Eine gewaltige Kuppel spannt sich über eine runde Werkhalle in Berlin-Charlottenburg. Das Herzstück des Fraunhofer Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik. Unter den Stahlträgern reiht sich Maschine an Maschine. Alles dröhnt, zischt und jault.
Fraunhofer-Forscher haben schon einige Knüller auf den Markt gebracht: LED-Lichter, künstliches Knorpelgewebe, und - bislang der populärste Erfolg - das MP3-Format für Musikdateien.
Nun soll eine Fraunhofer-Maschine sogar Geschichte schreiben: Mit einer Art Puzzlegerät wollen Forscher Überbleibsel von rund 45 Millionen Seiten Stasi-Akten rekonstruieren. Akten, die Stasi-Leute nach dem Mauerfall vor 25 Jahren hektisch zerrissen haben und die heute im Archiv des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, kurz BStU, lagern.
"Das sind 450 Millionen bis 600 Millionen Schnipsel, die da entstanden sind. Und die lagern derzeit in knapp 16.000 großen Säcken, das sind wirklich so richtig schöne große Papiersäcke, nicht so kleine Beutelchen, und von diesen 16.000 Säcken sind jetzt 400 Säcke im Rahmen eines Pilotprojekts ausgewählt worden. In diesem Pilotverfahren sollten wir ein System entwickeln, das den Inhalt der Säcke rekonstruieren kann und die Rekonstruktionsphase dieser Säcke läuft jetzt."
Ein Hochleistungsscanner mit angeschlossenem Computerprogramm soll kleinste Fetzen Papier virtuell wieder zusammensetzen. Jan Schneider ist zuständig für den Stasi-Schnipsel-Scanner.
"Der BStU entnimmt die Schnipsel aus den Säcken schichtweise, überträgt die in Archivkartons, das sind immer so 500 bis 1.500 Schnipsel verschiedenster Größe, man kann hier so ein bisschen die Schichtung erahnen, also das sind hier zumindest ähnliche Formate. Man hat hier schönes fragiles Durchschlagpapier, kleinere Schnipsel."
Es ist unklar, ob die Stasi-Unterlagen-Behörde bestehen bleibt
Seit Jahren forscht Fraunhofer an dem ePuzzler, wie ihn seine Erfinder nennen. Und nun endlich sieht das Institut den Beweis erbracht, dass die automatisierte Rekonstruktion der Akten funktioniert. Doch ausgerechnet jetzt steht das weltweit einzigartige Projekt auf dem Spiel: Denn die Puzzlemaschine wird teurer als erwartet, weil das Puzzeln zwar funktioniert, das Scannen aber nicht schnell genug geht. Dafür müssten neue Geräte entwickelt werden. Doch die Finanzierung ist nicht gesichert.
Wie überhaupt unklar ist, ob die Stasi-Unterlagen-Behörde bestehen bleibt. Sie betreibt bislang die Rekonstruktion der Akten. Nun soll eine vom Bundestag eingesetzte Expertenkommission klären, ob die Bundesbehörde auch Jahrzehnte nach dem Ende der DDR noch fortbestehen soll. Oder ob nicht das Bundesarchiv die Akten verwalten kann. In dem Zusammenhang wird auch über die Zukunft des ePuzzlers des Fraunhofer-Instituts beraten - der nun schon seit Monaten still steht. Zum Bedauern von Roland Jahn, dem Chef der Stasiunterlagenbehörde.
"Hier ist eine große Chance, dass noch Dokumente zusammengesetzt werden, die uns Aufklärung geben über das Wirken der Staatssicherheit und die uns Aufklärung geben über die SED-Diktatur insgesamt."
Archivar Olaf Sobolewski und seine Kollegen in der Unterlagen-Behörde haben eine Auswahl unter den 16.000 Säcken getroffen, die für die Testphase im Fraunhofer-Institut infrage kommen. Das Pilotprojekt kostet Millionen. Da sollen keine Belanglosigkeiten zusammengesetzt werden.
