst zu verwenden oder sogar einen Satelliten anzugreifen. Möglich wäre das aber gewesen.
"So eine Attacke können Sie machen, aber das wäre sehr, sehr kritisch. So etwas können sie nicht wirklich in der echten Welt testen."
Doch es wurde bereits getestet: 2007 griffen Hacker laut eines internen Untersuchungsberichts der NASA ein Rechenzentrum des Goddard Space Flight Centers an. Sie entwendeten Daten des Erdbeobachtungs-Programms. Ein Jahr später erlangten Unbekannte Zugriff auf Terra, einen NASA-Umweltsatelliten. Die Eindringlinge stellten eine Datenverbindung zu Terra her, hätten nun unberechtigt Kommandos übertragen können. Aber aus unbekannten Gründen taten sie nichts dergleichen. Wer dahinter steckte, ist bis heute ungeklärt.
Brian Weeden: "Es ist einer der wenigen mir bekannten Fälle eines Cyberangriffs auf einen Satelliten."
Bisher flogen vor allem uralte Satelliten durchs All. Jeder von ihnen tonnenschwer und viele Millionen Euro teuer, die Elektronik an Bord hoffnungslos veraltet. Und wer sich Zugriff verschaffen wollte, brauchte eine passende Antenne.
"Das ändert sich gerade. Heute wirkt zunehmend der Geist von Silicon Valley und Internettechnologie. Dinge passieren schneller und häufiger. Und sie werden schneller weiterentwickelt."
Der Trend lässt sich nicht nur bei kommerziellen Anbietern beobachten. Hunderte neue, kleine Satelliten sollen Kunden weltweit günstiger und schneller Internetverbindungen ermöglichen. Selbst das US-Militär experimentiert mit winzigen CubeSats. Der Erdorbit wird Teil des "Internets der Dinge".
Ruben Santamarta: "Für unsere Branche ist es das nächste große Ding. So viele Geräte werden mit dem Internet verbunden sein, deren Sicherheit wahrscheinlich nicht die beste ist."
Zurück auf dem Feldweg, südlich von Hannover: Der Amateurastronom Thomas Wehr zieht sein Smartphone aus der Tasche:
"Da kann ich aussuchen, welche Satelliten ich sehen möchte. In diesem Fall habe ich die komplette Satellitendatenbank geladen und was macht er jetzt?"
Am Himmel ist mit bloßem Auge nicht viel zu sehen. Aber auf dem Handybildschirm erscheinen hunderte von ihnen, aufgereiht wie auf einem Band. Es sind geostationäre Satelliten, die sich immer am gleichen Himmelsausschnitt bewegen. Viele von sind ihnen nur sehr lichtschwach, mit bloßem Auge gar nicht erkennbar. Zeit, die Kamera mit dem Teleskop zu verbinden: "Diesen Teil der Okularhalterung musst du halt abbauen, damit du möglichst nah ran kommst. Ansonsten wird dein Bild nicht scharf."
Der Hobbyastronom schaltet die Spiegelreflexkamera an der Okularöffnung des Teleskops an und erhöht im Menü die Belichtungszeit. "30 Sekunden. [...] (klick) Und dann gucken wir mal, was dabei so drauf kommt."
Aus unsichtbaren, tanzenden Pünktchen werden auf dem Monitor dünne Striche. Vielleicht ein paar hundert Satellitengucker tun weltweit das gleiche. Ihre Beobachtungen teilen sie im Netz, in einem E-Mail-Verteiler namens Seesat.
"Die wissen, wo sie ihre Beobachtungen machen. Sie stellen ihre Beobachtungen in der Seesat-Liste zur Verfügung. Und daraufhin werden Bahndaten von den Objekten berechnet. Und bei manchen Sachen steht von vornherein fest, dass es dieses Objekt ist und dadurch werden die Bahnen genauer. Und bei anderen muss man erst mal herausfinden, was das denn sein kann."
Selbst von streng geheimen Militärsatelliten gibt es Aufzeichnungen des Starts. Die Größe der verwendeten Rakete lässt schon auf die Zielhöhe schließen, der Winkel beim Raketenstart auf die ungefähre Lage der Umlaufbahn. Danach können Enthusiasten weltweit den Himmel nach dem Satelliten absuchen:
"Der Bogen war ziemlich kurz. Der Orbit stimmt also nur ungefähr. Ich habe mal drei mögliche Bahnlösungen berechnet."
"Gestern Abend habe ich Nordkoreas neuen Satelliten KMS-4 vorbeifliegen sehen. Der Himmel war sehr klar. Ich habe in dieser Zeit keine Helligkeitsunterschiede gesehen. Also entweder er ist stabil oder der taumelt nur sehr langsam."
Die Beobachter suchen Satelliten am Himmel, sie verfolgen sie. Und wenn einer fehlt, suchen sie ihn aufs Neue.
"Mir ist es heute nicht gelungen, bei seiner Überflugzeit USA-186 zu sehen. Er könnte manövriert haben."
