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Schluss mit Frieden

Die Fernuniversität Hagen hat den Meistern des Friedens den Krieg erklärt. Der Studiengang "Master of Peace Studies" wird eingestellt. Dabei ist das Angebot erst vor vier Jahren eröffnet worden, mit extra dafür bereit gestellten Landesmitteln und einer Finanzspritze der Stiftung Friedensforschung von über 500.000 Euro. Der Beschluss der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften steht fest, jetzt geht es nur noch darum, ob wenigstens ein oder zwei Mitarbeiter die rund 150 Studierenden bis zu ihren Abschluss begleiten können. Auch das ist fraglich.

Von Karl-Heinz Heinemann |
    In einem offenen Brief fordern die Studierenden die Hochschulleitung auf, ihre Entscheidung zu revidieren. Einer von ihnen ist Rolf Hartmann:

    " Praktisch bedeutet es für mich, dass ich mir Gedanken über die weitere Betreuung mache. Da ja jetzt ab April mehrere Stellen im Institut in Hagen gestrichen werden. Ich frage mich, wie das weitergehen soll. Das weiß ich noch nicht. "

    Rolf Hartmann ist von Beruf Ingenieur. Er zahlt 800 Euro im Semester für sein Fernstudium als künftiger Master of Peace Studies in Hagen:

    " Weil ich mich beruflich neu orientieren will. Mein Ziel ist Stadtteilarbeit, so die Vermittlung zwischen verschiedenen Parteien im Stadtteil und damit verbundene Konflikte, und die zu lösen. Da gibt es schon verschiedene Ansätze, zum Beispiel das Programm soziale Stadt, in denen das versucht wird. "

    Friedensforscher und entsprechende Studiengänge gibt es auch an anderen Hochschulen. Doch der Hagener Studiengang ist einmalig, meint Professor Hajo Schmidt, der Leiter des dortigen Instituts Frieden und Demokratie:

    " Der Hagener zeichnet sich dadurch aus, dass er einerseits stark interdisziplinär angelegt ist, dass er andererseits auf eine ganz bestimmte Klientel zielt. Und zwar arbeitet diese Klientel "in the field", überall in der Welt, teilweise auch in den entsprechenden friedens- und entwicklungspolitischen Organisationen Deutschlands, und bedarf eines ganz bestimmten Services, den wir mit dem Fernstudium am besten liefern können. "

    Es gibt den Studiengang seit vier Jahren, die ersten Masterarbeiten werden gerade abgeschlossen:

    " Die erste Masterarbeit stammt aus dem Kongo, der Mann sitzt in den Wäldern Ostkongos, und die zweite stammt aus Burundi, und beschäftigt sich beides mal mit landesspezifischen Problemen, wobei das erste das Problem der Kindersoldaten eine besondere Relevanz für Friedenspolitik und Friedenswissenschaften hat. "

    Warum also wird der Studiengang geschlossen? Der Rektor der Fernuniversität, Helmut Hoyer:

    " Derjenige Kollege, der das bisher anbietet, geht in den Ruhestand. Und wir haben trotz intensiven Forschens und Werbens niemanden in der Hochschule gefunden, der dafür geradesteht und der das weiterführt. "

    Die Friedensforscher berufen sich darauf, dass der Historiker Peter Brandt bereit sei, den Studiengang zu übernehmen, und man außerdem eine Studiengangskommission gebildet habe, die die Verantwortung für das Studium übernehmen würde. Und außerhalb der Hochschule habe man gar keinen Nachfolger gesucht. Die Stelle des Institutsleiters Hajo Schmidt wurde bisher direkt aus dem Landeshaushalt vom Land finanziert. Nun ist das Geld im Globalhaushalt der Hochschule enthalten, und sie kann damit machen was sie will. Rektor Hoyer:

    " Wir sind eine kleine Hochschule. Und wir sind leider im Aufbau stecken geblieben. Das ist jetzt nicht die Schuld der Fernuniversität, aber das hat sich im Laufe der 30 Jahre der Fernuniversität so ergeben. "

    Auf gut Deutsch: das Geld wird für andere Stellen gebraucht. Vier von fünf Politikwissenschaftslehrstühlen WERDEN gerade neu besetzt. Das wäre eine Chance gewesen, wenigstens einen Wissenschaftler mit dem Schwerpunkt Friedensforschung zu berufen. Doch in der Fakultät hat man kein Interesse daran. Der Dekan der Kultur- und der Sozialwissenschaftler, Literaturwissenschaftler Martin Huber erklärte auf Anfrage, dass er, so wörtlich, keine Lust habe, diese Entscheidung zu erläutern.

    Ist also Friedensforschung heute nicht mehr interessant für die Hochschule, weil sie nicht so marktgängig ist wie etwa eine MBA-Weiterbildung? Rektor Helmut Hoyer:

    " Das eine ist, dass es einen Zuspruch von Studierenden gab zu diesem Thema, unbestritten. Das andere ist, dass wenn wir nach wie vor vom Gesetzgeber in NRW gehalten sind, Weiterbildung nur kostendeckend anzubieten. Und da sind wir auf einem sehr schmalen Pfad: wo ist Kostendeckung erreichbar und wo ist sie nicht zu erreichen? "

    Weiterbildung sei nur etwas für Sonntagsreden, meint er, solange die Hochschule vom Land dafür weder Geld noch Stellen bekomme. Das scheint auch dem ausscheidenden Institutsleiter Hajo Schmidt der wahre Grund dafür zu sein, dass der inhaltlich zukunftsfähige Studiengang Peace Studies nur vier Jahre überlebte:

    " Man muss aber sagen, dass in diesen schwierigen Zeiten jede Hochschul- und Fakultätsleitung gute Gründe hat, Weiterbildungsstudiengänge abzuwickeln, wenn sie aus irgendeinem Grunde bedroht erscheinen. "

    Die Hagener Friedenswissenschaftler hoffen nun darauf, dass eine andere Hochschule kompletten Fernstudiengang in ihr Angebot übernimmt.