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Social Freezing
Baby, bis später!

Es ist ein viel diskutiertes Thema: Social Freezing, das Einfrieren von Eizellen für den verspäteten Kinderwunsch, frei von biologischen Zwängen. Ist das die Vollendung der Emanzipation? Oder ist es doch der Versuch, ein gesellschaftliches Problem medizinisch zu lösen?

Von Sophia Wagner |
    Die Eizell-Konservierung, auch Social Freezing genannt, ist eine Methode zur Vertagung des Kinderwunsches.
    In einem Stickstoffbehälter lagern Kassetten mit eingefrorenen Eizellen in einem Labor im Universitätsklinikum in Tübingen. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Im Augenblick ihrer Geburt sind die etwa 500.000 Eizell-Anlagen eines Mädchens schon neun Monate alt. Den Höhepunkt ihrer Fruchtbarkeit hat es als junge Frau mit Anfang 20, dann fängt die biologische Uhr an zu ticken. Bis 30 nur sehr langsam, ab 30 schneller und ab 35 geht es dann unaufhaltsam bergab.
    "Der Lebensstil hat sicherlich einen Einfluss dahingehend, dass man sich nicht mit System vergiften soll, also Rauchen, Nikotin. Das führt eindeutig zu einer eingeschränkten Qualität. Aber ansonsten, was man immer denkt, das man jetzt wenn man weniger arbeitet, oder mehr Freizeit hat, bessere Eizellen hätte oder so, das stimmt nicht."
    Dr. Katrin van der Ven ist Gynäkologin und Reproduktionsbiologin in Bonn. Zu ihr kommen Frauen, die den Druck der Biologie spüren und deswegen ihre Eier kryokonservieren, also einfrieren möchten. Viele der Interessentinnen sind schon Mitte, Ende dreißig und damit relativ alt.
    "Für uns wäre ideal, wenn die Patientinnen unter 30 wären, wenn sie ihre Eizellen einfrieren lassen. Das hat einfach den Hintergrund, dass die Eizellen dann qualitativ am hochwertigsten sind und auch die Schwangerschaftschancen am höchsten wären. Das entspricht aber nicht der Realität, weil die meisten Patientinnen erst Ende 30 auf die Idee kommen, oder es sich auch nur leisten können, das Einfrieren zu bezahlen."
    Pro Zyklus kostet die Eizelle-Entnahme etwa 3000 Euro. Je älter man ist, desto mehr Zyklen sind nötig, um eine ausreichende Zahl an Eizellen zu extrahieren. Dazu kommen dann noch die Kosten für die Lagerung, die pro Jahr zwischen 300 und 600 Euro betragen. Die Entnahme-Prozedur ist über die Jahre verfeinert worden, aber immer noch unangenehm. Nach einer zweiwöchigen Hormonbehandlung werden mehrere Eizellen während einer kurzen Narkose extrahiert.
    "Die Eizellen werden durch einen vaginalen Ultraschall abgesaugt, aus dem Eierstock, vergleichbar einer Blutentnahme durch die Scheide. Und das sage ich dem Patienten auch immer, dann hört sich das nicht ganz so grauenvoll an."
    Offizielle Statistiken zum Social Freezing gibt es nicht
    Wegen der Kosten, kann sich diese Prozedur selbst mit Mitte, Ende 30 längst nicht jede Interessentin leisten. Selbstbestimmt die Fruchtbarkeit verlängern geht also nur mit Geld. Und die Investition ist riskant, denn die Kryokonservierung der Eizellen ist noch lange keine Garantie, später auch wirklich Kinder zu bekommen.
    "Also wenn sie mit 30 bis 34 eingefroren haben, sind ihre Chancen pro Eizelle zu einer Geburt zu kommen so etwa bei acht Prozent. Ja, nicht sehr hoch! Und wenn sie es viel später machen, Anfang 40 oder sowas, ist es vielleicht zwei bis vier Prozent. Das sind sehr vorsichtige Schätzungen. Das entsetzt auch die meisten Ratsuchenden, weil man sich das nie so in Zahlen vor Augen führt."
    Trotz der Kosten und des ungewissen Ausgangs gibt es laut Dr. van der Ven immer mehr Frauen, die sich entscheiden ihren Eizellen einzufrieren. Offizielle Statistiken zum Social Freezing gibt es nicht. Aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung schätzt Dr. van der Ven aber, das sich in Deutschland um die 300 Frauen jährlich für die Prozedur entscheiden. Sie profitieren von einer Methode, die eigentlich für junge krebskranke Frauen entwickelt wurde. Deren Eizellen werden durch Chemotherapie und Bestrahlung oft irreparabel geschädigt. Die Kryokonservierung vor der Behandlung ist für sie also die einzige Chance auf eigene Kinder.
    Viele Singles entscheiden sich für Social Freezing
    Beim Social Freezing besteht dagegen keine medizinische Notwendigkeit. Die gängige Meinung ist, dass Frauen das Kinderkriegen hauptsächlich aus Karrieregründen nach hinten schieben. Doch Prof. Maria Carla Gadebusch-Bondio, die das Institut für Geschichte der Medizin an der Uni Bonn leitet, wiederspricht dem Klischee von der karrierebesessenen Akademikerin.
    "Wenn man aber jetzt sich ansieht welches Zielpublikum diese Angebote wahrnimmt, dann muss man feststellen, dass es sich meistens um jüngere Frauen handelt, die noch nicht den richtigen Partner gefunden haben und eben diese Option offenhalten möchten, später das erste Kind zu bekommen."
    75 Prozent der Frauen, die sich für die Kryokonservierung interessieren, sind Single. Sie verschieben das Kinderkriegen nicht, um sich im Beruf zu verwirklichen, sondern weil sie den Mann, mit dem sie Kinder haben wollen, noch nicht gefunden haben. Unabhängig von den persönlichen Gründen ermöglicht Social Freezing Frauen ihren Lebensplan mit weniger Zeitdruck umzusetzen - und steigert damit ihre Autonomie.
    "Also ich würde schon sagen dass Social Freezing eine Möglichkeit ist, die Optionen anbietet. Das heißt man kann tatsächlich die sogenannte biologische Uhr damit manipulieren. Aber wie die meisten Sachen haben wir hier zwei Seiten der Medaille und die Frage die sich gleich auftut ist, ob ein gesellschaftliches Problem, nämlich die Harmonie von Beruf, Karriere und Familie, nicht anders wie gelöst werden könnte. Ich glaube, ganz wichtig ist dass Frauen sehr gut informiert darüber werden, mit welchem Aufwand, mit welchen Risiken auch diese Prozeduren verbunden sind. Und nur wenn man transparent und gut informiert wird kann man eine intelligente Wahl treffen."