Um sieben Uhr morgens klopfte es an der Tür zum Hotelzimmer von Doğan Akhanlı in Granada. Der deutsche Schriftsteller ging müde zur Tür und sah plötzlich schwer bewaffnete Polizisten einer Antiterroreinheit vor sich. Erst habe er an eine routinemäßige Personenüberprüfung wegen der Anschläge von Barcelona gedacht, erzählt er einen Tag nach seiner Freilassung im Büro seines spanischen Rechtsanwalts in Madrid:
"Ich war schockiert, als ich die Polizei vor mir gesehen habe. Dass sie mit der Absicht dorthin gekommen sind, mich im Hotelzimmer festzunehmen. Normalerweise, bei ähnlichen Fällen, passiert das entweder an der Grenze oder am Flughafen. Das sieht immer so aus wie eine normale Kontrolle."
Festnahmen in Spanien leichter als in anderen EU-Ländern?
Offenbar beobachteten die türkischen Behörden den seit 1991 in Deutschland lebenden Schriftsteller ganz gezielt und sahen in seinem Spanienurlaub eine gute Gelegenheit für einen Haftantrag. Für den Autor und seine Anwälte ein Zeichen, dass die türkischen Behörden Spanien scheinbar für ein Land halten, in dem solche Festnahmen leichter zu erwirken sind. Akhanlı war vom Gegenteil ausgegangen: Dass seine Festnahme unmöglich ist - er ist ja längst deutscher Staatsbürger und damit Bürger der Europäischen Union, der ja auch Spanien angehört:
"Das ist für mich eine erschreckende Erfahrung, weil ich gedacht habe, dass ich in europäischen Ländern in Sicherheit bin. Das habe ich nicht gedacht, dass die Spanier mich an die Türkei ausliefern dürfen, obwohl ich Deutscher bin."
Denn Akhanlı ist zwar auf freiem Fuß, das Verfahren kann sich aber monatelang hinziehen. 40 Tage hat die Türkei nach seiner Festnahme Zeit, seine Auslieferung zu beantragen, im Anschluss kann die spanische Regierung das Verfahren abbrechen oder weiterlaufen lassen. Dann würde es zum Gerichtsverfahren kommen:
"Ich hoffe, dass die spanischen Behörden und der Richter die heutige politische Realität in der Türkei sehen. Dass die Türkei kein Land wie vor sieben oder acht Jahren ist, ein Land, das versucht, sich zu reformieren und zu demokratisieren.
Türkischstämmiger Journalist aus Schweden festgenommen
Sein spanischer Rechtsanwalt berichtet unterdessen von Präzedenzurteilen des Europäischen Gerichtshofs. Ein EU-Land dürfe einen Staatsbürger eines zweiten EU-Lands nicht ohne vorherige Konsultationen einfach an ein Drittland ausweisen, erklärt der Anwalt. Doch diese Frage wird wohl erst in der Verhandlung zur Auslieferung geklärt werden, also frühestens in sieben Wochen.
Dass Akhanlı die Zeit in Freiheit verbringen darf, ist auch das Verdienst der spanischen Plattform zur Verteidigung der Meinungsfreiheit. Die hatte ein Dossier zum Thema Meinungsfreiheit in der Türkei vorbereitet, das seine Anwälte dem Ermittlungsrichter vorlegten, der daraufhin Akhanlıs Freilassung unter Auflagen entschied. Dabei war das Dossier nicht für Akhanlı, sondern für den nächsten Haftprüfungstermin von Hamza Yalçin gedacht, erklärt Yolanda Quitana, Sprecherin der Plattform zur Verteidigung der Meinungsfreiheit:
"Das ist ein Autor aus der Türkei, der seit 20 Jahren in Schweden lebt. Eine kritische Stimme gegenüber Erdogan, insbesondere seit dem Staatsstreich und den Säuberungsaktionen in der Türkei. Während seines Spanienurlaubs wurde er Anfang August auf dem Flughafen von Barcelona festgenommen. Seither ist er in U-Haft. Es ist die gleiche Situation: Während er in Spanien war, erließ die Türkei einen internationalen Haftantrag und Spanien vollzog diesen Antrag automatisch. Unsere Regierung sagt nichts dazu, warum das nur in Spanien passiert - und in keinem anderen Land der Europäischen Union."
Spanien kein sicheres Land für Türkei-Kritiker?
Der Schwede ist im Gegensatz zu Akhanlı allerdings immer noch in Haft. Die Anwälte glauben nicht, dass die beiden Autoren am Ende ausgeliefert werden, aber bis dahin ist noch ein langer Weg. Wie die Verfahren auch ausgehen, Kritiker des türkischen Staatspräsidenten, die in anderen EU-Staaten Zuflucht gefunden haben, sollten Spanien besser meiden, sagt die Aktivistin:
"Es ist für uns Spanier, die wir Menschenrechte und Meinungsfreiheit verteidigen, beschämend. Spanien bietet keinen Schutz vor Verfolgung. Und unsere Regierung unternimmt nichts, daran etwas zu ändern."