"Erdbeben" – ein vielsagender Name für einen Dateiordner. Er stammt aus dem Fundus des mittlerweile geschassten DFB-Vizegeneralsekretärs Stefan Hans. Erstellt offenbar Mitte November 2015. Eine darin befindliche Datei heißt sogar "Komplex Jack Warner", benannt nach dem Skandalfunktionär des Weltverbandes Fifa, der in der deutschen WM-Affäre eine Schlüsselrolle spielt. Hans hatte als enger Vertrauter des im Zuge der Affäre zurückgetretenen Verbandschefs Wolfgang Niersbach diskret nach dubiosen Vorgängen zur WM-Vergabe 2006 gesucht.
Die Staatsanwaltschaft hatte vom Fund der "Erdbeben"-Datei keine Kenntnis erhalten. Ihre Durchsuchung in der DFB-Zentrale hatte schon vor deren Erstellung stattgefunden. DFB-Vizepräsident Rainer Koch räumt nun ein, dass der Verband die Datei zunächst selbst zu öffnen versucht habe. Befürchtet worden sei, dass die von der Behörde konfiszierte Unterlagen lange Zeit außer Reichweite des DFB seien würden. Wie sich herausstellte, war die Datei nicht zu knacken. Zumindest nicht für den DFB und die vom Verband mit der Aufklärung beauftragte Kanzlei Freshfields. Hans, mit dem der DFB in einem Arbeitsgerichtsstreit liegt, lieferte keine korrekten Passwörter, und Computerexperten bezifferten die professionelle Öffnung der Datei auf eine hohe sechsstellige Summe, ohne Gewähr, dass das gelingen könne. Deshalb habe man auf eine teure Öffnung verzichtet.
"Erdbeben"-Dateien verblieben ein Jahr auf DFB-Server
Das Kostenproblem wirft aber erst recht eine Frage auf: Warum hat der DFB die Datei nicht spätestens Anfang März an die Ermittler weitergereicht? Da hatte Freshfields den Report publiziert. Stattdessen verblieb das ungeöffnete "Erdbeben"-Material von November 2015 bis Montag dieser Woche auf einem DFB-Server. Erst eine Mediennachfrage in der Vorwoche ließ den DFB bei der Staatsanwaltschaft nachhaken, ob sie die Datei kenne. Am Montag holte ein Steuerfahnder die Datei dann ab.
Die neue Führung um DFB-Chef Reinhard Grindel steckt in Erklärungsnot. Grindel hat einen "neuen DFB" proklamiert und, dass für die Aufarbeitung alles getan worden sei, was dem Verband möglich war. Man sei davon ausgegangen, heißt es nun, die Staatsanwaltschaft habe die Datei schon länger gekannt. Koch räumt nun ein, man hätte das Material schon auch im März an die Behörde weitergeben können, um sicher zu gehen, dass es ihr vorliegt.