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Abenteuerlust, Neugier und eine sehr klare Idee von seiner Musik. Der australische Singer/Songwriter Jaimi Faulkner hat schon mit 21 seine erste CD veröffentlicht. "Last light" heißt sie und klingt nach siebziger Jahre-Folk der amerikanischen Westküste. Er hat seine eigene Vorstellung von Musik mit akustischen Gitarren und von dem, was ein Singer/Songwriter darstellen kann. Dabei schaut er auf die Anfänge dieser Bewegung zurück.
"Die Singer/Songwriter der ersten Generation waren für ihre Fähigkeit bekannt, komplexe Geschichten mit ihren Liedern zu erzählen, die auch eine politische Dimension haben. Ein moderner Liedermacher lebt in einer Welt, in der viele Songs schon geschrieben worden sind. Was er machen kann, ist das Kolorit seiner Zeit zu porträtieren. Er lebt im Hier und Jetzt und das sollte man seinen Liedern auch anhören."
Konzerte zu spielen ist die beste Schule
Mit seinem Debüt wurde der 1982 im australischen Melbourne geborene Musiker bekannt und von nun an auch häufiger gebucht. Von Melbourne bis Brisbane, von Townsville bis Derby, von Perth bis Sydney, Konzerte zu geben, das hat Faulkner schnell erkannt, ist die beste Schule für einen Singer/Songwriter. Allerdings lieber in Cafés als in Fußgängerzonen.
"Also ich kann sicher sagen, das ich nie Straßenmusiker war. Ich bin in einer sehr musikalischen Familie groß geworden. Mein Vater hat mir eine Gitarre gekauft, da war ich elf. Ich fing sehr früh mit dem Spielen an, auch mit dem Piano. Mein Onkel war Chorleiter, meine Tante war Musikerin, bei uns zu Hause wurde viel gesungen und es gab immer kleine Auftritte. Ich glaube, ich habe mein erstes Konzert in einem kleinen Café in Melbourne gespielt, da war ich gerade mal 16. Damit ging es los und hab den Spaß an der Liveperformance für mich entdeckt und bin quasi seitdem on the road und toure viel."
2008 gewann Jaimi Faulkner den renommierten Preis als australischen Blues/Roots/Performer des Jahres. Das öffnete ihm Türen im Musikbusiness. Er spielte im Vorprogramm von Chris Isaak oder der australischen Kultband "The Tea Party". 2009 erschien sein zweites Studioalbum "Kiss and ride", das schon viel ausgereifter als sein Vorgänger klingt. Faulkner ist hier tief in das eingestiegen, was Kritiker gerne "Americana" nennen. Folk, Blues und Country. Die endlosen Weiten der amerikanischen Landschaft und dessen musikalische Tradition hat er tief in sich aufgesogen. Schließlich trat er 2007 in den USA auf und überzeugte unter anderem beim bekannten Juke Joint Blues Festival in Clarksdale am Mississippi. Zurück in Australien tourte er unermüdlich weiter.
Umzug nach Europa
"Ich war schon Musiker in Australien und habe im Prinzip fünf bis sechs Jahre immer die gleiche Route gespielt. Die gleichen Festivals und die gleichen Clubs. Auf einmal wurde ich neugierig. Ich wollte einfach wissen, wie es wäre, mal an anderen Orten vor anderen Zuschauern zu spielen? Um das herauszubekommen bin ich, nachdem ich 2007 in Memphis/Tennessee auf der Blueschallenge gespielt habe, mit meinem Rucksack nach Europa weitergeflogen. Deutschland und seine Menschen haben mir da besonders gut gefallen. Ich kam also immer wieder hier hin zurück, um zu sehen, ob es möglich wäre, hier zu leben und zu arbeiten. 2010 entschied ich dann, nach Deutschland zu ziehen und lebe nun hier seit sieben Jahren."
In Europa angekommen sieht Faulkner Mentalitätsunterschiede zwischen den Zuschauern hier und in Übersee.
