Bauch-Beine-Po-Kurs in einem Kölner Fitness-Studio. Zum Aufwärmen wird Zumba getanzt. Bevor es richtig losgeht, zeigt und erklärt die Fitness-Trainerin den Kursteilnehmerinnen noch einmal Schrittfolgen und Armbewegungen. Und dann tanzen die Frauen vor der großen Spiegelwand, was sie eben noch mal trocken geübt haben. Auch Saskia. Sie ist fast blind. Kann nur bis auf etwa einen Meter Entfernung sehen. Trotzdem kommt sie gut mit. Auch dank ihrer Trainerin Angela.
"Sie sagt sehr, sehr gut an, was halt auch wahnsinnig wichtig für mich ist. Dass sie sagt, wie muss ich die Handflächen machen, sie hat Bilder von Bewegungen. Darüber klappt das und der andere Trick ist, ich stelle halt immer eine Kursteilnehmerin vor mich, bei der ich dann auch immer noch ein bisschen näher abgucken kann."
Sport von Behinderten mit Nichtbehinderten. In dem Kölner Fitness-Studio ist Inklusion die normalste Sache der Welt. Andernorts noch immer ein Fremdwort. Von den gut 8.000 Fitnessstudios in Deutschland hat sich bislang nur ein Bruchteil der Inklusion verschrieben. Thomas Abel, an der Deutschen Sporthochschule Köln Professor für paralympischen Sport, wünscht sich von Trainern und Übungsleitern eine andere Einstellung:
"Dass wir eine Haltung generieren, also ich habe überhaupt keine Angst davor, die sollen zu uns kommen. Dann gucken wir uns das an und sagen vielleicht auch hier und da, das können wir noch nicht. Aber vieles können wir dann auch, weil wir merken werden, ach das ist ja gar nicht so kompliziert."
Klar. Es gibt auch Grenzen. Für die fast blinde Saskia zum Beispiel kommt Zirkeltraining mit schnell wechselnden Aufgaben an unterschiedlichen Geräten nicht in Frage, weil sie zu lange braucht, um sich auf ein neues Gerät einzustellen. Walking-Kurse draußen – keine Chance. Die Gefahr über eine Bodenwelle oder einen freilaufenden Hund zu stolpern ist zu groß. Selbst beim Zumba ist sie bei neuen Schrittfolgen schon mal frustriert.
"Wenn es was ganz Kompliziertes ist, muss ich nach der Stunde hingehen und fragen, kannst du mir das noch mal zeigen."
Dazu müssen die Trainer natürlich erst mal bereit sein! Und sie brauchen die Hilfe des Menschen mit Behinderung. Für Saskias Trainerin Angela Brück ist dieses Zusammenspiel das A und O.
"Ja, dass er ein Feedback gibt, dass er sagt, was angekommen ist und wie das angekommen ist und welchen Nutzen er daraus ziehen konnte. Der Übungsleiter weiß dann, wie er es das nächste Mal einfach anders und besser macht."
Optimal fände es Thomas Abel von der Deutschen Sporthochschule, wenn das Thema Inklusion schon automatisch zur Ausbildung von Trainern und Übungseitern gehören würde, um immer eine hohe fachliche Qualifikation zu gewährleisten. Andererseits...
"...denke ich auch, wir sollten jetzt nicht warten, bis wir alle Lehrerinnen und Lehrer und alle Übungsleiterinnen und Übungsleiter ausgebildet haben, so dass sie die Experten sind, und die Fachleute um das zu machen. Sondern wir müssen manchmal auch einfach Mut haben zu sagen, ich probiere mal was aus, ohne jetzt gefährdend zu sein. Aber ich probiere was aus und erkenne dann, das kann ich schon ganz gut, und hier hab ich noch Defizite. Und dann bearbeite ich die halt, also geh zu Fortbildungsmaßnahmen. Aber nicht immer sagen, wir müssen erst die Räume barrierefrei haben, dann müssen wir alle Trainer ausbilden, dass die optimal sind mit irgendeiner Zertifizierung. Und dann dürfen wir irgendwann den ersten Kontakt mit Menschen mit Behinderung haben. Weil, das dauert zu lange und das ist auch nicht zielführend."
Inklusiver Sport - immer wieder fällt in diesem Zusammenhang das Wort "Mut". Den brauchen nicht nur die Übungsleiter, sondern auch die Menschen mit Behinderung, wie die fast blinde Saskia aus Köln:
"Man muss sehr offen mit seiner Behinderung umgehen, und sagen, so da und da brauche ich Unterstützung, dass und das kann ich, da und da musst du mir helfen. Man muss über seinen Schatten springen und sagen, okay ich hab da halt ein Problem und da brauch ich halt Unterstützung. Wenn man das macht und sich traut, und man findet halt den passenden Trainer dazu, dann dürfte es halt kein Problem sein."
Den passenden Trainer, das richtige Fitness-Studio finden. Das nächste Problem. Saskia hat dafür lange gebraucht. Thomas Abel überrascht das nicht.
"Ich, als jemand an einer Hochschule arbeitend, kriege häufig Anfragen, dass Leute nicht wissen, wo sie denn ein Sportangebot wahrnehmen können, und dann denk ich, da läuft noch einiges schief, wenn die zu mir kommen. Also wir würden, in meiner Wahrnehmung, sicher eine Informationsebene brauchen, wie so eine Plattform um eine Ferienwohnung auszusuchen, um eben zu sagen, okay da kann ich meine Wünsche eintragen, oder meine Angebote. Und die werden auch bewertet von der Community. Dann regelt sich das auch von selber, dass ich sehe, das Angebot ist gut für mich oder nicht. Und das muss möglich sein."
Inklusion im Sport bedeutet nicht zuletzt: Finanzieller Mehraufwand. Barrieren jeglicher Art müssten beseitigt werden. Das kostet Geld. Auch die kommerziellen Sportanbieter. Die könnten aber auf der anderen Seite eine nicht gerade kleine Zielgruppe für sich gewinnen. Denn immerhin leben in Deutschland mehr als zehn Millionen Menschen mit einer eingetragenen Behinderung.