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SSW: Teil der politischen Landschaft im Norden

Im Flensborg Hus am Flensburger Hafen ist dänisches Kulturzentrum und Sitz des SSW, der Partei der dänischen und friesischen Minderheit. Zur dänischen Minderheit zu gehören – das ist nicht unbedingt eine Frage der Abstammung, eher eine Frage des Lebensgefühls.

Von Dietrich Mohaupt |
    Es wird dänisch gesprochen im Flensborg Hus – das altehrwürdige Backsteinhaus aus dem 18. Jahrhundert direkt am Flensburger Hafen ist dänisches Kulturzentrum und – Sitz des SSW, der Partei der dänischen und friesischen Minderheit. Hier treffen sich auch regelmäßig die Mitglieder der Landtagsfraktion – wenn sie nicht gerade in Kiel im Landtag sind.

    Sie ist das Gesicht, die Stimme des SSW, die "dänische Dame" wird sie genannt - Anke Spoorendonk, Historikerin und ehemalige Lehrerin aus der kleinen Gemeinde Harrislee bei Flensburg, ganz im Norden Schleswig-Holsteins. Eifrig blättert die 64-Jährige in ihrem Kalender – es geht um die anstehenden Gespräche mit der SPD – und vielleicht später mit den Grünen.

    "Gut" mit diesem Wörtchen ist Anke Spoorendonk ganz plötzlich wieder im Deutschen angekommen – typisch für die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein. Es wird munter durcheinander mal dänisch, mal deutsch oder auch plattdeutsch gesprochen. Schließlich sind wir ja auch deutsche Staatsbürger, betont die Vollblutpolitikerin, und der SSW ist eine politische Partei, die ganz fest im System der Bundesrepublik Deutschland verankert ist.

    "Der SSW macht Politik für die Minderheit, aber auch für die Region und für das ganze Land. Wir müssen uns natürlich mit allen gesellschaftlichen Fragen beschäftigen, Arbeitslosigkeit trifft auch die Minderheiten, soziale Probleme allemal, Umweltprobleme auch – Minderheitenpolitik ist nicht Lobbying, sondern ist Gesellschaftspolitik."

    Darauf legen alle SSW-Vertreter ganz großen Wert: Die Partei ist Teil der politischen Landschaft im Norden, schon seit 60 Jahren. Und sie setzt sich nicht einfach nur für die Rechte der dänischen und friesischen, sondern für die aller Minderheiten ein. Irgendwie steckt ein klein bisschen Robin Hood in jedem SSW-Abgeordneten. Lars Harms zum Beispiel aus Husum ist ein waschechter Nordfriese – und Kämpfer für die Rechte von Minderheiten auch in anderen Teilen der Welt.

    "Wir haben in Schleswig-Holstein eine weitere Minderheit, die der Sinti und Roma, die keine eigene politische Vertretung haben, es gibt dann noch die Sorben in der Lausitz, die auf Deutschlandebene mit uns zusammenarbeiten – wir sind aber auch als SSW Mitglied in der Europäischen Freien Allianz, das ist eine Vertretung von Regional- und Minderheitenparteien, die auch Sitze im Europaparlament haben. Also, wir sind da auch europäisch vernetzt."

    In Europa zu Hause – aber in Schleswig-Holstein verankert. Vom Flensborg Hus sind es nur ein paar Schritte zu Fuß zum Flensburger Museumshafen – und von dort nur ein paar Kilometer bis zum Nordufer der Förde – nach Dänemark. Überall in dieser Gegend spielt der SSW eine unübersehbare Rolle – vor knapp zwei Jahren konnte sich sogar ein SSW-Kandidat bei der Bürgermeisterwahl in Flensburg durchsetzen.

    "Wir sind sehr stark verankert auch auf der kommunalen Ebene, wir haben in allen Kreistagen in unserer Region natürlich Vertreter, wir haben in den vielen Kommunen eben entsprechende Vertreter, als wir sind richtig bodenständig hier beheimatet – das mag sich für andere Ohren in Deutschland erst einmal merkwürdig anhören, aber Schleswig-Holstein tickt ein bisschen anders – auch dank des SSW."

    Zur dänischen Minderheit zu gehören – das ist hier nicht unbedingt eine Frage der Abstammung, eher eine Frage des Lebensgefühls.

    "Das Bekenntnis zum dänischen Volkstum ist frei und darf von keiner Behörde bestritten oder nachgeprüft werden","

    heißt es im deutschen Teil der 1955 verabschiedeten Bonn-Kopenhagener Erklärung. Sie gilt als eine Art Grundgesetz für die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein und die deutsche Minderheit nördlich der Grenze. Auf ihrer Basis hat der SSW sich von seinen Anfängen als reine Minderheitenpartei zu einer selbstbewussten schleswig-holsteinischen Partei entwickelt, die inzwischen auch nach der Regierungsverantwortung strebt. Drei Abgeordnete stellt die Partei im neuen Landtag in Kiel – neben Anke Spoorendonk und Lars Harms auch Fleming Meyer – und der lässt keine Zweifel: Erst Sondierungsgespräche, dann Koalitionsverhandlungen – und dann sitzt der SSW mit am Kabinettstisch.

    ""Wenn wir reingehen zu solchen Verhandlungen, dann wollen wir gleichberechtigt dort sitzen – Anke sagt immer nicht am Katzentisch – sondern wir wollen auf Augenhöhe zusammen mit den anderen dort sitzen, und das heißt: Na klar möchten wir dann auch ein Ministerium haben."

    Welches und für wen, das lässt der Parteichef vorerst offen – und auch inhaltlich lässt er sich vor Beginn der Koalitionsverhandlungen nicht so gerne in die Karten schauen. Nur soviel: auf große Verkehrsprojekte, wie den Weiterbau der A 20 zum Beispiel samt Elbquerung westlich von Hamburg, will der SSW nicht verzichten. Das kann richtig Streit mit den Grünen geben, weiß auch Flemming Meyer, aber:

    "Zur A 20 haben wir ganz klar gesagt, und das steht auch in unserem Programm, dass wir die A 20 brauchen, wir brauchen auch die Elbüberquerung. Das ist wichtig für unsere Region, denn wenn wir diese Region wirklich weiterentwickeln wollen, dann brauchen wir auch eine vernünftige Infrastruktur – und mit dieser Position gehen wir in so eine Verhandlung rein."

    Gerade in Sachen Verkehrsinfrastruktur und Energiewende gibt es mit der SPD die meisten Übereinstimmungen, ähnlich wie bei der Frage nach größeren, finanziell leistungsfähigeren Kommunen und längerem gemeinschaftlichem Lernen – alles Themen, zu denen der SSW in den anstehenden Verhandlungen eigene Ideen auf den Tisch legen will. Es wird recht skandinavisch zugehen in den Gesprächsrunden, verspricht Lars Harms.

    "Wir orientieren uns ein bisschen natürlich auch an skandinavischen Vorbildern, das ist für Menschen hier in Deutschland ungewohnt. Und wenn wir dann mit diesen Ideen kommen, also mit größeren, schlagkräftigeren Kommunen, so wie wir das aus Dänemark kennen, wenn wir über eine Gemeinschaftsschule reden, dann sind wir von Skandinaviern eben inspiriert, und ich glaube, das macht uns aus."

    Da kommt also vermutlich eine ganze Menge Dänemark auf die Schleswig-Holsteiner zu – die Zeit scheint reif für diesen nächsten großen Schritt in der Entwicklung des deutsch-dänischen Zusammenlebens.