"'68 ist die letzte Generation, die existenziell vom Krieg geprägt ist", sagte der Soziologe Bude im Interview. Wer im Alter von fünf Jahren durchs brennende Berlin gelaufen sei, der habe die Apokalypse hinter sich, nicht vor sich, und mache auch entsprechend anders Politik als nachfolgende Generationen.
"Diese Legitimationsressource, wie man heute so schön sagt, der kollektiven Kriegsfolge-Betroffenheit ist heute nicht mehr anzapfbar", so Bude. Damit lasse sich nichts mehr begründen. Der Ausblick heutiger Politiker sei eher: "Wenn es denn eine Apokalypse gibt, dann liegt sie vor uns und nicht mehr hinter uns." Der laut Bude für '68er charakteristische Mut und Wille, aus der Bodenlosigkeit kommend gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen, sei bis zur Agenda-Politik der Regierung Schröder/Fischer erkennbar.
Gesellschaft als Schlüsselbegriff
Die um 1968 und mit dem Zweiten Weltkrieg als Abstoßungspunkt sozialisierten Menschen seien ferner die erste weltweite Generation gewesen, sagte Bude. Die Beatles mit ihren Songs, "die eine Art von Versprechen einer ganz anderen Welt beinhalten", habe man in New York wie in Recklinghausen gehört.
Diese allmählich aussterbende Generation stehe für das Begreifen von Welt vor allem nach dem Konzept der Gesellschaftlichkeit. Plötzlich habe nicht mehr der Einzelne mit seinen existenziellen Entscheidungen im Fokus gestanden, sondern die Vorstellung, dass der Mensch nur aus der Gesellschaft heraus zu verstehen sei, erklärte Bude: "Es gibt einen öffentlichen Raum, eine öffentliche Umgebung, in die hinein ich mein Leben führe."