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Sport mit Behinderten in Schulen
"Mehr in Möglichkeiten denken als in Grenzen"

In Rio laufen noch bis Sonntag die Paralympics. Rund 4.300 Sportler nehmen an den Weltspielen des Behindertensports teil. Sie verkörpern die Spitze ihrer Bewegung, aber wie sieht es an der Basis aus? Sind etwa angehende Lehrer vorbereitet auf den gemeinsamen Sportunterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern und Jugendlichen?

Von Ronny Blaschke |
    Zwei schwedische Goalball-Spieler auf dem Feld in Aktion.
    Goalball - ein Wurfspiel für blinde und sehbehinderte Menschen - ist eine Disziplin bei den Paralympics. Das Spiel könnte auch in Schulen eingeführt werden. (dpa/picture alliance/Sputnik/Iliya Pitalev)
    Eine Schwimmhalle auf dem Gelände der Sporthochschule Köln. Der Dozent Thomas Abel spricht mit seinen Studierenden über die Herausforderungen mit einer Behinderung. 6.000 Studierende sind hier eingeschrieben, 2.000 im Lehramt. Jeder fünfte Sportlehrer von morgen erhält seine Grundausbildung in Köln. Die Eignungstests gelten als anspruchsvoll, trotzdem gibt es zunehmend Bewerber, die selbst eine Behinderung haben. Thomas Abel:
    "Ich empfinde das als eine große Bereicherung, weil wir gerade im Lehramtsbereich immer schon exemplarisch Dinge denken können, ausprobieren können, erleben können, die wir im schulischen Alltag dann demnächst auch haben. Im Prinzip tun sich die Hochschulen selber einen Gefallen, wenn sie im Lehramtsbereich deutlich mehr Studierende mit Behinderung auch an die Hochschule locken, das bewerben. Weil man dann, glaube ich, immer schon Dinge lernen kann, die wir im Berufsfeld explizit brauchen."
    Für Querschnittsgelähmte kommt Lehrerberuf eher nicht infrage
    Thomas Abel firmiert in Köln als Professor für paralympischen Sport, ein Leitbegriff seiner Arbeit: Inklusion, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Für die Eignungstests stellt er Studienbewerbern mit Behinderung eine Begleitperson zur Seite. Sie beobachtet, wenn die Bewerber zum Beispiel in den Schwimm-Prüfungen langsamer sind, weil sie ihre Beine nicht bewegen können. Studierende mit Querschnittslähmung etwa können im Sportumfeld später Publizisten oder Ökonomen werden, aber der Lehrerberuf komme eher nicht infrage. Es gibt jedoch Ausnahmen, sagt Thomas Abel.
    "Also in Hamburg gibt’s jemanden, der Lehrer ist und querschnittsgelähmt ist, der ist allerdings im Beruf dann später erst verunfallt. Da ist es dann so, dass im Schwimmen da noch zusätzlich jemand mit dazu kommen muss, der eben die DLRG-Ausbildung entsprechend hat, sodass die Rettungsfähigkeit dort gegeben ist. Aber man muss aufpassen, dass man nicht sagt: Alles super, wir legen mit allen direkt los. Und dann berät man einen jungen Zwanzigjährigen, dass er einen Lehrgangsstudiengang abschließt und nach zehn Semestern ist der dann fertig. Und merkt dann plötzlich, dass Bezirksregierungen ihn überhaupt nicht einstellen. Oder dass sie das nicht akzeptieren würden. Das wäre problematisch, das wäre auch fahrlässig, das muss man mit bedenken. Ich würde aber dabei mehr in Möglichkeiten denken, als in Grenzen."
    Die Sporthochschule Köln gilt als fortschrittlich, vollständig barrierefrei ist auch sie nicht. Die Hochschule veranstaltet alle zwei Jahre eine Aktionswoche zu diesem Thema, die nächste im Oktober. Dort werden auch Teamsportarten vorgestellt, in denen behinderte und nicht behinderte Menschen unkompliziert zusammenspielen können.
    "Lehrer müssten fortgebildet werden"
    Eine der beliebtesten inklusiven Sportarten ist Goalball, ein Wurfspiel für blinde und sehbehinderte Menschen. In der Bundesliga darf zudem ein nicht behinderter Spieler aufs Feld. Allerdings müssen alle Spieler lichtundurchsichtige Brillen tragen. Tobias Vestweber ist Videoanalyst des deutschen Goalballnationalteams in Rio. Mit 16 hatte er sein Augenlicht verloren, durch einen Schaden an der Netzhaut, doch die Sehkraft kehrte zurück. Der Lehramtsstudent setzt sich in seinem Marburger Verein für die Stärkung inklusiver Sportarten ein, aber er sieht auch Probleme:
    "Die meisten kennen Goalball nicht, haben keine Vorstellung davon. Wenn es zum Beispiel an Schulen unterrichtet werden soll, müssten die Lehrerinnen und Lehrer fortgebildet werden. Es müssten allgemein Lehrgänge zur Verfügung stehen. Die aktuellen Strukturen sind so, dass es eigentlich nur in den Vereinen angeboten wird, wo dann auch qualifizierte Trainer da sind, die das dann anbieten können, die auch das Material haben, spezielle Bälle, spezielle Tore."
    Tobias Vestweber hofft, dass die deutschen Goalballer mit einer Medaille aus Rio zurückkehren werden. Diese Aufmerksamkeit würde ihm Argumente liefern, auch beim Thema inklusive Bildung durch Sport.