Christoph Heinemann: Beide Seiten schenken sich nichts. Migranten haben Cottbuser Bürger mit Messern angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Einheimische haben Migranten angegriffen, teilweise in Flüchtlingsunterkünften, und diesen ebenfalls schwere Verwundungen zugefügt. – Seit Wochen gibt es Unruhen in der Stadt im Südosten Brandenburgs. Die Landesregierung hat angekündigt, dass Cottbus keine weiteren Migranten zugewiesen werden. Die Regierung will die Polizeipräsenz in der Stadt verstärken und bis zu 40 zusätzliche Stellen für Sozialarbeiter schaffen.
Der Anteil von Ausländern an der Bevölkerung ist in den vergangenen vier Jahren von 2,5 auf 8,5 Prozent gestiegen. Das ist im Bundesdurchschnitt nicht viel, aber deutlich über dem Landesdurchschnitt. Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) fordert von der rot-roten Landesregierung eine Wohnsitzauflage für Migranten. Er berichtete dem Innenausschuss des Landtages, dass einzelne Migrantenfamilien Angestellte der Stadtverwaltung nur noch respektieren würden, wenn diese mit Uniformen erschienen. Frauen würden generell nicht respektiert. Das bezieht sich auf einige Migrantenfamilien, wohl gesagt.
Gleichzeitig gibt es in Cottbus eine gewaltbereite Neonazi-Szene. Bei der Bundestagswahl hatte die AfD in dem Niederlausitzer Wahlkreis die meisten Zweitstimmen erhalten.
Wir wollen über die Lage in Cottbus sprechen. Am Telefon ist Andreas Kalbitz, der AfD-Landesvorsitzende in Brandenburg. Guten Morgen!
Andreas Kalbitz: Guten Morgen!
Heinemann: Herr Kalbitz, wie würden Sie die Lage in Cottbus befrieden?
Kalbitz: Die Lage ist im Moment angespannt. Auf jeden Fall muss die Situation erst mal geregelt werden – dahingehend, bevor man die Ursachen angeht, dass man in einer Momentaufnahme wieder Sicherheit schafft. Das bedeutet, diese neuen Polizeibeamten, die die Landesregierung da jetzt hinschickt, die werden die Situation höchstens etwas befrieden können. Eine Lösung ist das natürlich nicht, und da gilt es, die Ursachen anzugehen, sowohl was die Verteilung von Flüchtlingen angeht. Aber hier zahlt sich ein Problem negativ aus, das wir ja schon lange anprangern.
"Schwerpunkt Sozialarbeiter ist der falsche Ansatz"
Heinemann: Welche Ursachen würden Sie wie bekämpfen?
Kalbitz: Ich denke, als erstes geht es darum, die momentane Lage zu beruhigen. Ich glaube, es ist der falsche Ansatz, dass man hier den Schwerpunkt auf Sozialarbeiter setzt. Das bisherige Konzept hat ja bisher nicht funktioniert. Natürlich ist Sozialarbeit da ein wichtiges Element. Es muss konsequent klargemacht werden, dass Straftaten nicht akzeptiert werden, mit der vollen Härte des Rechtsstaates. Ich glaube, das hat auch eine abschreckende Wirkung, die dazu beiträgt. Die Lösung, die jetzt avisiert, nämlich kriminelle Jugendliche, auch den jüngsten Messerstecher einfach in einen anderen Landkreis zu verlegen, ist keine Lösung, wenn man die Messerstecher übers Land verteilt. Diese Sicherheit muss wieder hergestellt werden. Abschreckung! Und es muss ganz klargemacht werden, das gilt auch generell für die Politik, wer hier als Flüchtling kriminell wird, der muss abgeschoben werden.
Heinemann: Was gilt denn für Einheimische, die kriminell werden?
Kalbitz: Die werden natürlich auch mit der vollen Härte des Rechtsstaates verfolgt. Es ist ja nicht zu pauschalieren. Es ist ja auch nicht so, dass alle Flüchtlinge da kriminell sind. Ich warne auch vor diesen Pauschalierungen. Aber es ist doch eine auffällige Häufung, die sich da in einer dramatischen Art und Weise in Cottbus ergeben hat. Das Sicherheitsgefühl der Menschen vor Ort ist verloren gegangen. Das zeigen ja auch eindrucksvoll die Berichte vor Ort.
Stagnation in der rot-roten Landesregierung
Heinemann: Halten wir fest: Der AfD-Landesvorsitzende von Brandenburg sagt ganz klar, alle Migranten sind keine Straftäter, das kann man so nicht sagen.
Kalbitz: Natürlich nicht! Das wäre eine völlig unzulässige Pauschalierung. Tatsächlich ist es aber so, dass die Rezepte bisher nicht geholfen haben. Das liegt natürlich auch an der Stagnation in der rot-roten Landesregierung. Der Oberbürgermeister von Cottbus hat ja bereits sehr früh um Hilfe gebeten, hat bereits sehr früh einen Zuzugsstopp gefordert. Die rot-rote Landesregierung hat das getan, was sie am besten kann, nämlich nichts. Und jetzt wird da das ausgebadet, was sie sich selber eingebrockt haben. Es wird geerntet, was die Landesregierung selber gesät hat durch ihre Untätigkeit in Cottbus.
