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Spätfolgen des DDR-Staatsdopings
"Für eine Medaille wurden 100 Kinder zerschlissen"

Etwa 15.000 Athletinnen und Athleten waren in der DDR in das Leistungssportsystem eingebunden - etwa 1000 Betroffene haben sich bisher beim Dopingopferhilfeverein gemeldet. Eine große Studie untersucht auf Basis dieser Daten die Spätfolgen des Dopings. Viele seien dadurch erst ermutigt worden, sich zu melden, sagte der Traumaforscher Harald Freyberger im DLF.

Harald Freyberger im Gespräch mit Andrea Schültke |
    Die DDR-Leichtathletin Birgit Uibel (l., 382) und ihre Landsmännin Petra Pfaff (r., 371) kurz vor dem Start des Finallaufes der 400m Hürden bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Athen, Griechenland, am 10.09.1982.
    Nach eigenen Angaben wurde die DDR-Leichtathletin Birgit Uibel (l.) bereits mit 15 Jahren sehr stark gedopt. Sie wurde später offiziell als DDR-Dopingopfer anerkannt. (picture alliance / dpa / Wolfgang Weihs)
    Harald Freyberger, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uni Greifswald, ist einer der federführenden Wissenschaftler der Studie. Am Mittwoch wird der Dopingopferhilfeverein über den aktuellen Stand informieren.
    "Die erste Erkenntnis ist, dass es eine Kerngruppe von sehr geschädigten Menschen gibt, die sich sehr früh mit der Thematik befassen mussten", sagte Freyberger in der Sendung Sport am Sonntag.
    Viele hätten jahrzehntelang ihre erlittenen Schäden verleugnet. "Viele sind jetzt erst ermutigt worden, sich zu melden. Das ist etwas sehr charakteristisches, das wir in sehr vielen Opfergruppen sehen."
    Weitere Betroffene ermutigen
    Anhand der Daten könne man davon ausgehen, dass ungefähr 20 Prozent der Betroffenen Gegenstand von gewaltbezogenen oder auch sexuellen Missbrauchserfahrungen durch ihre Trainer oder Sportmediziner geworden seien - mit gravierenden Folgen: "Das hat bei gut 50 Prozent der Menschen, die wir bisher untersucht haben, psychische Langzeitschäden ganz unterschiedlicher Art zur Folge." Posttraumatische Belastungsstörungen würden dabei jedoch nicht dominieren. "Die wichtigsten Themen der Betroffenen sind somatoforme Beschwerden, vor allem Schmerzdepressionen und Angsterkrankungen."
    Der Trauma-Forscher Prof. Harald J. Freyberger, Direktor der Klinik für Psychatrie und Psychotherapie an der Uni Greifswald, sitzt vor seinem Laptop.
    Der Trauma-Forscher Prof. Harald J. Freyberger, Direktor der Klinik für Psychatrie und Psychotherapie an der Uni Greifswald (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
    Grundsätzlich zeichne sich in den vorhandenen Daten ab: "Je früher die Betroffenen in das DDR-Staatsdoping-System integriert wurden, umso gravierender sind die Schäden. Freyberger hofft, dass mit den Erkenntnissen der Studie nun auch die große Masse der 8.000 – 13.000 schweigenden Opfer ermutigt werden kann, über ihre Erlebnisse zu sprechen.
    Außerdem solle ein Beitrag zur die Aufklärung der professionellen medizinischen Community geleistet werden. "Ich hoffe auch, dass es den Betroffenen dabei hilft, für ihre erlittenen Schäden in angemessener Weise entschädigt zu werden."
    Das gesamte Gespräch können Sie sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.