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Schach
Arkardij Naiditsch kehrt Deutschland den Rücken

Deutschlands bester Schachspieler Arkadij Naiditsch verlässt das deutsche Team und wechselt zum aserbaidschanischen Verband. Das haben sowohl Naiditsch selbst, als auch der deutsche Verband gegenüber dem Deutschlandfunk bestätigt.

Von Matthias Friebe |
    Der Schachspieler Arkadij Naiditsch.
    Der Schachspieler Arkadij Naiditsch. (picture alliance / dpa - Matthias Hiekel)
    Schon im Mai waberten Gerüchte durch die Schachszene, jetzt ist der Wechsel offiziell. Deutschlands einziger Weltklassespieler Arkadij Naiditsch wechselt nach Aserbaidschan. Als erster und bisher einziger deutscher Schachspieler hatte er die Schallgrenze von 2700 Elo-Punkten in der Weltrangliste durchbrochen. Ende 2013 rangierte er auf Rang 18 der Weltrangliste, in jüngster Vergangenheit gelangen ihm zwei Siege gegen Weltmeister Magnus Carlsen. Jetzt aber sucht Naiditsch eine neue Herausforderung.
    "Als Schachspieler hat man praktisch 20 Jahre, wo man auf einem Top-Niveau spielen kann. Ich hab jetzt zehn Jahre hinter mir. Ich möchte die nächsten zehn Jahre doch versuchen, in die Weltspitze zu kommen. Ich denke, in Aserbaidschan ist es für mich deutlich einfacher als in Deutschland."
    Deutscher Schachbund "enttäuscht"
    Ein Wechsel, den der Deutsche Schachbund bedauert. "Wir sind natürlich sehr enttäuscht, dass unser stärkster Spieler den deutschen Schachbund verlässt. Es ist eine deutliche Schwächung unserer Nationalmannschaft", sagt der ehemalige Bundestrainer und heutige Sportdirektor Uwe Bönsch. Seit 2006 führte Naiditsch die Nationalmannschaft an. Auch durch seine Weltklasseleistung gelang 2011 ein sensationeller Erfolg. Obwohl sie auf dem Papier nur die zehntstärkste Mannschaft war, gewann die deutsche Nationalmannschaft im griechischen Porto Carras den Europameistertitel. Es war der erste deutsche Sieg in einem internationalen Mannschaftsturnier seit 1939. "Diesen Europameistertitel zu wiederholen wird natürlich sehr schwer."
    Schon die Titelverteidigung gelang 2013 nicht. Bei der EM in Warschau landete das Team mit Naiditsch auf Rang 20. Für das anstehende Turnier in Reykjavik im November gibt Sportdirektor Bönsch eine Platzierung unter den ersten acht aus.
    Naiditsch: Rahmenbedingungen und Verdienstmöglichkeiten besser
    Arkadij Naiditsch wird dann bereits für Aserbaidschan antreten, den amtierenden Europameister. "Die Rahmenbedingungen sind sicherlich besser dort, die Trainingsmöglichkeiten auch. In Aserbaidschan ist Schach vielleicht Sport Nummer 2 und man bekommt relativ starke Unterstützung."
    Die Verdienstmöglichkeiten sind besser in Aserbaidschan, dass 2016 die bisher teuerste Schacholympiade ausrichten wird. Aus dem finanziellen Plus macht Naiditsch keinen Hehl. Es sei aber nicht der ausschlaggebende Wechselgrund gewesen. Hinter den Kulissen scheint das Verhältnis zwischen Schachbund und Naiditsch belastet gewesen zu sein.
    In den letzten Jahren hatte es immer wieder Streitigkeiten zwischen den Funktionären und dem Spitzenspieler gegeben. Jetzt, nach vollzogenem Wechsel, sagt Naiditsch vielsagend: "Ich denke nicht, dass der Deutsche Schachbund es sehr bedauert, dass ich nicht mehr in Deutschland spielen werde. Die haben zumindest nichts dafür getan, dass ich bleibe."
    Das sieht man beim Verband ganz anders. Herbert Bastian, der Präsident persönlich habe sich der Causa Naiditsch angenommen und das Gespräch gesucht, berichtet Sportdirektor Bönsch: "Der Präsident des Deutschen Schachbundes, Herr Bastian, hat sich da selber eingeschaltet und hat mehrfach mit Herrn Naiditsch darüber gesprochen. Aber sein Entschluss stand fest und es hat nicht geklappt, ihn umzustimmen."
    Jetzt setzt man in der deutschen Nationalmannschaft auf den Nachwuchs. Für die EM im November ist der erst 1997 geborene Dennis Wagner nominiert, der als größtes deutsches Schachtalent gilt. Weitere junge Spieler stehen bereit, die deutsche Jugendnationalmannschaft holte im Juni den EM-Titel.
    "Wir haben auch noch weitere gute Spieler wie Matthias Blübaum, Alexander Donchenko, Rasmus Svane. Das sind alles Namen von Spielern, die tatsächlich in nächster Zeit die Chance haben, in die Nationalmannschaft zu kommen und das Loch, dass entstanden ist, wieder zu stopfen." Neben der Nachwuchsförderung bleibt dem Schachbund eine Ablösesumme. Nach dem Reglement des Weltschachverbands FIDE muss der aserbaidschanische Verband 30.000 Euro für Naiditsch, aktuell Weltranglisten-54., nach Deutschland überweisen.
    Naiditsch zur Menschenrechtslage in Aserbaidschan: "Ich bin kein Politiker"
    Mit dieser Ausbildungsentschädigung wird auch die sonst obligatorische zweijährige Sperre des Spielers umgangen. Diese Summer hätte noch höher ausfallen können, wäre Naiditsch nicht erst vor Kurzem knapp unter die Grenze von 2700 Elo-Punkten gefallen. In diesen Bereich der absoluten Weltspitze will Naiditsch jetzt in Aserbaidschan wieder vorstoßen. Ein Land, das wegen seiner Menschenrechtssituation international stark in der Kritik steht.
    "Ich konnte nie feststellen, dass die Menschenrechtslage in Aserbaidschan so kritisch ist. Ich war das erste Mal vor zehn Jahren in Baku. Die Stadt hat mir sehr gefallen. Vor zehn Tagen war ich wieder dort. Es ist eine wunderschöne Stadt, eine sehr reiche Stadt, eine Stadt direkt am Meer. Die Leute sind sehr freundlich. Mir hat es dort immer sehr, sehr gut gefallen."
    Berichte über die Menschenrechtslage, auch im Rahmen der Europaspiele im Juni in Baku, haben Naiditsch nicht zum Umdenken gebracht. Für ihn stehen einzig und allein der Sport und die Rahmenbedingungen im Vordergrund: "Ich bin kein Politiker, ich bin Schachspieler. Dort sind die Bedingungen toll für einen Schachspieler. Und selber habe ich immer empfunden, dass man dort in Baku gut leben kann."