Blutrot bemalte Schuhe auf dem Boden des zentralen Madrider Platzes Puerta del Sol bilden das Peace-Zeichen der Friedensbewegung. "Wie lange noch?", ist als Frage auf Schildern geschrieben. Einige hundert Passanten beobachten die Szene, bilden eine spontane Solidaritätsdemonstration, hören einer Liedermacherin zu. Ein älterer Herr unterschreibt eine Protestnote an die Regierung:
"Ich weiß nicht, was mit den Männern los ist, die ihre Frauen misshandeln. Die sind nicht normal, haben Minderwertigkeitskomplexe. Sie haben Angst vor den Frauen. Wenn man nicht glücklich in einer Beziehung ist, kann man sie ja beenden. Aber die Frau zu töten - das ist doch nicht normal!"
Zu wenig Polizeibeamte
Dabei war die Politik nicht untätig: Seit 2004 gibt es in Spanien ein Gesetz zum Schutz von bedrohten Frauen. Die Richter können nun sogenannte Näherungsverbote leichter aussprechen. Dabei müssen sich die prügelnden Partner auf richterliche Anordnung von den Frauen fernhalten. Haftstrafen wurden verschärft. Dennoch gibt es weiterhin Todesopfer. Fünf Aktivistinnen haben darum auf dem Platz der Puerta del Sol ihre Zelte aufgeschlagen und sind in einen Hungerstreik getreten. Sie fordern eine Allparteienkoalition im Parlament gegen die Gewalt in der Partnerschaft. Gloria Vázquez ist eine von ihnen:
"Die effektivste Schutzmaßnahme sind Polizeibeamte, und da sind 12.700 Stellen gekürzt worden. Auch die Anwälte von der Rechtsberatung sind mangelhaft ausgebildet. Sie fragen bloß: ‚Was ist Dir passiert?‘ Und dann gibt es schon die Antwort: 'Du hast Chance auf ein Näherungsverbot', oder: 'Du hast keine Chance.' Nach nur zwei Minuten sind die Gespräche beendet. Die Richter bekommen die Information dann auch nur lückenhaft."
Erst wenn die Parteien ihren Forderungen nach einem runden Tisch mit Politikern und Experten und mehr Haushaltsmitteln nachkommen, wollen Gloria und ihre Mitstreiterinnen ihren Hungerstreik beenden.
Die spanische Regierung gibt schon seit 2003 eine jährliche Statistik zum Thema heraus. Zum Vergleich: In Deutschland hat das Bundeskriminalamt erst letztes Jahr erstmals offizielle Zahlen vorgelegt. Daraus geht hervor: Von einer Millionen Frauen werden in Deutschland acht durch ihre Partner getötet, in Spanien sind es zweieinhalb. Marisa Soleto vom spanischen Verband "Stiftung Frau" meint deshalb:
"Als unser Parlament das Gesetz gegen Gewalt gegen Frauen verabschiedete, sah es so aus, dies wäre ein spanisches Problem. Das auf den spanischen Macho zu reduzieren, verharmlost aber die Situation. Werden bestimmte Straftaten genauer untersucht, entsteht immer der Eindruck, dass sie zunehmen. An der deutschen Statistik sehen wir nun: Dort, wo es kein spezifisches Gesetz gibt, sind es sogar noch mehr Fälle."
Frauen besser schützen
Das spanische Gesetz zum Schutz der Frauen war lange Zeit umstritten. Es behandele Frauen bevorzugt, war die Kritik, doch das Verfassungsgericht wies eine Klage dagegen ab. Jetzt wäre es an der Zeit für europaweite Maßnahmen, meint Frauenrechtlerin Marisa Soleto:
"Schon 1995 beschloss die Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Peking, die Staaten sollten die Frauen besser schützen. 2011 beschloss der Europarat in Istanbul ein Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Dennoch haben wir gegenwärtig in Europa sehr unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen. In manchen osteuropäischen Staaten ist die Vergewaltigung in der Ehe immer noch keine Straftat."
Auf der Puerta del Sol in Madrid rütteln unterdessen die Demonstranten weiter am Gewissen von Gesellschaft und Politikern. Dana ist 22 Jahre alt und weiß: Die Gewalt hat Vorboten und fängt nicht mit der ersten Ohrfeige an. Sie ist entschlossen: Niemals soll ein Mann die Kontrolle über ihr Leben bekommen:
"Das passiert ja auch unter jungen Leuten. Jugendliche Männer beleidigen und schlagen ihre Freundinnen oder setzen sie psychisch unter Druck. Sie fragen, warum sie sich wie kleiden, wollen wissen, wo sie mit wem waren, kontrollieren ihre Handys und die Kurznachrichten darauf. Wir brauchen einen radikalen Wandel, sonst ändert sich auch bei den Jugendlichen nichts."