"Die wurden vorher geöffnet, da wurde schon mal reingeschaut, wurde geschaut: Auf welcher Ebene ist das Schriftgut gelaufen, wer war der Absender, wer war der Empfänger, war es eine wichtige Diensteinheit? Also wir rekonstruieren hier keine Speisekarten oder so was."
Schichtweise leeren die BStU-Archivare die Stasi-Säcke. Ironischerweise profitieren die Rekonstrukteure heute davon, dass die Stasi bis zum Ende peinlich penibel war.
Die Operativ-Akten lagen in den Diensträumen der Stasi-Leute. So, und die gingen an ihren Aktenschrank und fingen an zu zerreißen, weil sie überhaupt nicht genug Schredder hatten und Kapazitäten. Und ordentlich, wie sie waren, stellten sie sich so einen Sack hin und haben über dem Sack Sachen zerrissen. Und der Vorteil ist nun, dass diese Papiere in Schichten in diesen Säcken liegen.
Das Stasi-Museum in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg. Sven Behrend war Schüler in der DDR, als am 15. Januar 1990 aufgebrachte Demonstranten vor die damalige Stasi-Zentrale zogen.
Stasi bis zum Ende peinlich penibel
Die Bilder dieser Nacht sind zu einem Symbol geworden für den Sturz des DDR-Regimes.
Heute führt Behrend Besucher aus dem In- und Ausland über das Gelände und versucht, ihnen das System der Stasi verständlich zu machen. Er beschreibt Schülern, Studenten oder Touristen, wie der Geheimdienst auch unbedarfte Bürger hart bestrafte, sobald sie nur leise Widerspruch äußerten. Er zeigt die Schränke, in denen Kilometer über Kilometer an Akten lagerten. Von denen es heute nicht mehr viele gäbe ohne den Eingriff der Bürger.
"Letztlich war es so, dass damals die DDR-Bürger gesehen haben, da kommt schwarzer Qualm raus, Tag und Nacht, war ja jedem klar, was da passiert. Und das war oft die Initialzündung zu sagen, wir gehen da jetzt rein, wir besetzen das, wir müssen das sicherstellen."
Bereits Anfang Dezember 1989 hatten Demonstranten die Dienststellen der – mittlerweile in Amt für Nationale Sicherheit umbenannten - Stasi in Erfurt, Dresden und Leipzig besetzt. Nachdem die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin gefallen war, gründete sich auch dort ein Bürgerkomitee. Es sollte die Akten vor der Vernichtung bewahren und die Auflösung der Stasi überwachen.
"In Zusammenarbeit mit der Volkspolizei, mit Staatsanwälten bildeten sich Komitees. Und die übernahmen dann die Sicherung dieses Geländes. Und da lagen stapelweise wild durcheinander gebündelte Akten. Viel ist natürlich in der Zeit auch verloren gegangen, wurde verbrannt, wurde zu Papierbrei verarbeitet."
Auch nach der Besetzung der Stasi-Zentrale stritt die Bürgerbewegung darüber, was mit den Akten geschehen solle.
"Es ist ja ein Teil vernichtet worden der Akten, mit Segen des Runden Tischs."
Der Zentrale Runde Tisch, das in der Wendezeit in Berlin eingerichtete Gremium aus Kirchen, Parteien, Künstlern und Intellektuellen fasste zum Beispiel den aus heutiger Sicht fatalen Beschluss, alle elektronischen Datenträger zu löschen. Und die für Auslandsspionage zuständige Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi durfte sich bis Juni 1990 weitgehend in eigener Regie auflösen. Dabei vernichtete sie die meisten ihrer Akten. Nach und nach setzte sich die Sicht durch, dass die Bürger ein Recht darauf haben, die Dokumente ihrer Unterdrückung zu sichern und einzusehen.
"Und dann bildete sich die Unterlagenbehörde, dann hat man versucht, erst mal eine Inventur zu machen, und das hat ja jetzt die letzten 25 Jahre gedauert."