Militär und Geheimdienste sehen das nicht gern. Gerade deshalb halten andere diesen Ansatz für vielversprechend. Nichts im Erdorbit ist wirklich unsichtbar.
Theresa Hitchens: Tatsächlich ist das eines der besten Dinge im Weltraum."
Theresa Hitchens erforscht an der University of Maryland Weltraumkonflikte und Wege, sie einzudämmen:
"Lassen Sie mich fair sein. Die Russen und Chinesen testen nur Technologien, die die Vereinigten Staaten auch schon erprobt haben."
Das Verhalten der großen Weltraummächte zeige ganz klar Anzeichen eines neuen Wettrüstens, sagt sie. Eigentlich wäre es dringend an der Zeit, international gültige Regeln für die Umlaufbahn einzuführen. Ganz ähnlich, wie es im Seerecht seit Jahrzehnten und Jahrhunderten der Fall ist.
"Man leuchtet nicht einfach mit Lasern in die Augen der Seeleute auf einem anderen Schiff. Man fliegt nicht mit einem Flugzeug ohrenbetäubend nah über ein anderes Schiff. Und man lenkt sein U-Boot auch nicht unter den Kiel eines Schiffes und stößt von unten dagegen."
Theresa Hitchens war früher Direktorin des Instituts für Abrüstungsforschung der Vereinten Nationen in Genf und weiß deshalb viel über die Vorstöße, das internationale Weltraumrecht zu reformieren. Fast alle endeten in der Sackgasse. Russland will sich in einer angespannten diplomatischen Lage gegenüber dem Westen nicht einschränken lassen, aufstrebende Weltraumstaaten wie China und Indien haben das Gefühl, von neuen Regeln gegängelt zu werden. Hackerangriffe geschehen ohnehin im Verborgenen oder Diffusen. Einen Teil der Rüstungsspirale sehen dagegen alle. Das macht Theresa Hitchens Hoffnung:
"Es gibt überall auf der Welt Geheimdienstmitarbeiter, die vorgeben, man könne ihre Satelliten nicht sehen. Sie kündigen deren Starts nicht an. Sie sprechen nicht über die Satelliten und geben vor, dass sie gar nicht existieren. Ich glaube aber, eigentlich stecken diese Leute schlicht den Kopf in den Sand."
Hitchens würde die Satellitengucker gern stärker einbeziehen - und nicht nur die. Überall auf der Welt blicken Astronomen an den Himmel. Die meisten von ihnen wollen gar nicht Satelliten beobachten, sondern Sterne und Planeten. Aber Satelliten tauchen in ihren Bildern als störende Linien auf.
"Die Astronomen müssen diese Linien sogar herausfiltern. Sie nehmen diese Daten auf und werfen sie weg! Wir versuchen gerade herauszufinden, wie wir die Daten sammeln können."
Es wäre die erste unabhängige Liste von Aktivitäten im All. Wenn man so will, eine öffentliche Rüstungskontrolle für die Raumfahrt. Das Kalkül: Wer sich beobachtet fühlt, lässt sich eventuell weniger schnell auf riskante Abenteuer ein. Eine schwache Hoffnung, aber immerhin.
Brian Weeden: "Es gibt gerade eine Diskussion, was getan werden sollte. Sollten die USA ihre offensiven Fähigkeiten im All erneuern, um China und Russland abzuschrecken?"
Immer mehr Staaten drängen mit eigenen Satelliten und Raketen ins All. Der Weltraum als gemeinsame Ressource der Menschheit wird stärker genutzt - und dadurch verwundbarer.
Holger Krag: "Ich glaube, wir können es so ähnlich wie das Klima auf ein verträgliches Maß reduzieren, wenn wir jetzt Anstrengungen unternehmen."
Es sind nicht allein Raketenangriffe, die unterbunden werden müssten, sondern auch solche, die im Geheimen stattfinden, mit unentdeckten Lasern am Boden oder über das Internet.
Theresa Hitchens: "Stellen Sie sich vor, Ihr Satellit fällt aus. Sie können nicht sofort wissen, ob er von einem Stück Weltraumschrott getroffen wurde, weil Sie nicht wie bei einer Waschmaschine den Wartungstechniker hinschicken können um nachzusehen. Es könnte genauso eine Sonneneruption gewesen sein. Oder ein fehlerhaftes Bauteil. Oder jemand hat wirklich Ihren Satelliten angegriffen. Was davon stimmt, wissen Sie zwei, drei Wochen lang nicht.
In der Vergangenheit sorgten die Abschreckungskulisse des Kalten Krieges und ein Mangel an technischen Möglichkeiten für relative Ruhe in der Umlaufbahn. Heute gibt es mehr aufstrebende Weltraummächte das Wettrüsten im All.
Theresa Hitchens: "Wenn in einer Krise, in der alle über Anti-Satelliten-Waffen verfügen, mein eigener Satellit ausfällt: Was werde ich denken? Ich werde sofort glauben, dass ihn jemand angegriffen hat. Und dann gibt es einen Krieg."