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SPD-Europaparlamentarier
Krim-Abspaltung lässt sich nicht ändern

Der SPD-Europaparlamentarier Knut Fleckenstein ist überzeugt, dass sich die EU vom Gedanken verabschieden müsse, den Anschluss der Krim an Russland wieder rückgängig machen zu können. "Je schneller, um so besser, weil es wird eine Umkehrung nicht geben", sagte er im DLF. Allerdings: Eine Anerkennung der Annexion der Krim werde Russland vonseiten der EU nicht erfahren.

Knut Fleckenstein im Gespräch mit Mario Dobovisek | 22.03.2014
    Porträt des EU-Parlamentariers Knut Fleckenstein
    Der SPD-Europaparlamentarier Knut Fleckenstein (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Jürgen Liminski: Gestern abend haben also die 57 Staaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa der OSZE beschlossen eine Beobachtermission in die Ukraine zu endsenden und Russland hat dem zugestimmt. Mein Kollege Mario Dobovisek hat darüber mit Knut Fleckenstein, dem Russland-Experten der Sozialdemokraten im Europaparlament. Und seine erste Frage war: Ist das ein erstes Signal der Annäherung?
    Knut Fleckenstein: Das hoffe ich sehr. Weil, bisher ist es ja daran gescheitert, dass Russland nicht einverstanden war. Und ich deute es zumindest als ein Zeichen, dass die russische Regierung zumindest darüber nachdenkt, wie sie wieder in den internationalen Kreis der Handelnden hineinkommen kann.
    Mario Dobovisek: Was können OSZE-Beobachter bewirken?
    Fleckenstein: Sie können bewirken zum einen, ein objektiveres Bild zu zeichnen über die Lage im Land, sie können dazu beitragen, dass die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen beispielsweise auch in der Vergangenheit, in der jüngsten, aktiv aufgeklärt werden. Und sie können auch sehen, was wirklich an der Grenze zur Krim, zu dem Gebiet, passiert und wie die Lage ist. Weil, bisher ist doch sehr viel Propaganda im Spiel.
    Dobovisek: An der Grenze zur Krim, sagen Sie, allerdings nicht auf der Krim. Das hat ja auch Sergej Lawrow, der russische Außenminister, deutlich gemacht. Er hat eine Beobachtermission der OSZE für möglich gehalten, allerdings einen Einsatz auf der Krim ausgeschlossen. Was bedeutet das?
    Fleckenstein: Das bedeutet, dass die Russen eben davon ausgehen, dass die Krim russisches Staatsgebiet ist und dass es dort keinen Bedarf an OSZE gibt. Das halte ich natürlich für sehr bedenklich, weil auch auf der Krim ja durchaus wieder Minderheiten leben, die gar nicht so glücklich sind über das, was dort jetzt geschehen ist.
    Fleckenstein: Umkehr beim Anschluss der Krim an Russland wird es nicht geben
    Dobovisek: Sergej Lawrow spricht von einer Wiedervereinigung mit der Krim und betont auch, diese sei unumkehrbar. Muss sich die EU vom Gedanken verabschieden, den Anschluss der Krim an Russland wieder rückgängig machen zu können?
    Fleckenstein: Ja. Und je schneller, desto besser, denn es wird eine Umkehrung nicht geben, das wissen wir.
    Dobovisek: Das bedeutet für zum Beispiel die Sanktionen, die verabschiedet worden sind?
    Fleckenstein: Oh, das widerspricht sich nicht. Weil erstens wir schon deutlich machen müssen, dass auf diesem Wege der militärischen Intervention und auch der völkerrechtswidrigen Abstimmungen so etwas im 21. Jahrhundert nicht vorkommen sollte.
    Dobovisek: In welche Richtung müsste sich denn Russland überhaupt noch bewegen, um aus Sanktionen wieder rauszukommen?
    Fleckenstein: Sie müssten sich sehr aktiv einbringen wieder in die Diplomatie. Herr Putin hat ja am letzten Montag deutlich gemacht, dass er auch noch Wünsche hat, nämlich zum Beispiel bezogen auf die Minderheitenrechte und Freiheiten der Russen in der Ost- und Südostukraine. Und dann muss er, wenn er das ernst meint, auch wieder an den Verhandlungstisch zurückkommen, auch mit der ukrainischen Regierung reden, ob er sie nun anerkennt oder nicht.
    Fleckenstein: Keine Anerkennung für Abspaltung der Krim
    Dobovisek: Sie sagen also, Herr Fleckenstein, dass Europa die Abspaltung der Krim so schnell wie möglich anerkennen müsse. Sehen das alle in Europa genauso wie Sie?
    Fleckenstein: Nein, sicherlich nicht. Ich spreche auch nicht von einer Anerkennung, anerkennen werden wir das nicht. Aber wir müssen schon, glaube ich, realistisch sehen, dass die Fakten dafür sprechen, dass Russland in diesem Punkt nicht einsichtig sein wird.
    Es macht auch keinen Sinn so zu tun, als ob sich da noch etwas ändern könnte.
    Dobovisek: Das heißt, Sie werden das auf Lebzeit sozusagen nicht anerkennen können, aber mit diesem Fakt leben müssen, denn das ist ja das, was wir gerade oder mit wem wir gerade konfrontiert werden?
    Fleckenstein: Ja, das ist so. Und unsere Aufgabe ist es jetzt, Russland dazu zu bewegen, als einen ersten Schritt mit dafür zu sorgen, dass es nicht zu weiteren Abspaltungen kommt und auch gar nicht erst versucht wird, sondern dass aktiv versucht wird, in einer Ukraine auch für russische Minderheiten ein Zuhause zu haben. Und dazu gehört Diplomatie. Ob eines Tages dann auch eine Lösung gefunden wird für die Krim, die sowohl die Ukraine als auch Russland befriedigt, das kann ich heute nicht sagen. Aber so ärgerlich das ist: Es macht auch keinen Sinn so zu tun, als ob sich da noch etwas ändern könnte.
    Dobovisek: Nun wurde ein solcher Vertrag, zumindest ein Teil des Vertrages in Brüssel unterzeichnet zwischen den Staats- und Regierungschefs der EU und der Ukraine, einen Pakt nennen das die Staats- und Regierungschefs. Wäre es im Sinne der Deeskalation vielleicht weise gewesen, damit noch zu warten?
    Fleckenstein: Also, ja … Ich gehöre auch zu denen, die lieber so etwas unterschrieben hätten mit einer Regierung, die aus freien Wahlen und einem neuen Parlament herausgekommen wäre. Aber auf der anderen Seite, es geht um den politischen Teil, der ja eine engere Zusammenarbeit begründen soll. Der ist auch wiederum wichtig, weil es uns die Möglichkeit gibt, der ukrainischen Regierung mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn es um eine Verfassungsreform geht, wenn es um Minderheitenschutz geht, wenn es um Untersuchungen der Menschenrechtsverletzungen, der Gewaltakte geht und auch und gerade es um die Bekämpfung von Extremismus geht. Also, ich glaube, es ist pragmatisch richtig gewesen, das jetzt zu tun, formal wäre es mir lieber gewesen, man hätte es noch etwas gewartet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.