"In Europa hat man eine ganz andere Wettersituation als in Australien. Man muss die Kälte besiegen und sich aus dem Haus bewegen, um Kultur und Kommunikation zu finden. Du kannst nicht einen ganzen Winter lang im Haus bleiben. Das macht dich echt verrückt, was ich nach sieben Jahren Deutschland dann auch kapiert habe. Also geht man raus und besucht Konzerte. Europa hat eine sehr vielfältige Kulturgeschichte und die Menschen hier haben eine sehr enge Verbindung zu Kunst und Musik. Da gibt es einen Unterschied zu Australien, wo das noch nicht so entwickelt ist."
Zwischen Konzertbühne und Studio
Im Vorprogramm von Paul Young, The Holmes Brothers, Tina Dico - die Ochsentour ging 2010 für Jaimi Faulkner nach seinem Umzug nach Europa weiter. Mit seiner Akustikgitarre tingelte er hier durch Kleinkunstbühnen, Bars und Konzerthallen. Und er traf dabei auf viele andere Singer/Songwriter.
"Wenn du jemanden triffst, der Musiker ist, dann ist die erste Frage, welchen Stil spielst du? Und dann muss sich dieser Musiker entscheiden. Bin ich ein Blues, Rock oder Folkmusiker oder einfach nur ein Singer/Songwriter? Ich habe mich von all diesen Genres inspirieren lassen. Bei mir spielen die Texte eine wichtige Rolle. Ich suche mir die Worte nicht zusammen, nur damit sie sich reimen. Von daher würde ich am ehesten als einen Singer/Songwriter bezeichnen, da viele meiner Texte eine Message transportieren. Musikalisch bin ich von vielen Genres beeinflusst."
2013 erscheint Faulkners erstes europäisches Album "Turn me around". Das Album knüpft nahtlos an seine Vorgänger an. Jaimi Faulkner, seine Gitarre und seine ausgereifte Gesangsstimme und seine persönlichen Geschichten, die ihm on the road passiert sind. Doch die schon fast minimalistisch produzierte Veröffentlichung geht schnell in der englisch, amerikanischen Konkurrenz unter. Doch weil er hierzulande viel tourt, festigt Faulkner in Deutschland seinen Ruf als exzellenter Gitarrist und Sänger. Landauf, landab ist er live präsent. Beispielsweise im bayrischen Dachau wo er 2013 bereits zum siebten Male zu Gast in dem Liveclub Kultur- Schranne ist. Dort erzählt er der "Süddeutschen Zeitung", das "ausverkauft" sein deutsches Lieblingswort ist.
Ausgerechnet Cro
Die Aufmerksamkeit der hiesigen Musikszene erreichte der Australier mit einem deutschen Song, den er im Radio gehört hatte.
"Wenn ich mal etwas freie Zeit habe, dann versuche ich mein Deutsch zu verbessern und einen Kurs zu belegen. In diesem Rahmen hab ich mich mit einem Song beschäftigt, den ich, während ich in Deutschland auf Tour war, ständig im Radio gehört habe. Also hab ich den ins Englische übersetzt und dann mit einer Akustikgitarre eingespielt. Das war der Cro Song "Einmal um die Welt. Das hab ich dann bei YouTube hochgeladen, um zu sehen, ob es ein paar Klicks bekommt. Das hat sich dann ziemlich schnell verbreitet und Cro selbst hat das dann weiter gepostet und der Kontakt zu seinem Produzenten Ralph Mayer kam dadurch zustande. Man kann also sagen, das dieser naive, kleine Upload meine Karriere beeinflusst hat."
Cro-Produzent Ralph Mayer, der auch schon mit Clueso und den Fantastischen Vier gearbeitet hat, ist auch an Jaimies Album "Up allnight" aus dem Jahr 2015 beteiligt. Der Folk Rock Boom hatte Europa erreicht: Die isländischen "Of Monsters and men" oder die amerikanischen "Lumineers" erreichen in dieser Zeit Platinstatus mit ihren Alben. Jaimi Faulkner sollte mit "Up all night" ähnlich erfolgreich werden. Doch im Gegensatz zu seinen Vorgängeralben wirkt diese Produktion nicht mehr so minimalistisch, sondern geradezu dick inszeniert. Die Erfolgsformel, die zu Cro passt, funktionierte nicht mit dem Australier.
Die Entstehung des Albums "Backroad"
Jaimi Faulkner spürte, das er sich von seinem eigenen Wurzeln entfernt hatte. So übernahm er selbst die Kontrolle. Er wollte wieder "Back to the roots". Und so entstand sein aktuelles Album "Backroad".