Heinemann: Aber sie tut ja jetzt was. Sie erhöht die Polizeipräsenz und es sollen die Stellen für Sozialarbeiter geschaffen werden. – Muss Politik nicht möglichst immer den Ausgleich suchen und den Versuch unternehmen, dass Menschen miteinander leben können?
Kalbitz: Das sollte die Politik natürlich selbstverständlich grundsätzlich schon. Nur die Frage ist, was ist zumutbar und was ist verträglich. Und wenn wie in Cottbus partiell der Eindruck entsteht, dass rechtsfreie Räume sich entwickeln und sich ein Klima der Angst breit macht, dann ist die Regierung besonders gefordert, und das reicht eben nicht, wie es immer dann so unschön heißt, durch die Erhöhung des Sicherheitsempfindens. Nicht das Sicherheitsempfinden muss man erhöhen, sondern die Sicherheit selbst, und da stellt sich die Frage, wie erfolgreich das in Cottbus oder auch anderswo – es gibt ja andere Hotspots, die sich auch entwickeln – geschieht. Das hat sie eben nicht getan und der Ausgleich ist natürlich dann auch nur möglich, wenn man den Interessen der einheimischen Bevölkerung gerecht wird. Das wird ja auch als politischer Schwerpunkt generell immer mehr vernachlässigt aus unserer Sicht.
Heinemann: Herr Kalbitz, wer verursacht dieses Klima der Angst?
Kalbitz: Ich denke, dieses Klima der Angst ist in der jüngsten Zeit ganz klar verursacht worden durch junge, besonders syrische, in Cottbus syrische Flüchtlinge, weil dieses Angstklima war vorher ja so nicht …
Heinemann: Hallo! – Herr Kalbitz! – Da ist die Leitung zusammengebrochen. Wir versuchen, sie wiederherzustellen.
So, wir sind wieder zusammen. Wir waren bei der Frage, wer verursacht das Klima der Angst, von dem Sie gesprochen haben.
Kalbitz: Das Klima der Angst der jüngsten Zeit ist sicher verursacht worden durch die Serie – das sind ja keine Einzelfälle -, durch diese Serie von Gewalttaten junger syrischer Flüchtlinge. Aber eins ist ganz klar, auch für uns als AfD: Gewalt ist generell völlig unakzeptabel, egal von welcher Seite sie kommt. Und natürlich wollen wir auch verhindern, dass es jetzt zu einer Gewaltspirale kommt. Deshalb muss die Politik da entschlossen handeln.
"Verfassungsschutz in Brandenburg pfeift aus dem letzten Loch"
Heinemann: Das heißt, Gewalt ist genauso inakzeptabel, wenn zum Beispiel Einheimische Flüchtlinge überfallen, in Flüchtlingsunterkünften Flüchtlinge zusammenschlagen?
Kalbitz: Das ist selbstverständlich. Wir wenden uns gegen jede Form von Gewalt. Das ist überhaupt keine Frage. Und es ist ja auch auf den Demonstrationen, die es gab, zu unschönen Szenen mit Journalisten gekommen. Das ist unakzeptabel. Gewalt ist generell, kann keine Form der Politik sein und darf auch kein Ausdruck des Frustes einzelner sein. Da muss die Politik entschlossen dagegen eintreten und das tun wir auch.
Heinemann: Herr Kalbitz, der Verein Opferhilfe kritisiert, dass die militante Neonazi-Szene in Cottbus die durchaus vorhandene Zivilgesellschaft durch pure Gewaltandrohung zum Schweigen bringe. Wie sollte man mit diesen Neonazis umgehen?
Kalbitz: Für uns ist ganz klar, jede Form von politischem Extremismus muss bekämpft werden. Und es war übrigens die AfD, die in Brandenburg einen Antrag eingebracht hat, die Verfassungsschutzstellen zu erhöhen. Auch der Verfassungsschutz in Brandenburg pfeift ja aus dem letzten Loch, der für die Extremismusbekämpfung zuständig ist. Auch hier hat Rot-Rot versagt. Der Verfassungsschutz wurde genauso wie die Polizei kaputt gespart. Wir denken an die Polizeistrukturreform, die jetzt mühselig rückabgewickelt wird, weil man hier eine Schneise geschlagen hat, die auch zur Unsicherheit in generellem Sinne und auch bei der Bekämpfung des politischen Extremismus beiträgt.
"Das Problem mit Neonazis war ja mal weit größer"
Heinemann: Welchen Umgang mit Neonazis fordern Sie?
Kalbitz: Es gibt ja immer zwei Ansätze. Der eine Ansatz ist ganz klar: Straftaten jedweder Form dürfen nicht geduldet werden und müssen mit der vollen Härte des Rechtsstaates verfolgt werden. Und das andere ist ein Ansatz, der natürlich auf Bildung hinausläuft, auf Prävention, auf Gespräche. Ich denke, dass das auch in Brandenburg schon gut funktioniert hat. In Südbrandenburg war das Problem mit Neonazis ja mal weit größer. Trotzdem muss hier durch Prävention natürlich, aber auch durch konsequente Verfolgung von Straftaten ein Zeichen gesetzt werden, dass das in unserer Gesellschaft nicht akzeptabel ist.
Heinemann: Konsequentes Vorgehen auch gegen Straftaten von Neonazis?
Kalbitz: Selbstverständlich! Das steht völlig außer Frage.
Heinemann: … sagt Andreas Kalbitz, der AfD-Landesvorsitzende in Brandenburg. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Kalbitz: Vielen Dank! – Auf Wiederhören!
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