Die neue Behörde wurde kurz Gauck-Behörde genannt, nach ihrem ersten Chef, dem aus der DDR stammenden Pfarrer und heutigen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Noch am 2. Oktober 1990, dem letzten Tag des Bestehens der DDR, wurde Gauck von der Volkskammer zum Sonderbeauftragten für die personenbezogenen Stasi-Akten ernannt. Mit der deutschen Einheit tags darauf wurde er von der Bundesregierung bestätigt.
Aufgabe der Unterlagenbehörde ist es, die Akten der Staatssicherheit zu erschließen, zu verwalten und zugänglich zu machen. Das verlangt das im Dezember 1991 in Kraft getretene Stasi-Unterlagen-Gesetz. Demnach muss die Behörde betroffenen Bürgern, Historikern und Journalisten Einsicht in die Unterlagen gewähren. Dabei muss die Behörde genau darauf achten, dass Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben.
"Es ist ja erstmalig in der Welt gewesen, dass die Akten einer Geheimpolizei gesichert worden sind und nutzbar gemacht worden sind."
Heute unterliegen die Akten der Obhut von Roland Jahn, dem derzeitigen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Ihm ist es wichtig, dass seine Behörde auch die Millionen zerrissenen Akten zügig archivieren kann.
"Wir sind froh über jede Unterstützung durch neue Technologien, hier die Akten zu vervollständigen."
Bereits 1995 machten sich im fränkischen Zirndorf Mitarbeiter der Stasi-Unterlagen-Behörde daran, die zerrissenen Papiere zusammenzusetzen, mühsam per Hand.
"1,5 Millionen Dokumente sind schon zusammengesetzt worden, dort gibt es verschiedene Erkenntnisse. Insgesamt ist es natürlich für die Historiker wichtig, viele Akten zur Verfügung zu haben. Aber es gab auch ganz konkrete Fälle, die schon benannt worden sind, wo Leute enttarnt worden sind, die verborgen hatten, dass sie für die Stasi gearbeitet haben."
Virtuelle Rekonstruktion der Stasi-Akten
Das manuelle Puzzeln rief damals das Fraunhofer-Institut auf den Plan. Die Forscher boten der Stasiunterlagenbehörde an, einen Weg zu finden, wie sich die Akten schneller und mit weniger Arbeit rekonstruieren lassen - virtuell nämlich. Bei Jahns Vorgängerin Marianne Birthler stieß Fraunhofer noch auf wenig Interesse. Trotzdem machten die Experten sich an die Entwicklung ihres Puzzle-Scanners und warben bei Abgeordneten kräftig für ihr Vorhaben. Die Lobbyarbeit wirkte: 2002 schrieb der Bundestag das Projekt "Virtuelle Rekonstruktion der Stasi-Akten" aus und Fraunhofer bekam den Zuschlag.
"Ich bin sehr froh darüber, dass es dem Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) in der Fraunhofer-Gesellschaft gelungen ist, das Rätsel zu lösen. Der ePuzzler funktioniert und jetzt geht es darum, sicher zu stellen, dass in größerem Umfang digitalisiert werden kann, damit diese Schnipsel zusammengesetzt werden."
Erst vier der geplanten 400 Säcke der Testphase sind vollständig rekonstruiert und beim BStU archiviert worden. Fraunhofer sagt, dass es keinen Sinn habe, im bisherigen Tempo mit dem Scannen fortzufahren, und will eine voll automatisierte Scan-Straße entwickeln. Das Versprechen: Die würde das Digitalisieren erheblich schneller machen. Fraunhofer-Experte Jan Schneider:
"Man kann jetzt nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und sagen: OK, ich mache jetzt über Jahre mit dieser Technik weiter, wenn ich doch eigentlich weiß, dass ich parallel eine viel effektivere entwickeln könnte."
"Das heißt natürlich: Die finanziellen Voraussetzungen müssen vorhanden sein. Das muss jetzt genau analysiert werden und dann werden die Politiker entscheiden, ob und wie viel Geld sie zur Verfügung stellen können."
