Wie ein verlassener Riese liegt er da im märkischen Sand. Dort, wo Tausende arbeiten und Zehntausend täglich fliegen sollten, wo eigentlich Tag und Nacht Betrieb wäre, Taxis, Busse, Autos, Züge an und abfahren, Menschen begrüßt und verabschiedet, Millionen-Umsätze gemacht werden sollten. Da herrscht eine fast gespenstische Stille. Nur unterbrochen von der netten weiblichen Stimme, die auf Knopfdruck mitteilt, was hier gerade los ist.
"Aufzug außer Betrieb. Aufzug außer Betrieb."
Alles im Schwebezustand: Die bereits vor Jahren installierten Check-in-Schalter aus Nussbaumholz sind mit Plastikfolien vor dem Staub gesichert, der Natursteinboden mit Faserplatten vor Beschädigungen geschützt. Auf einer Informationssäule steht in großen Buchstaben "Platzhalter".
Täglich sind 700 Arbeiter auf der Baustelle unterwegs – bei der Größe des Gebäudes sind sie allerdings kaum wahrnehmbar, die Putzkräfte, Sicherheitsleute, Elektriker, Monteure, Trockenbauer und Ingenieure.
Im hinteren Teil des Terminals steht ein Gerüst, an dem ein Aufzug angebracht ist. Gerade fährt ein Monteur nach oben. Er und seine Kollegen befestigen zusätzliche Ventilatoren an der Decke. Sie sollen im Brandfall den Rauch aus dem Terminal ins Freie transportieren.
Achillesferse des BER
Die Entrauchungsanlage ist die Achillesferse des Berliner Flughafens – intern "das Monster" genannt. So groß und so komplex, dass sie nicht mehr steuerbar war und in drei Teile zerschlagen werden musste. Damit nicht genug: Das Eisenbahnbundesamt hat weitere Auflagen erteilt – es geht um die Schnittstelle zwischen Terminal und unterirdischem Flughafenbahnhof. All das führt dazu, dass ein Eröffnungsdatum für den Hauptstadtflughafen BER immer noch nicht endgültig feststeht. Es könnte 2018 werden - das musste Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller – gleichzeitig Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft – in der jüngsten Sitzung des Abgeordnetenhauses zugeben.
"Erstmals muss man sagen, dass das keine schöne Situation ist. Es ist kein großes Geheimnis, dass es von Tag zu Tag schwerer wird, das Datum zu halten, dass es von Tag zu Tag enger wird, darüber haben wir ja schon im Parlament gesprochen, muss ich Ihnen heute auch sagen, dass ich skeptisch bin, was den Zeitplan anbelangt, und dass ich auch nach dem heutigen Stand nicht mehr ausschließen kann, dass wir mit der Eröffnung im Jahr 2018 landen."
Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhaus zum BER
2018, das wäre dann die fünfte Verschiebung. Ein Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus hat sich den Skandal-Flughafen vorgenommen – 1.650 Ordner voller Akten haben die Parlamentarier studiert, 70 Zeuginnen und Zeugen befragt. Der Ausschussvorsitzende Martin Delius von den Piraten nennt folgende Gründe für das Scheitern des Großprojekts:
"Kollektive Verantwortungslosigkeit, strukturelle Schwäche der Flughafengesellschaft, kein Controlling, keine Nachsteuerung, das 'Gegen die Wand fahren lassen', das sprichwörtliche, was jeden einzelnen Bereich der Baustelle angeht, das war der Grund, warum das mit dem BER nicht funktioniert hat."
Die Abgeordneten sind sich weitgehend einig, trotzdem wird es morgen ein Mehrheits-Votum der Regierungsfraktionen SPD und CDU geben sowie Sondervoten der Opposition. Wird doch gerade die SPD versuchen, die Rolle von Klaus Wowereit – Ex-Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft - abzuschwächen.
"Im Abschlussbericht dieses Untersuchungsausschusses wird sicherlich nicht stehen, Klaus Wowereit ist schuld, aber es wird drinstehen, Klaus Wowereit hat sich nicht so sehr für die Arbeit der Geschäftsführung interessiert wie er das hätte machen müssen als Aufsichtsratsvorsitzender, und darin liegt eines der Probleme."
Der Untersuchungsausschuss will nicht nur aufklären und anklagen, er will auch Handlungsempfehlungen abgeben. Was kann die öffentliche Hand lernen von gescheiterten Großprojekten, was kann und muss in Zukunft besser gemacht werden? Andreas Otto von den Grünen weist daraufhin, dass sich sowohl die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft als auch die Politik immer wieder in den laufenden Bauprozess eingemischt haben. Ein fataler Fehler, meint der Oppositionspolitiker.
"Stellen Sie sich vor, die Wand steht halb und dann kommt jemand, der sagt, die muss jetzt woanders hin. Man hat dadurch ein enormes Maß an Mehrkosten, an Mehraufwand und auch an Zeitverlust selber mutwillig generiert und das geht eben nicht. Das muss man glaube ich merken: Keinerlei Veränderung. Von Anfang an sind die verboten."
Auf dem Terminalvorplatz mäht ein Arbeiter das Unkraut
Der Untersuchungsausschuss hat zügig gearbeitet, der Abschlussbericht wird pünktlich im Juni debattiert - in der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses vor der Wahl im September. Die Parlamentarier haben ihr selbst gestecktes Ziel erreicht – der Ausschuss ist schneller fertig geworden als der BER.
Der liegt still im märkischen Sand. Auf dem Terminalvorplatz mäht ein Arbeiter das Unkraut, das zwischen den Betonplatten hervorwuchert.
Ein Teil der Betonplatten wurde herausgerissen, die darunterliegenden Stromleitungen müssen demnächst neu verlegt werden. Jemand hat festgestellt, dass der Terminalvorplatz nachts ungenügend beleuchtet ist. Nur ein klitzekleines Problem am Skandalflughafen BER.