"Ich wollte mit diesem Album wieder zurück zu meinen Wurzeln. Ich wuchs mit einer Menge Blues, Soul und Americana Musik auf. Die CD, die ich davor aufnahm, war irgendwie zu glatt und gefällig. Diese Produktion war so etwas wie eine Abkehr von dem Sound, den ich eigentlich immer machen wollte. Es war sehr poplastig und sehr "produziert". Mit meiner aktuellen CD wollte ich wieder zurück zu der ursprünglichen Idee meiner Musik. Blues, Soul, Rock, und das alles möglichst live aufgenommen."
Gesagt, getan: In gewohnter Do it yourself-Manier macht sich Jaimi Faulkner auf die Suche nach einem geeigneten Ort, an dem ein solches Album entstehen kann. Zusammen mit seiner Band, die er mittlerweile in Holland gefunden hat.
"Das ist eine tolle Geschichte. Als ich in Bremen gelebt habe, bin ich zur Volkshochschule gegangen, um ein wenig Deutsch zu lernen. Mein Lehrer dort besitzt ein altes Fachwerkhaus in der Nähe von Cuxhaven. Als ich das neue Album aufnehmen wollte, hab ich via Facebook herumgefragt, ob jemand ein Haus, eine Scheune oder eine andere Location weiß, in der wir unser Equipment aufbauen können. Daraufhin hat sich, dann mein Lehrer gemeldet. Ich wollte dort ein authentisches und bluesiges Album aufnehmen und war inspiriert von dem Neil Young Album "Harvest", das er auch in seiner Scheune aufgenommen hat. Ich dachte, jetzt kann ich etwas Ähnliches machen. Bei diesen alten Fachwerkhäusern hat man eine sehr gute akustische Situation, weil die Wände nicht parallel zueinander verlaufen. Außerdem waren vom Boden bis zur Decke Bücher gestapelt, was ein schönes uriges Gefühl vermittelt hat. Also bin ich damit meiner Band für kurze Zeit eingezogen und wir haben unser komplettes Equipment, also jede Menge Gitarren, Bässe, Hammondorgel, Piano, diverse Drumkits und mein komplettes Aufnahmestudio aufgebaut. Wir haben uns dort im Winter 2016 für zwei Wochen eingeschlossen und nichts anderes gemacht als essen, schlafen und Musik aufzunehmen. Das Album "Backroad" ist das Ergebnis dieser Zeit."
Ernstere Untertöne
"Backroad" ist von den persönlichen Momenten seines Autors geprägt. Der Ton auf dieser CD wirkt insgesamt wesentlich ernster, als bei den vorherigen Alben. Gerade in einem Song wie "All my hope is gone" kommt der Blues zurück, den Faulkner so liebt und so überzeugend spielt, als wäre er selbst am Mississippi groß geworden. Egal ob Slide-, E- oder Akustik-Gitarre, der Australier beherrscht sein Instrument zur Perfektion.
"Der Song ist eine sehr persönliche Sichtweise auf das, was so in der Welt los ist. Vor einigen Jahren war ich noch wesentlich optimistischer, immer mit der Vorstellung, das sich alles irgendwie zum Guten wandeln wird. Doch, je älter ich werde und je mehr ich mir die Nachrichten anschaue, wird mir klar, das die Welt ein ziemlich komplexer und komplizierter Ort ist. Dabei ist mir mein Optimismus etwas abhandengekommen und ich wurde eher zu einem Realisten. Dieser Song beschäftigt sich mit dem Unbehagen, das ich bekomme, wenn ich sehe, was an einigen Orten der Welt passiert."
Jaimi Faulkner spielt, wie es sich für einen Singer/Songwriter gehört, bis zu 200 Konzerte im Jahr. Ob mit seiner Band oder solo, Faulkner kann sein Publikum überzeugen und ist über die Jahre zu einem exzellenten Gitarristen gereift. Doch als ständig reisender Musiker, muss man mit den Höhen und Tiefen, die dieser Beruf so mit sich bringt, umgehen können. Nicht immer eine einfache Sache.
