In einer Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages über islamische Organisationen in Deutschland steht über die DITIB die Aussage: "DITIB ist gemäß Satzung an das staatliche Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Türkei in Ankara (Diyanet) angebunden."
Wir wollen mit der DITIB-Zentrale darüber sprechen und bitten sie, uns ihre Satzung zu schicken. Denn auf ihrer Internetseite ist sie nicht zu finden. Trotz mehrfacher Anfragen per E-Mail und Telefon in einem Zeitraum von drei Wochen kommt der Bundesverband der DITIB unserer Bitte nicht nach.
Satzung vom Amtsgericht
Wir lassen uns schließlich vom Amtsgericht Köln eine Kopie der aktuellen Satzung zukommen. Dort ist die DITIB-Zentrale als Verein eingetragen. Wir legen die Satzung Stefan Muckel vor. Er ist Professor für Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Universität zu Köln und hat mehrere Gutachten über islamische Organisationen verfasst, auch über die DITIB. Die Verbindung zum türkischen Religionsamt Diyanet sei eindeutig, sagt Muckel:
"DITIB hat organisatorische und institutionelle Verbindungen zum Diyanet. Das lässt sich der Satzung entnehmen, da gibt es bestimmte Rechte für hohe Bedienstete des türkischen Amtes für religiöse Angelegenheiten."
Diese privilegierten Rechte finden sich in mehreren Paragrafen. So wird im Paragraf 4 der DITIB-Satzung wichtigen Vertretern des türkischen Religionsamtes in Ankara das Recht eingeräumt, als Mitglied in den Verein aufgenommen zu werden. Das gilt im Besonderen für seinen Präsidenten, seinen Abteilungsleiter für auswärtige Beziehungen, die Botschaftsräte für religiöse Angelegenheiten in Europa sowie die Religions-Attachés in den Bundesländern.
Vertreter des türkischen Religionsamtes und ihre Funktion in der DITIB
Diese hochrangigen Diyanet-Vertreter machen von diesem Recht Gebrauch. Ihnen kann der Mitgliedsbeitrag erlassen werden. Dabei handelt es sich aber nicht nur um eine privilegierte Mitgliedschaft. Der Chef des Diyanet hat laut Satzung auch eine herausgehobene Funktion in der DITIB inne:
"Paragraph 10, Absatz 2: Zum Ersten Ehrenvorsitzenden wird der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik ernannt."
"Paragraph 11, Absatz 1: Der Beirat besteht aus 5 Religionsbeauftragten. Vorsitzender des Beirates ist der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik. Im Falle seiner Verhinderung wird der Vorsitz von seinem Vertreter im Amt geführt."
"Eine Verbindung zu einem ausländischen Staat"
Das sind die Stellen in der Satzung, an denen die Verbindung zum türkischen Staat am deutlichsten ist, sagt Professor Muckel:
"Wir kennen das aus dem deutschen Religionsverfassungsrecht, dass bestimmte Vereine, die Kirchen nahestehen oder anderen Religionsgemeinschaften, dann als solche Vereine gewürdigt werden, wenn es institutionelle oder organisatorische Verbindungen gibt. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn in der Satzung vorgesehen ist, dass in einem Führungsgremium, also namentlich dem Vorstand, ein Vertreter der jeweiligen Religionsgemeinschaft sitzt. Nun haben wir hier nicht eine Verbindung zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft, sondern zu einem ausländischen Staat, also zur türkischen Republik. Und darum zeigt sich sehr deutlich die Verbindung zum Diyanet."
Der Beirat, dem der Vorsitzende des Diyanet vorsitzt, ist das mächtigste Organ des Vereins. Denn er bestimmt laut Satzung die Führung der DITIB:
"Paragraph 9, Absatz 2. Wahl des Vorstandes: Der Vorstand wird auf die Dauer von 2 Jahren gewählt. Zur Wahl stellen können sich nur vom Beirat vorgeschlagene Personen. Der Beirat hat für die Wahl eines Vorstandmitgliedes [sic!] 2 Kandidaten aufzustellen."
Der Einfluss türkischer Funktionäre
Zur Rolle des Beirats heißt es in der Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages: Das türkische Religionspräsidium Diyanet "nimmt gegenüber der DITIB Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollbefugnisse wahr. So besteht der mächtige Beirat, der an Entscheidungen über alle grundlegenden Fragen des Verbands beteiligt werden muss und zumeist die endgültige Entscheidungsbefugnis hat, ausschließlich aus Diyanet-Funktionären. Zudem haben Diyanet-Vertreter in den DITIB-Mitgliederversammlungen ein größeres Stimmengewicht als die Vertreter der 896 DITIB-Ortsgemeinden."
Die undemokratisch erscheinenden Vorrechte und Verbindungen macht das deutsche Vereinsrecht möglich, sagt Stefan Muckel:
"Vereine und Religionsgemeinschaften müssen nicht in vollem Umfang demokratisch organisiert sein. Natürlich gibt es demokratische Elemente gerade im Vereinsrecht, wo die Mitgliederversammlung nach regulären Vorgaben des deutschen Vereinsrechts den Vorstand wählt. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dieses Vereinsrecht stammt in der Kernstruktur auch aus einer Zeit, als Deutschland noch lange vor der Demokratie existierte, nämlich aus dem Jahre 1900."
Probleme in mehreren Bereichen
Aus den Verbindungen zwischen der DITIB und dem türkischen Staat ergeben sich Probleme in mehreren Bereichen, sagt der Jurist Muckel. So etwa, wenn das türkische Religionsamt die Inhalte im islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen vorgibt:
"Ich habe den Eindruck, dass in einigen Landesverbänden dagegen Vorkehrungen getroffen worden sind, also in einigen Landesverbänden der DITIB. Aber man müsste natürlich auf jede einzelne Satzung schauen und die Praxis insbesondere in den Landesverbänden prüfen."
Keine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts
Weder der Dachverband noch die einzelnen Landesverbände der DITIB sind als Religionsgemeinschaften gemäß dem Grundgesetz anerkannt. Eine etwaige Anerkennung der DITIB als Körperschaft des öffentlichen Rechts sei mit der aktuellen Satzung nicht möglich, sagt Rechtswissenschaftler Muckel. Denn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts übe hoheitliche Aufgaben aus. Und auf deutschem Boden könne kein ausländischer Staat die maßgeblichen Regelungen treffen.
"Das fängt an bei der Erhebung von Steuern. Das geht darüber, dass die Körperschaften des öffentlichen Rechts Beamte einstellen können, Friedhöfe selbst betreiben können. Dass die maßgeblichen Entscheidungen von einer ausländischen Stelle getroffen werden, ist es schwer vorstellbar."
Über all diese Verwicklungen hätten wir gern auch mit der DITIB-Zentrale gesprochen. Aber niemand stand für ein Interview zur Verfügung.