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Silke Burmester
Zur Hölle mit diesen Umgangsformen

Die Redaktionen der Süddeutschen Zeitung und die dpa hätten den "Hölle-Preis" für unfairen Umgang mit Journalisten verdient, meint unsere Kolumnistin. Bei der Honorierung durch diese Medien finden Arbeitsaufwand und Zweitverwertung keine Berücksichtigung.

Von Silke Burmester |
    Porträt von Silke Burmester
    Silke Burmester (imago / Sven Simon)
    Liebe Hörerinnen und Hörer dieser Kolumne!
    Als ich neulich zum ersten Mal zu Ihnen sprach, endete ich mit der Aufforderung, sich bei Chefredakteuren zu beschweren, wenn Ihnen inhaltlich etwas nicht passt. Etwa der Umstand, dass sich Redaktionen Reisereportagen vom Reiseveranstalter finanzieren lassen.
    Dieser Aufforderung liegt die Haltung zu Grunde, dass man sich einmischen sollte. Nicht alles hinnehmen, sondern dafür kämpfen, dass die Dinge so sind, wie man sie sich vorstellt.
    Beschwerde bei öffentlich-rechtlichen Sendern kostet Geld
    Nun hat das Deutschlandradio ja sehr tolle Hörer und so schrieb mir einer von ihnen, er sei meiner Aufforderung gefolgt und wollte sich beim Radiosender SWR1 beschweren. Die Unwetterwarnung für seine Region war von einer Qualität, dass er auch Kermit den Frosch hätte fragen können. Mit der Beschwerde wurde es nichts. Seine telefonische Odyssee führte ihn zum Hörertelefon für Musikwüsche. Seine Mails sind bis heute nicht beantwortet.
    Tatsächlich weist der SWR elf Telefonnummern aus, unter denen man seine Anliegen loswerden kann. Keine Ahnung, was da nicht geklappt hat. Aber unter den elf Verbindungen sind sechs 0180er Nummern. Das sind die, die etwas kosten. Beim SWR bis zu 42 Cent. Pro Minute.
    Hallo?! Möchte ich da in den Hörer rufen, öffentlich-rechtlicher Sender, geht es noch? Als Ihre Gesandte, als die ich mich als Journalistin im Radio verstehe, lieber Hörerinnen und Hörer, habe ich das getan. Die freundliche Dame sagte, ich solle mich darüber beschweren.
    Ich finde, im Sinne der Arbeitsteilung könnte das einer von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, in unser aller Namen tun. Wenn ich richtig geguckt habe, ist der SWR auch die einzige Rundfunkanstalt, die ihrem Publikum für Lob und Tadel Geld abknöpft. Bis auf den "Beitragsservice" der Sender. Lustigerweise will ausgerechnet der 60 Cent haben, wenn man ihn anruft. Ich nehme an, das ist, um die lästigen Querulanten und Reichsbürger abzuhalten, die sich weigern, unser aller Rundfunk zu finanzieren.
    Mitglied beim Berufsverband Freischreiber
    Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass ich aus der Position der freien Journalistin über Medien berichten möchte. Auch für dieses Feld hat sich gezeigt: Was man nicht selbst macht, passiert nicht. Und: Meckern hilft.
    So hat sich vor neun Jahren der Verein Freischreiber als Interessensvertretung von freien Journalistinnen und Journalisten gebildet. Die großen Gewerkschaften DJV und DJU schliefen zu dem Zeitpunkt den Schlaf der Satten und hatten freie Journalisten aus den Augen verloren. Also bildete sich Freischreiber als lustige, wilde Kampfestruppe. Zur Tradition gehört, einmal im Jahr Redaktionen oder Verlage, die fair mit Freien umgehen, mit dem Himmel-Preis zu belohnen. Und die, die Arbeitsbedingungen immer weiter verschlechtern und so auch den Journalismus in den Niedergang führen, mit dem Hölle-Preis zu küren. Das wird dieses Wochenende in Frankfurt der Fall sein. Und wenn ich Ihnen nur zwei der fünf Hölle-Preis-Kandidaten vorstelle, dann verdeutlicht deren Beispiel anschaulich, unter welchen prekären Bedingungen freie Journalisten und Journalistinnen arbeiten.
    Der erste Kandidat, die ehrwürdige Süddeutsche Zeitung etwa, ist dazu übergegangen, Artikel, die man für sie geschrieben hat, ohne weitere Bezahlung an den Schweizer Tagesanzeiger weiterzugeben. Und als würde das nicht bereits die Möglichkeit zum Gelderwerb einschränken, wurde dieses Vorgehen im Rahmenvertag verankert. Der von den Freien zu unterschreiben ist, so sie denn weiterhin für die Süddeutsche tätig sein wollen. Ein anderer Hölle-Kandidat ist auch wohl bekannt. Es ist die Deutsche Presseagentur, dpa. Sie zahlt schlicht nach Zeile. Nicht nach Zeit oder Aufwand. Einen Euro gibt es für 69 Zeichen. Zum Vergleich: Bei den meisten Tageszeitungen hat eine Zeile zwischen 30 und 40 Zeichen. Ein Euro pro Zeile führt demnach nicht nur zur Hälfte des Honorars, sondern auch zu folgender Rechnung: Verbringt man zum Beispiel drei Stunden bei einer Konferenz, zu der man noch die Fahrtzeit und die Dauer des Erstellens des Artikels addieren muss und die dpa bringt 30 Zeilen, gibt es 30 Euro. Bei Abtretung aller Rechte am Text. Was heißt, Zweitverwertung ist passé. Was eh schon schwierig ist, schließlich landet ein dpa-Text in Duzenden von Tageszeitungen und Onlinediensten.
    Noch Fragen wie es um den Journalismus als Broterwerb bestellt ist?!? Die beantworte ich gern nächstes Mal. Und damit es keine Verwirrung gibt: Ich bin Mitglied bei Freischreiber. Und auch beim DJU.
    Silke Burmester wurde 1966 geboren. Ihre Kolumne "Die Kriegsreporterin", die sieben Jahre lang jeden Mittwoch in der taz erschien, war Kult – gerade bei Kollegen. "Wir sind eine Branche der Schisser und Anpasser, die zwar groß darin ist, Fehler bei anderen zu suchen", schrieb sie dort in ihrem Abschiedstext, "aber sich heulend in der Ecke verkriecht, wenn sie ihre Arbeitsbedingungen benennen soll". Bei uns kann und soll die Bert-Donnepp-Preisträgerin 2017 benennen, was sie möchte – und Fehler suchen, wo sie will.