"Also, es gibt Zeiten, da frage ich mich ernsthaft, wie lange ich noch so ein Leben führen kann. Dieses ständige Unterwegssein von Stadt zu Stadt ist nicht einfach. Und jede Nacht das Gleiche zu machen fühlt sich auch nicht immer gut an. Wenn man auf Tour ist und man hat Erfolg, dann fühlt sich das fantastisch an. Aber wenn die Zuschauer ausbleiben oder du hast finanzielle Probleme oder längere Zeit kein neues Album geschafft, weil du so etwas wie eine Schreibblockade hast, das sind dann die Momente, in denen du dich, wie soll ich sagen, nicht so gut fühlst."
Ausdauer und Disziplin on the road
Faulkner hat über die Jahre gelernt, das man als tourender Musiker Ausdauer und Disziplin haben muss.
"Klar gibt dieses Klischee von "Sex, Drugs and Rock'n Roll". Doch die Realität besteht aus Rock'n Roll, gesunder Ernährung, viel Schlaf und jeder Menge Einfühlungsvermögen, wenn man so viel unterwegs ist. Das ist der neue "Rock'n Roll Way of life". Würde ich so durch die Gegend reisen, wie es einige meiner Idole getan haben, hätte ich nicht länger als fünf oder sechs Jahre geschafft."
Fremd fühlt sich Jaimi Faulkner in Deutschland nicht mehr und berät, wenn er mal nicht wieder auf Tour ist, auch andere, angehende Singer/Songwriter in Stilfindungsfragen und Arrangement. Seine Glaubwürdigkeit spielt da eine große Rolle.
"Ich würde jedem Singer/Songwriter dazu raten über etwas zu schreiben, was er kennt. Schreibe über deine eigenen Erfahrungen, schreib über deine Heimatstadt und über alles, was dich umgibt und du in Texten verarbeiten kannst. So kannst du den Hörer überzeugen. Versuche nicht unbedingt literarisch zu klingen, sondern experimentiere lieber mit Metaphern und Sprache. Versuche einen Song, der extrem offensichtlich ist, ein wenig in die geheimnisvollere Ecke zu schreiben. Wichtig sind Bilder, die beim Hörer eine Art Landschaft im Kopf hervorrufen. Also, wenn du mit deinen eigenen Erfahrungen beginnst, kannst du den Hörer auch schnell überzeugen."
Schöne Momente auf Tour
Berlin, Bremen, Düsseldorf, nun lebt Jaimi Faulkner schon einige Jahre in Deutschland. Und weil er so oft unterwegs ist, passieren die schönen Momente auch während so einer Konzertreise.
"Vor einigen Jahren war ich mit dem englischen Musiker Tom Odell auf Tour. Wir spielten sechs oder sieben Konzerte in Holland und Deutschland. Die Show, die mir am besten in Erinnerung geblieben ist, war der Gig im niederländischen Groningen. 2500 Zuschauer waren dort und es hat einen unglaublichen Spaß gemacht, zu sehen, wie ich die für meine Musik begeistern konnte."
Jaimi Faulkner hat sich mit seinem aktuellen Album "Backroad" wieder dahin entwickelt, wo er vor vielen Jahren angefangen hat. Folk, Country und mehr und mehr Blues. Mühelos kann er seine Songs, ganz in der Tradition seiner Vorbilder mit nur einer akustischen Gitarre begleitet, spielen, ohne dass man irgendein Element vermisst. Und, obwohl Faulkner mit seinen 35 Jahren noch lange nicht das Alter eines gereiften Bluesmusikers hat, auf dem Weg dahin ist er.
"Mich hat der Blues sehr beeinflusst, aber auch Americana, Singer Songwriter und Soulmusic waren mir sehr wichtig. Ich mische all diese Einflüsse und herauskommt eine Stimme, die meine Eigene ist. Es ist schon toll, gerade jetzt in dieser Zeit zu leben. Medienplattformen wie Spotify sind eine Art Weltmusikmediathek und es ist gut, dazu Zugang zu haben. Ich glaube, das es in der Vergangenheit nicht so einfach möglich war, all die obskuren Alben von unbekannten Bluesmusikern zu entdecken. Derjenige, der heute auf die Suche geht, wird immer fündig. Ist der Blues tot? Auf keinen Fall!"