Gibt Roland Jahn zu bedenken. 8 Millionen Euro aus dem Kulturhaushalt hat der Bundestag für das Stasi-Schnipsel-Projekt seit seinem Beginn bewilligt. Die von Fraunhofer vorgeschlagene Anlage mit Roboterarmen und schnellen Laufbändern würde weitere Millionen kosten. Doch der Bundestag muss nicht nur entscheiden, ob es weiteres Geld für die virtuelle Rekonstruktion geben soll. Schließlich steht auch die Zukunft der Stasiunterlagenbehörde infrage.
"Die Frage, wie die Arbeit weitergeht, wird ja jetzt von einer Expertenkommission beraten, und dabei einbezogen ist auch die Frage der Schnipsel, die in den Säcken bei uns im Archiv lagern. Und so wird das zusammenfließen, die Zukunft der Strukturen, der Verwaltung der Akten, der Nutzung der Akten, gemeinsam auch mit der Frage, wie geht es weiter mit den zerrissenen Akten."
Das Stasiunterlagengesetz schreibt vor, dass der Bundesbeauftragte bis 2019 Herr über die Hinterlassenschaften des DDR-Geheimdienstes ist. Was danach geschieht, muss nun entschieden werden. Der dafür eingesetzten Kommission gehören Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien an - allerdings keine aktiven Abgeordneten. Der Grüne Wolfgang Wieland ist zum Beispiel dabei und Wolfgang Thierse von der SPD. Den Vorsitz wird Wolfgang Böhmer übernehmen, der ehemalige CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Die Mitglieder werden in diesen Tagen von den Fraktionen benannt.
Nach der Wiedervereinigung hat die Stasi-Unterlagen-Behörde die vorgefundenen Akten einer Inventur unterzogen. Heute, 25 Jahre nach dem Fall der Mauer, wird die Aufarbeitung selbst überprüft – und hinterfragt.
Wie groß ist die Bereitschaft, weitere Jahre und Millionen in die Rekonstruktion von Stasi-Akten zu stecken?
An der Mauer-Gedenkstätte an der Bernauer Straße in Berlin läuten die Glocken. Das große Gedenkdatum dieses Jahres ist der 9. November. Dann wird es 25 her sein, dass die Mauer fiel. Aber hier an der Bernauer Straße wird wie jedes Jahr im August auch des Mauerbaus gedacht. 53 Jahre ist der jetzt her. Roland Jahn ist gekommen. Berlins noch regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ebenfalls.
Auch Philipp Lengsfeld ist unter den Gästen. Er ist der Sohn der DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld. Philipp Lengsfeld, heute 41 Jahre alt, ist aufgewachsen im Umfeld der Oppositionellen der Zionskirch-Gemeinde in Berlin Mitte. Das hat ihn politisch geprägt. Ein Jahr vor dem Mauerfall flog er vom Gymnasium „Carl von Ossietzky" in Pankow, weil er in der Wandzeitung seiner Schule gegen die Militärparaden der DDR protestiert hatte. Seit Herbst 2013 sitzt er für die CDU im Bundestag. Als er beim Mauergedenken an der Bernauer Straße Roland Jahn trifft, nimmt er ihn beiseite, beschwört ihn, dass man die Stasi-Schnipsel-Maschine des Fraunhofer Instituts nicht sterben lassen dürfe.
"Für die Stasi-Akten selber gilt natürlich, dass die Staatssicherheit nicht ohne Grund versucht hat, Akten zu vernichten und dass man annehmen kann, dass in den Schnipseln noch sehr wertvolle Informationen enthalten sind."
Aus Forschungssicht ist es ein interessantes Verfahren
Aber Lengsfeld ist nicht nur Betroffener der Stasi-Spitzelei, sondern auch promovierter Physiker. Er sitzt im Forschungsausschuss des Bundestags. Ihm geht es um mehr als Vergangenheitsbewältigung.
"Aus Forschungssicht ist es ein sehr interessantes Verfahren, Hochtechnologie, wo Deutschland an der vordersten Spitze der Forschung steht und die deshalb sehr interessant und sehr vielversprechend ist. Und deren mögliches Anwendungsspektrum natürlich auch deutlich über Stasi-Akten-Rekonstruktion hinausgeht."
