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Schmutzige Geschäfte

Seit Ende der 80er-Jahre hat die Camorra giftigen Müll in den Boden rund um Neapel entsorgt, mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt. Für die Mafia jedoch ein einträgliches Geschäft, von dem auch Politiker und Unternehmer profitierten. Nun probt die Bevölkerung den Aufstand.

Von Tilmann Kleinjung |
    Der Name ist ein schlechter Witz: "Parco Verde" - grüner Park heißt dieses Stadtviertel im Großraum Neapel. In der am dichtesten besiedelten Region Europas gibt es nicht viel Platz für Pflanzen und Bäume. Schmucklose, heruntergekommene Wohnblocks und wenig Grün, das ist der Parco Verde, in dem die Gemeinde von Don Maurizio Patriciello liegt. Und dennoch ist es der Camorra gelungen, auch hier jeden freien Flecken Erde in eine Giftmülldeponie zu verwandeln. Am Mittwoch hat die Polizei schon wieder ein "vergiftetes Feld" entdeckt, erzählt der Pfarrer. Diesmal lagen die Chloroformwerte deutlich über der Norm.

    "Auf diesen Feldern wurden Zucchini angebaut. Also ein Gemüse, das die Mutter ihren Kindern gibt."

    Immer häufiger muss der Pfarrer Menschen beerdigen, die zu jung waren zum Sterben. Kleine Kinder, die an Leukämie erkrankt waren, junge Erwachsene, die bösartige Tumore bekommen hatten.

    "Ich bekomme jeden Tag zig Mails und Facebook-Nachrichten von Menschen, denen es schlecht geht. Von einer Mutter, die ihr Kind verloren hat. Oder von einem Jungen, dessen Mutter stirbt mit nicht einmal 38 Jahren."

    Für Don Maurizio ist der Zusammenhang mehr als offensichtlich: Im Großraum Neapel werden seit dem Ende der 80er-Jahre im großen Stil Industrieabfälle entsorgt. Manchmal werden sie vergraben, häufiger noch verbrannt. Und niemand weiß, was da gerade in die Luft geht, sagt Michele Buonomo von der Umweltschutzorganisation Legambiente:

    "Die Brände verursachen Dioxin, das sich dann ganz unmittelbar auf die Felder verteilt. Der Müll, der vergraben wird, sorgt für eine langfristige Verschmutzung. Und darauf richtet sich jetzt die Aufmerksamkeit."

    Bei der Aufklärung hilft Carmine Schiavone, reuiges Mitglied der örtlichen Mafia, der Camorra. Er hat seit seiner Verhaftung den Ermittlern genaue Angaben darüber geliefert, wo sein Clan den Giftmüll verklappt hat. Nur das hat offenbar niemanden so richtig interessiert, ärgert sich Mariano di Palma von der Anti-Mafia-Organisation Libera:

    "Seit 20 Jahren gibt es bereits Anzeigen. Doch die sind nicht öffentlich geworden dank der Politik und der italienischen Medien. Und jetzt kommt auf einmal ein Kronzeuge und der Fall explodiert."

    Für den Giftmüll in Kampanien allein die Camorra verantwortlich zu machen, davon hält di Palma nichts. Mindestens genauso kriminell seien die Firmen, die in den meisten Fällen aus dem Norden des Landes kommen. Die wüssten ja schließlich, was sie da illegal entsorgen ließen. Und schließlich die Politik. Deren jahrelange Gleichgültigkeit macht die Menschen richtig zornig. Zu Zigtausenden gehen sie auf die Straße. Und allen voran marschiert der Pfarrer vom Parco Verde, Don Maurizio. Er ist so etwas wie die Galionsfigur dieses Volksaufstandes geworden.

    "Das ist für mich das schlimmste: Diese Gegend ist ohnehin schon arm. Und jetzt hat man den Menschen sogar das Recht zu Atmen genommen, das Recht auf Gesundheit."