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Simbabwe
"Ära Mugabe ist nicht sofort zu Ende"

Nach dem Eingreifen des Militärs in Simbabwe steht Präsident Robert Mugabe unter Hausarrest. "Das heißt aber noch nicht, dass er für immer von der Bühne weg ist", sagte Jürgen Langen von der Informationsstelle Südliches Afrika im Dlf. Für das Land selbst sehe er kaum Hoffnung auf eine bessere Entwicklung.

Jürgen Langen im Gespräch mit Jasper Barenberg  |
    In Harare/Simbabwe gehen Menschen an einem bewaffneten Fahrzeug vorbei.
    "In diesem Land ist so viel kaputt gemacht worden", sagte Jürgen Langen von Informationsstelle Südliches Afrika im Dlf (imago stock&people / Philimon Bulawayo)
    Jasper Barenberg: Gedroht hat das Militär schon vor Tagen, jetzt aber haben die Streitkräfte in Simbabwe ernst gemacht und den greisen Präsidenten Robert Mugabe kaltgestellt - nach fast vier Jahrzehnten an der Macht, in denen aus dem Freiheitskämpfer ein Tyrann wurde, den kalt ließ, dass viele Menschen hungern, weil das Land so gründlich heruntergewirtschaftet worden war. Jetzt scheint die Zeit von Mugabe abgelaufen und für den Augenblick unklar, wie es eigentlich weitergeht.
    Jürgen Langen hat seit gut 15 Jahren in ganz unterschiedlichen Funktionen mit Afrika zu tun. Zuletzt hat er bis vor einem Jahr das Büro der Konrad Adenauer Stiftung in Harare geleitet. Er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Abend, Herr Langen.
    Jürgen Langen: Guten Abend! Ich grüße Sie.
    Barenberg: Herr Langen, die Militärs haben die Macht übernommen, zumindest für den Augenblick. Ist damit klar, dass Robert Mugabe abgesetzt ist, dass seine Zeit als Präsident endgültig vorbei ist?
    Langen: Das glaube ich, ehrlich gesagt, nicht. Ich glaube, dass die Ära Mugabe auf irgendeine Weise, aber definitiv nicht sofort zu Ende ist. Da gibt es mehrere Vermutungen. Meine persönliche wäre, dass man Robert Mugabe noch die Zeit lassen wird, den Parteitag im Dezember abzuhalten, den Sonderparteitag im Dezember, und eventuell da einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu benennen. Man wird als ZANU-PF und auch als Land Simbabwe wohl nicht darum herum kommen, ein gewisses ehrendes Andenken dem autoritären Führer Simbabwes zuteilwerden zu lassen, auch wenn er jetzt sozusagen unter Hausarrest steht. Das heißt noch nicht, dass er für immer und endgültig von der Bühne weg ist.

