Villingen-Schwenningen, das Hahn-Schickard-Institut für Mikro- und Informationstechnik. In einem der Labors zeigt Ingenieur Klevis Ylli einen Teststand - eine pneumatische Apparatur, die sich stur hin und her bewegt und damit einen Dauerlauf simuliert. Laufen nämlich ist für Ylli eine vielversprechende Energiequelle: "Man läuft über den Tag verteilt einige 1.000 Schritte."
Bei jedem dieser Schritte lässt sich Strom erzeugen, indem man die Bewegung in elektrische Energie umwandelt. Manche Forscher versuchen es mit textilen Generatoren, eingewebt in Hosenbeine. Ylli und seine Kollegen setzen auf Fuß und Schuhwerk.
Magneten erzeugen Strom im Schuh
"Der Vorteil am Fuß ist, dass im Schuh ein gewisser Bauraum zur Verfügung steht, den man nutzen kann, ohne dass es die Nutzer stört beziehungsweise nach außen auffällt, dass da ein Gerät verbaut ist."
Es gibt diverse Möglichkeiten, einen Schuh zum Minikraftwerk zu machen. Variante eins: Magneten in der Sohle, die beim Laufen in Schwung geraten. "Da bewegen sich die Magneten einfach in der Sohle nach vorne und nach hinten, während der Schuh schwingt."
Bei jedem Schritt schwingen die Magneten an einer Spule vorbei und induzieren einen schwachen Strom. Was bringen die winzigen Strom-Ernter, die Harvester, wie sie im Fachjargon heißen?
"Bei den Schwing-Harvestern sind wir jetzt im zweistelligen Milliwattbereich. Das ist gemessen an den üblichen Verbräuchen recht wenig. Ein Handy kriegt man nicht geladen. Aber es reicht für kleine Sensorsysteme, zum Beispiel um bei einem Sportler im Schuh den Puls messen zu können", sagt Klevis Ylli.
Wasser im Schuh
Die zweite Variante für das Sohlenkraftwerk nutzt nicht den Schwung des Fußes, sondern die Wucht des Auftretens. Zunächst versuchten es die Forscher mit Magneten im Schuhabsatz. Die aber erwiesen sich als zu schwer und zu klobig. Also verfolgt Klevis Ylli nun ein anderes Konzept: "Eine Turbine, die die Gewichtskraft des Menschen nutzt."
Die Turbine ist ein kleines Rädchen, angetrieben durch das Wasser aus zwei kleinen Kissen verbunden mit einem Plastikschlauch. Das eine Kissen sitzt unter der Ferse, das andere unter dem Fußballen.
"Während der Abrollbewegung beim Gehen wirkt die Kraft auf der Ferse. Dann gleitet sie langsam nach vorne auf den Fußballen, bis die Ferse abhebt. So können wir dafür sorgen, dass sich einmal Flüssigkeit im Schuh von hinten nach vorne verschiebt und einmal von vorne nach hinten zurück."
Bei jedem Schritt strömt Wasser von hinten nach vorne und wieder zurück, versetzt das Turbinenrädchen in Bewegung und erzeugt Strom. Welches der beiden Konzepte besser ist, weiß Ylli noch nicht. Soweit ist seine Forschung noch nicht.
Der Schuh erkennt die Richtung
Aber er hat bereits Prototypen für mögliche Anwendungen entwickelt - zum Beispiel ein Modell für die Indoor-Navigation, also in Gebäuden ohne GPS-Empfang. "Allein an der Bewegung des Fußes soll es erkennen können, in welche Richtung und wie weit Sie gelaufen sind. Das könnte zum Beispiel nützlich sein für Rettungskräfte, aber auch in einer Bibliothek, um zu einem Buch zu finden."
Ylli hat einen weiteren Prototyp. Die Schnürsenkel sehen irgendwie merkwürdig aus.
"Das ist der selbstschließende Schuh. An der Vorderseite haben wir den Motor und die Umlenkrollen für die Schnüre, die das Ganze zusammenziehen. Hinten sitzt die Elektronik samt Bluetooth. Man könnte per App sagen, er soll schnüren und dann auch wieder aufmachen."
Solch einen selbstschnürenden Schuh hat bereits der Sportartikelkonzern Nike entwickelt. Die ersten Paare sind schon verkauft, Stückpreis rund 700 Euro. Allerdings hat er keinen Strom-Ernter, sondern läuft per Batterie. Die Prototypen aus Villingen-Schwenningen jedenfalls besitzen noch ein Manko: Sie sind ähnlich schwer wie klobige Sicherheitsschuhe.
Zu schwer und teuer
"Das liegt größtenteils an der 3D-gedruckten Sohle. Die ist aus einem viel festeren Material als Schuhe gewöhnlich haben. Dafür hat sie die Form des Harvesters im Inneren, so dass wir den platzieren können. Das könnte man noch leichter bauen."
Ein weiteres Hemmnis: "Bevor das in eine richtige Anwendung einfließen kann, muss das günstiger werden."
Allein bisher verwendeten Magneten kosten um die 100 Euro. Deshalb dürften die stromliefernden Sohlen zunächst weniger für unsere Alltagslatschen in Frage kommen, sondern vielmehr für Spezialschuhe - für orthopädisches Schuhwerk oder die Stiefel von Rettungskräften.