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Sommerserie: Fachhandel versus Internet
Neuwagenkaufen im Netz - ein Wagnis

Einen neuen Scheibenwischer oder ein paar schöne Felgen bestellen viele Deutsche inzwischen im Netz. Mit ein paar Klicks ein komplettes neues Auto zu kaufen - ohne Probefahrt und ein paar prüfenden Fragen-, das ist den Meisten doch zu heikel. Um das zu ändern, arbeiten Internethändler mit immer neuen Methoden.

Von Jörg Sauerwein |
    Fragezeichen
    Die meisten Deutschen scheuen sich davor, einen Neuwagen einfach im Internet zu bestellen. (dpa / picture alliance / Boris Roessler)
    Ein neues Auto für 25.000 Euro oder mehr im Internet kaufen? Viele Menschen denken noch so wie diese beiden:
    "Das ist mir zu riskant. So Kleinigkeiten, Autoteile ja, okay - aber ein Auto, nee, das ist mir einfach zu viel Geld und das ist mir zu gefährlich."
    "So kleine Sachen, wie Schuhe oder Taschen kann man ja im Internet kaufen, das ist ja kein Thema. Aber Autos oder Sachen, die viel Geld kosten - nee, das ist mir zu riskant"
    Eine wachsende Zahl von Autokäufern aber hat mehr Vertrauen und immer häufiger kommt es zu Gesprächen wie diesem:
    "Schönen guten Morgen, Kreutz von meinauto.de. Ich meld' mich bezüglich ihrer Neuwagenanfrage bei uns für das BMW 4er Cabrio."
    Manuel Kreutz ist einer von rund 70 Mitarbeitern bei meinauto.de, einem der größten Neuwagenvermittler im Internet. Er sitzt zusammen mit rund 70 Kollegen in einem Kölner Hochhaus und ruft die Interessenten an, die sich vorher auf der Internetseite einen Neuwagen konfiguriert haben.
    "Läuft ganz normal über einen BMW-Händler und wir schauen einfach bundesweit nach, welcher Händler dann den besten Preis macht. Muss also nicht der Händler im Ort sein, sondern wir gucken, wo sie am meisten sparen können."
    Der Händler mit dem besten Angebot kann dann durchaus auch schon mal ein paar hundert Kilometer entfernt sitzen, dafür sind die Rabatte möglicherweise höher als beim Händler vor der eigenen Haustür. Angesichts von aktuell rund drei Millionen verkauften Neuwagen pro Jahr sind die geschätzten Verkaufszahlen von 30.000 bis 50.000 Wagen, die über das Internet angebahnt werden, noch vergleichsweise gering, sagt der Professor für Automobilwirtschaft Stephan Bratzel.
    Größte Rabatte beim Kauf im Netz
    "Allerdings wird diese Zahl in den nächsten Jahren aus meiner Sicht weiter wachsen und wird eben dann den Automobilhandel preislich weiter unter Druck setzen."
    Das spüren viele Händler schon jetzt. In einer Stichprobe hatte der ADAC im vergangenen Jahr die Rabatte von lokalen Händlern mit denen von zwölf Internet-Portalen verglichen. Das Ergebnis: bis zu fünf Prozent mehr Rabatt sind im Internet möglich. Stephan Gienow, Verkaufsleiter bei Renault Knüffker in Bonn, befürchtet, dass deshalb immer mehr Händler bald einpacken können.
    "Wir werden von unseren Kunden damit konfrontiert mit diesen Angeboten. Das heißt, wir müssen uns dem Kunden mehr annähern, müssen höhere Rabatte gewähren, als wir es eigentlich wirtschaftlich können und somit werden diese Online-Portale ein immer größeres Problem."
    Zumal viele Kunden natürlich trotzdem ihr künftiges Auto gerne vor dem Kauf erst mal in der Realität sehen und fühlen möchten und am besten auch Probe fahren - was im Internet schlecht funktioniert. Also erst mal doch zum örtlichen Händler, bevor man online kauft?
    "Das kommt immer öfter vor. Das ist sicherlich auch ein Thema, wo viele Händler auch überlegen, Gebühren zu verlangen für eine Probefahrt, die dann anschließend bei Kauf wieder zurück erstattet werden - denn Vorführwagen kosten sehr viel Geld."
    Kooperationen zwischen örtlichen Händlern und Internetplattformen
    Genauso wie die Glaspaläste, in die sich viele Autohäuser inzwischen verwandelt haben. Die aber brauchen die Online-Händler nicht und können mit schlanken Strukturen nach den besten Preisen suchen. Denn schließlich verhandelt nicht jeder Kunde gerne beim Autokauf - das weiß auch der Gründer und Geschäftsführer von meinauto.de Alexander Bugge:
    "Natürlich ziehen wir sehr viele Leute auch an, die Respekt davor haben, in eine Preisverhandlung mit dem Autohändler zu gehen. Und für die ist natürlich dieses Produkt sehr günstig, weil es einen sicher attraktiven Preis ermöglicht, ohne dass ich verhandeln muss."
    Den Händlern, mit denen das Online-Portal zusammenarbeitet, ermöglicht das Geschäft wiederum Verkaufszahlen, die ihnen ohne das Internet nicht möglich wären. Und hohe Absatzzahlen wiederum verhelfen zu besseren Margen beim Hersteller - der sich wiederum freut, wenn die Verkaufszahlen steigen - egal, wie.
    "Es gibt auch Hersteller, mit denen wir in Kontakt stehen und mit denen wir Kooperationen unterstützen."
    Welche das konkret sind, will Bugge allerdings nicht sagen. Klar ist, dass der Preiskampf damit immer noch heißer wird. Und viele gehen davon aus, dass die Hersteller das billigen, denn, so das Argument der Kritiker: Die enormen Rabatte der besonders günstigen Autohäuser, die mit den Online-Portalen zusammenarbeiten, wären ohne die Billigung eines Herstellers gar nicht möglich. Der Preisdruck wird in den nächsten Jahren noch viele Pleiten von Autohändlern zur Folge haben, schätzt Automobilexperte Bratzel:
    "Es wird deutlich weniger Händler geben in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren, weil das Internet eben diese Preistransparenz ermöglicht und das zeigt auch der Vergleich mit dem Ausland: In den USA werden pro 1.000 Einwohner deutlich mehr Fahrzeuge pro Händler eben verkauft als in Deutschland und diese Entwicklung wird sich mit dem Internet beschleunigen."