Im Fraunhofer Institut demonstriert Scan-Chef Schneider an einem Testgerät, wie das Scannen der historischen Schnipsel funktioniert. Die Maschine sieht aus wie ein großes Laufband an der Supermarktkasse. In der Mitte befindet sich eine grün leuchtende Scan-Leiste. Sie liest die Vorlage beidseitig ab, während die in hohem Tempo vom Laufband hindurchgezogen wird.
"Das Grundprinzip besteht darin, dass man Folientaschen hat, in die die Schnipsel eingelegt werden. Und es wird dann in einem Durchgang eine Folientasche gescannt. Das Ganze funktioniert relativ einfach, man drückt einfach „Scan" und dann zieht er in einem Rutsch die ganze Folientasche durch. Hier auf dem Monitor sieht man dann gleich das Ergebnis, das war's.
Mit den Abbildern der Schnipsel füttert der Scanner den angeschlossenen Computer. Das Puzzleprogramm macht sich automatisch daran, die zerrissenen Stückchen zu ordnen, nach Merkmalen wie Farbe, Risskante, Papier und Art der Beschriftung oder Abbildungen.
"Und die gehen dann in den Rekonstruktionsprozess. Jetzt wird durchgerechnet, welche Schnipsel wie aneinanderpassen. Diese Sachen erkennt das System alle automatisch und puzzelt, sofern keine Widersprüche auftreten, die Teile so zusammen."
Nur wenn Lücken bleiben oder das Programm sich bei einer Schnittstelle unsicher ist, schlägt es Alarm. Dann müssen Archivare des Bundesbeauftragten die zusammengesetzten Seiten am Bildschirm prüfen. Jahns Mitarbeiter sind laut Stasi-Unterlagen-Gesetz die einzigen, die die Akten sehen dürfen, sobald die Schnipsel wieder zusammengesetzt wurden. Drei Archivare sitzen tagaus tagein in einem kleinen Raum im Fraunhofer-Institut. Sie überprüfen auf Bildschirmen, was das System ausspuckt, sagt Olaf Sobolewski.
"Wir setzen hier interaktiv die Schnipsel zusammen, die das System nicht automatisiert zusammengesetzt hat. Dann werden diese Seiten ausgedruckt, werden wieder in unsere Behörde übernommen, werden dort geordnet, verzeichnet und dann der Benutzung zur Verfügung gestellt."
Die Erfindung macht Eindruck. Beim Fraunhofer Institut sind schon Anfragen aus Polen und anderen ehemaligen Ostblockstaaten eingegangen, die sich für die virtuelle Aktenrettung interessieren. Ägyptologen träumen davon, mit dem ePuzzler zerfallene Papyri wiederherzustellen. Eine Begräbniskirche aus Brandenburg möchte ein Mosaik rekonstruieren. Fraunhofer hat das bei einem Anschlag 1994 zerstörte jüdische Archiv in Buenos Aires besucht. Auch das 2009 eingestürzte Kölner Stadtarchiv hat Interesse bekundet. Und es gibt noch weit mehr Möglichkeiten, sagt CDU-Politiker Lengsfeld:
"Die direkte Anwendung auf zerrissene Akten kann man sich ja auf alle möglichen kriminalistischen oder vergangenheitspolitischen Tatbestände vorstellen. Jegliche Art von Vertuschungsversuchen in Krisen, Banken, das ist natürlich ein hoch spannendes Verfahren. Wenn die Umsetzung etabliert ist und dokumentiert ist, dann halte ich das für eine äußerst potente Methode."
Es geht bei der Finanzierung der Rekonstruktionstechnik nicht mehr nur um deutsch-deutsche Aufarbeitung. Es geht auch darum, ob Deutschland seine führende Rolle bei der Entwicklung dieser Technik nutzt. Oder wie Roland Jahn es sagt:
"Die Politik ist immer herausgefordert zu entscheiden, ob man sich etwas leisten kann. Ob man es sich leisten kann, es fortzusetzen, das muss genau untersucht werden. Aber man muss auch untersuchen, ob man es sich leisten kann, es nicht fortzusetzen."
Für Fraunhofer, so scheint es, steht vorerst wieder eine Menge Lobbyarbeit an.