"Jedes Fass ist im Prinzip anders. Es kann sein, dass in dem einen Fass mehr Kohlensäure drin ist, 'mal weniger. Und dementsprechend muss man halt das Glas dann schräg halten", berichtet eine Kellnerin.
"Mit Schaum schmeckt's Bier besser", meint Benedikt Bächler, Doktorand am Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und Molekulare Sensorik, Technische Universität München, Freising-Weihenstephan.
"Also, der sollte 'mal so mindestens fünf Minuten halten", kommentiert Dirk Lachenmeier, Leiter der Abteilung "Pflanzliche Lebensmittel", Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe.
"Weizenbier - da ist der Schaum bombenfest. Der hält meistens, bis das ganze Glas leer ist", weiß Benedikt Bächler.
"Und ich finde, wenn man es trinkt, prickelt es noch 'mal mehr, wenn man am Anfang Schaum hat", sagt die Kellnerin.
"Beim Trinken kommt die Nase ja ganz nah ran an den Schaum. Und das ist immens wichtig für den Genuss", so Bächler.
Liebe geht durch den Magen, sagt man. Bier aber durch die Nase! Der Geschmack von Gerstensaft auf der Zunge sei ziemlich eintönig, sagt Maximilian Dietz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und Molekulare Sensorik der TU München. Viel wichtiger sei das Aroma, das Bier in der Nase entfalte. Sein Geruch also:
"Und da hat uns eben interessiert, welche Rolle der Schaum für die Freisetzung oder die Ausbildung von diesem Geruch spielt."
"Schaum versiegelt die Oberfläche des Bieres und verzögert damit das Ausströmen von Aromastoffen"
Dietz ist dieser Frage in seiner Doktorarbeit nachgegangen - zunächst nicht mit überschäumendem Eifer, wie er selbst gesteht:
"Aber wenn man mal sieht, dass Bier seit Jahrtausenden konsumiert wird, ist es doch schon verwunderlich, dass wir eigentlich noch gar nicht wissen oder genau wissen, wie die Aromastoffe freigesetzt werden."
Nach mehrjährigen Laborversuchen weiß der Lebensmittelchemiker heute mehr über den Einfluss von Bierschaum. Dies auch durch Anwendung einer Methode, die einem nicht so leicht über die Lippen kommt wie ein Trinkspruch. Sie nennt sich Schaumstabilitätsanalyse-gekoppelte Protonentausch-Reaktions-Massenspektrometrie:
"Also, man kann sagen: Zum einen versiegelt er die Oberfläche des Bieres und verzögert damit das Ausströmen von Aromastoffen. Und er wirkt auch selbst als Aromaträger. Das bedeutet: Beim Schaumzerfall werden Aromastoffe aus dem Schaum freigesetzt."
Die Bierkrone besteht im wesentlichen aus Gerstenproteinen, die aufgeschäumt wurden. Und zwar durch Kohlendioxid, das beim Zapfen oder Einschenken aus der Flasche entweicht. In diesen Gasblasen stecken dann auch die Aromastoffe des Bieres.
"Und sobald die Gasblasen platzen, können die Aromastoffe freigesetzt werden."
Das geschieht, so lange noch Schaum im Glas vorhanden ist und zerfällt. Im Idealfall viele Minuten lang.
"Also wir haben herausfinden können, dass der Bierschaum mehr oder weniger für eine gleichmäßige Freisetzung der Aromastoffe sorgt."
Sagt Benedikt Bächler, auch er Lebensmittelchemiker an der TU München:
"Man sollte schon das Bier so lange trinken, wie der Schaum da ist. Irgendwann verflüchtigen sich diese Aromastoffe ohne die Barrierefunktion vom Schaum. Und das ist natürlich nur noch der halbe Genuss dann. Und warm wird's auch, wenn's da rumsteht."
"Es gibt zwei Wege, Aromastoffe wahrzunehmen, über die Nase oder nach dem Abschlucken"
Es gibt aber noch eine andere Sorte aromaaktiven Schaums. Eine sekundäre sozusagen. Laut Maximilian Dietz entsteht sie erst beim Trinken des Bieres:
"Es gibt zwei Wege, Aromastoffe wahrzunehmen. Über die Nase. Oder nach dem Abschlucken, retronasal: Die kommen von hinten an das Riechepithel. Und bei der retronasalen Wahrnehmung haben wir erst Vorexperimente gemacht, aber es deutet sich an, dass der Schaum, der im Mund beim Schlürfen, sag' ich 'mal, gebildet wird - dass der auch einen Aroma-Boost verursacht, also eine erhöhte Freisetzung von Aromastoffen im Mundraum."
In England haben Biergläser noch immer keinen Eichstrich. Gäste im Pub lassen sie sich deshalb randvoll einschenken - um ja kein Geld für Bierschaum bezahlen zu müssen. Benedikt Bächler wiederum hat erfahren,
"dass in Belgien und den Niederlanden ganz gerne der Schaum von den Barkeepern noch 'mal runtergenommen wird, bevor das Bier serviert wird."
Der Lebensmittelchemiker rät eher zum genauen Gegenteil. Im Zweifelsfall sollten sich Biertrinker vom Barkeeper noch einen Nachschlag holen.
"Das ist natürlich nie verkehrt, nochmal Schaum draufgeben zu lassen.Wie gesagt: Also mit Schaum schmeckt's Bier besser!"