    Barenberg: Und das heißt auch im Umkehrschluss, nicht nur was den Respekt vor seinen historischen Leistungen angeht, Mugabe hat auch selbst im Hausarrest noch Einfluss auf die weitere Entwicklung jetzt?
    Robert Mugabe im Profil
    Robert Mugabe,der Präsident von Simbabwe (Jekesai NJIKIZANA / AFP)
    "Mugabe hat immer noch Einfluss"
    Langen: Das kann man natürlich nur vermuten, welchen Einfluss er hat. Ich vermute aber schon, dass er als immer noch anerkannter großer afrikanischer Freiheitskämpfer einen gewissen Einfluss ausüben kann, sei es über Jacob Zuma, der momentan das Bündnis der SADC-Länder leitet, oder auch über die Afrikanische Union, wo er ja bis vor ungefähr anderthalb Jahren eine führende Rolle inne hatte. Deshalb: Er ist noch bei den afrikanischen Staatschefs und bei den älteren Afrikanern ein Begriff, mit dem immer noch zu rechnen ist. Er wird einen gewissen Einfluss noch ausüben können, ja.
    Barenberg: Besteht auch die Gefahr, dass es doch so etwas wie eine Eskalation in diesem Machtübergang, sage ich mal, geben könnte, dass es Gewalt geben könnte auf den Straßen? Ist das auch ein Punkt, den man berücksichtigen muss, wenn man jetzt auf die Entwicklung schaut?
    Langen: Es kann auf jeden Fall Gewalt geben. Das ist eine der beiden Optionen. Meine persönliche Vermutung ist eigentlich nein, aus einer ganzen Reihe von Gründen. Aber der Hauptgrund ist, dass es heute eine sehr deutliche Warnung gegeben hat aus dem Nachbarland Südafrika von Jacob Zuma in seiner Eigenschaft als Oberkommandierender der südafrikanischen Armee und in seiner Eigenschaft als Präsidierender der SADC-Länder, der ganz klar gesagt hat, wenn es Unruhen gibt, dann werden wir einschreiten. Er hat zwar nicht gesagt, wer nun mit wir gemeint ist, aber man kann nur vermuten, dass es sich um die South African Defence Force, also die südafrikanische Armee handelt.
    Barenberg: Auf mittlere oder längere Sicht, jedenfalls so verstehe ich Sie, geht die Zeit für Mugabe trotzdem zu Ende. Woran ist er eigentlich am Ende jetzt gescheitert?
    "Mugabe hat nie jemand wirklich hochkommen lassen"
    Langen: Ich denke, er ist am Ende daran gescheitert, dass er wirklich so dickköpfig war und versucht hat, mit seiner Politik, seiner machiavellischen Politik zu verhindern, dass ein Nachfolger aufgebaut wird oder ein Nachfolger sich aufbauen kann. Immer wenn es dann eine Nachfolge gab, wie Joice Mujuru oder Emmerson Mnangagwa, wurden diese Personen dann abgesägt und abgesetzt. Er hat nie jemand wirklich hochkommen lassen. Ich glaube, er hielt sich in den letzten Jahren wirklich für nicht ersetzbar. Das ist das eine.
    Das andere ist natürlich ohne Frage, dass ihm sehr wohl bewusst war, dass er in Afrika immer noch als herausragender Held gesehen wird und sich eigentlich persönlich auch als Afrikas größter Freiheitskämpfer wahrscheinlich immer noch sieht. Es gab immer wieder auch Auseinandersetzungen, noch 2013 in einem Fernsehinterview, wo er sagte, dass Nelson Mandela eigentlich ein Ausverkäufer der schwarzen Interessen sei an die Weißen, und dass er ihn selber, also Mandela, überhaupt nicht als Freiheitskämpfer sah und er sich selbst als Präsident Simbabwes als die wichtigste Freiheitspersönlichkeit Afrikas sieht.
    Barenberg: Nun hören wir allenthalben, dass Simbabwe schon seit längerem, seit Jahren eigentlich schon immer tiefer in eine ökonomische und auch in eine soziale Krise gerutscht ist. Sind die meisten Menschen denn jetzt erleichtert, dass Bewegung in die Sache kommt und eine Zeit nach Robert Mugabe absehbar wird?
    "In Simbabwe gibt es 95 Prozent Arbeitslosigkeit"
    Langen: Erleichtert ist vielleicht das falsche Wort. Ich denke, es ist eine große Aufmerksamkeit da, gemischt mit Angst. Man weiß, wie die wirtschaftliche Situation ist. Das erlebt jeder dort. Man liegt momentan bei 95 Prozent Arbeitslosigkeit, bei rund 350 bis 380 Prozent Inflationsrate, das Geld ist nichts mehr wert, es gibt so gut wie keine Krankenversorgung im Land, viele Simbabwer sind in den letzten 20 Jahren aus dem Land geflohen, insbesondere natürlich nach Südafrika und die umliegenden Länder wie Namibia, Botswana und Mosambik, was auch dort zu Unruhen geführt hat. Ich denke, es ist eine gewisse Aufmerksamkeit, was eigentlich passiert. Man weiß, viel schlimmer kann es nicht mehr werden, und man weiß, einer der möglichen Nachfolger wird Emmerson Mnangagwa sein, der dann zumindest die Macht in der Hand hat, oder auch Constantine Chiwenga als Armeechef, und beide sind nun nicht als große Freiheitshelden oder als Demokratiemacher bekannt. Ganz im Gegenteil! Alle, insbesondere aber Mnangagwa war involviert in genozidartige Handlungen Mitte der 80er-Jahre. Beide gelten als brutal, unnachgiebig und beide gelten als diejenigen, die nicht unbedingt Befürworter einer demokratischen Entwicklung sind.
    Barenberg: Aber Sie gehen schon davon aus, dass entweder der Armeechef, oder der abgesetzte Vizepräsident, dass einer von den beiden die politische Entwicklung bestimmen wird in den nächsten Jahren?
    Langen: Meine Vermutung ist, dass nachdem Mnangagwa heute wohl zurückgekehrt ist aus Südafrika, dass er sich jetzt vorbereitet, wieder installiert zu werden, bestenfalls installiert zu werden bei Mugabe selbst in sein altes Amt und seine Parteimitgliedschaft wieder aufnehmen darf. Dann würde der Militärchef in die zweite Reihe zurückgehen und in die militärischen Kasernen zurückgehen und dann würde Mnangagwa höchst wahrscheinlich auch ex Verfassung dann zumindest für einige Zeit Staatspräsident werden. Das ist Möglichkeit Nummer eins.
    Möglichkeit Nummer zwei wäre, dass er dann so viel dazugelernt hat und verstanden hat, dass die Leute auch eine Alternative haben wollen, er die Wahl 2018 nicht verschiebt und unter Umständen eine Art Übergangsregierung mit den vielen Oppositionsparteien akzeptiert, auch in dem Glauben, dass die hohe Anzahl von Oppositionsparteien dazu beiträgt, dass seine alte ZANU-PF wieder an die Macht kommt.
    "In diesem Land ist so viel kaputt gemacht worden"
    Barenberg: Zum Schluss vielleicht noch eine Frage nach Ihrer Einschätzung. Sind Sie denn eher optimistisch oder eher pessimistisch, dass es eine Entwicklung jedenfalls zum Besseren geben kann in den nächsten Jahren?
    Langen: Da bleibe ich, ehrlich gesagt, Pessimist. Ich glaube nicht, dass es eine bessere Entwicklung gibt. Es ist so viel in diesem Land kaputt gemacht worden in den letzten 20 Jahren. Das Land ist mit Vorsatz und mit hoher Geschwindigkeit gegen die Wand gefahren worden. Selbst wenn eine demokratische Regierung jetzt eingesetzt würde, würde die mindestens eine Dekade brauchen, um so viel Geld wieder zu haben, dass man den Aufbau beschleunigen könnte, dass man die notwendigsten Reformen durchführt und dass man insbesondere wieder in der Landwirtschaft soweit kommt, dass man das Land selbst ernähren kann. Der einzige Ausweg wären dann Investitionen aus dem Ausland, sei es aus Europa, aus den USA ist momentan wohl nicht denkbar, oder aus China. Die Verhandlungen mit China zwischen Mnangagwa und den Chinesen hat es in den letzten Jahren immer wieder gegeben und die Chinesen sind im Land selbst stark beteiligt und involviert in Minen und auch Nahrungsmittelpositionen.
    Barenberg: Der Afrika-Experte und Analyst Jürgen Langen hier im Deutschlandfunk. Danke für Ihre Zeit, danke für das Gespräch.
    Langen: Danke Ihnen, Herr Barenberg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.