"Wie die Feuersäule bei Nacht, wie die Wolkensäule bei Tag, sprach Nehemia, so wird uns diese Blutsäule über alle Wüsteneien in das Heilige Land führen."
(Zitat aus "Blutsäule")
(Zitat aus "Blutsäule")
Mit seinem Roman "Die Blutsäule" versuchte Soma Morgenstern die Schrecken der Schoah zu bannen. Ihm selbst war 1941 die Flucht in die USA gelungen, aber ein großer Teil seiner Familie wurde in den Vernichtungslagern umgebracht. Was er zum Ende des Krieges an Schreckensnachrichten aus Europa erfuhr, verschlug dem österreichischen Schriftsteller zunächst die Sprache:
"Ich habe mich so in die Deutschen verhasst, dass ich auch die deutsche Sprache nicht lieben kann. Und ein Schriftsteller, der seine Sprache nicht liebt, hat keine Sprache."
Erst in den 50er-Jahren konnte Soma Morgenstern den Roman schreiben, in dem er eine besonders schreckliche Gräueltat, die von der SS in einer Synagoge verübt worden war, in eine biblische Sprache fasste. Aber immer noch schrieb er auf Deutsch, in der Sprache, die unter den Juden im östlichsten Winkel des Habsburgerreichs als Zugang zur Bildung galt. Aufgewachsen war er mit Jiddisch, Polnisch und Ukrainisch.
In dem ostgalizischen Dorf Budzánow war Salomo Morgenstern am 3. Mai 1890 als Sohn eines chassidischen Rabbi und Gutsverwalters geboren worden. Er besuchte die jüdische und die ukrainische Volksschule, aber als er in die nahe Stadt Tarnopol aufs Gymnasium gehen wollte, war sein Vater dagegen.
Kulturkorrespondent der Frankfurter Zeitung
"Morgenstern hat sich gegen den Vater durchsetzen müssen. Und das dürfte Morgenstern natürlich auch gestärkt haben, und er hat sich ja auch in seinem späteren Leben deutlich als kampfbereiter, sehr resoluter Mann immer bewiesen."
Ingolf Schulte ist der Herausgeber der Werke Soma Morgensterns im zu Klampen Verlag. 1994 erschien als erster Band "Joseph Roths Flucht und Ende", die Erinnerungen an den Freund, mit dem Morgenstern im Pariser Exil Tür an Tür wohnte. Ein anderes Erinnerungsbuch ist Alban Berg gewidmet. Mit dem Komponisten freundete sich Morgenstern in den 20er-Jahren an, als er im Wiener Kulturleben Fuß fasste, zwar nicht – wie erhofft - als Dramatiker, aber als Kulturkorrespondent der Frankfurter Zeitung. Soma Morgenstern war witzig und schlagfertig, ein beliebter Diskussionspartner, aber er konnte auch kräftig austeilen. So bescheinigte er Theodor W. Adorno einen rücksichtslos wuchernden Ehrgeiz, der ihn auch bewogen habe, seinem Namen den jüdischen Wiesengrund "abzumähen" – bis auf das W. Obwohl Morgenstern selbst durchaus assimiliert lebte, wollte er doch auf keinen Fall sein Judentum verleugnen.
"Morgenstern war ja jemand, der die europäische Tradition aufgenommen hat, und zwar mit Begeisterung aufgenommen hat, in Wien dann feststellen musste, dass auf nichtjüdischer Seite kaum ein Interesse an jüdischen Dingen bestand."
Diese Enttäuschung wurde für Morgenstern zum Anstoß für seine Romantrilogie "Funken im Abgrund". Darin erzählt er die Geschichte einer ostgalizischen Familie, die zwischen chassidischer Tradition und Abwendung vom Judentum gespalten wird. Der erste Band mit dem Titel "Der Sohn des verlorenen Sohnes" konnte 1935 noch in Deutschland publiziert werden. Hermann Hesse schrieb eine lobende Rezension, in der er Morgenstern mit den großen russischen Erzählern verglich, und der Komponist Ernst Krenek urteilte:
"Soma Morgenstern steht eine besonders erfreuliche Gabe anschaulicher und liebevoller Schilderung zur Verfügung. Nicht nur die Typen der podolischen Bauern und Juden sind mit wenigen sicheren Strichen lebendig hingestellt, sondern auch die große, leuchtende Weite der östlichen Landschaft ist aus echtem Natursinn gestaltet."
Die Fortsetzung der Trilogie schrieb Morgenstern in Frankreich, aber auf seiner abenteuerlichen Flucht nach Casablanca verlor er die Manuskripte und konnte die beiden Romane erst nach seiner Ankunft in den Vereinigten Staaten rekonstruieren.
Als Soma Morgenstern am 17. April 1976 in New York starb, hinterließ er neben autobiografischen Schriften einen unvollendeten Roman, in dem ein Alter Ego an einem Buch über den Holocaust arbeitet, sehr zum Missfallen seines Verlegers, denn der ist überzeugt: "Der Tod ist ein Flop". Der Satz sollte Titel des Romans werden.