An die lauten Töne, die schrillen Schlagzeilen, haben sie sich gewöhnt:
"Deutschland kauft die CD mit gestohlenen Kundendaten. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen, wo die umstrittenen Daten deutscher Steuersünder erstmals angeboten wurden, hat den Auftrag zum Kauf gegeben."
"Es sei eine Kriegserklärung, wenn die Bundesregierung nun die CDU mit gestohlenen Steuerdaten kaufe, meint der Präsident der rechtskonservativen schweizerischen Volkspartei Brunner."
Sogar in der Schweiz wurde berichtet. Doch die Meldungen dieser Tage, rund um die Steuerfahndung Wuppertal, sind eher leise. Die Behörde unter ihrem ehemaligen Chef Peter Beckhoff hat mithilfe von gekauften Steuer-Daten sowie den Informationen von Whistleblowern beim Kampf gegen Steuerbetrug neue Maßstäbe gesetzt. Über sieben Milliarden Euro für die Staatskasse kamen zusammen. Aber vergangene Woche fragte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel":
"Ruhigere Zeiten für Steuersünder?", und schrieb weiter: "Der Steuerfahndung Wuppertal, Deutschlands gefürchtete Anti-Betrugs-Einheit, wird die Schlagkraft genommen."
Nicht bloß irgendeine Behördenpersonalie
Der Hintergrund: Eine schlichte Stellenausschreibung. Denn: Im Juni ging Beckhoff in den Ruhestand. Kommissarisch folgte ihm, das entschied der damalige Finanzminister Norbert Walter-Borjans von der nunmehr abgewählten SPD, seine Stellvertreterin Sandra Höfer-Grosjean. Ende 2018 sollte Höfer-Grosjean die Stelle dann offiziell erhalten. So der Plan.
Doch: Nach dem Regierungswechsel in NRW, hin zu Schwarz-Gelb, will man davon weder im Finanzministerium, noch bei der für Personal zuständigen Oberfinanzdirektion, kurz OFD, davon etwas wissen.
"Im Grunde geht es einmal darum, ob man das Erfolgsmodell der Steuerfahndung Wuppertal in dem Sinne fortsetzt, wie Herr Beckhoff auch diese Behörde geprägt hat. Oder, ob man möglicherweise riskiert, dass die Leuchtturmfunktion der Steuerfahndung Wuppertal verloren geht, weil man halt jemanden von extern nimmt, der gar nicht so vertraut ist, mit der Arbeitsweise und mit den Methoden der Steuerfahnder in Wuppertal."
Volker Votsmeier ist Diplom-Finanzwirt, arbeitete einst selbst als Finanzbeamter und beschäftigt sich nun seit Jahren als Journalist mit dem Bereich Steuerfahndung, aktuell im Investigativ-Ressort des "Handelsblatts". In Wuppertal war aufgrund persönlichen Engagements etwas Besonderes entstanden, so Votsmeier, die handelnden Akteure seien dafür auch selbst ins Risiko gegangen. So hat es gegen Beckhoff beispielsweise auch Strafanzeigen gegeben.
Ex-NRW-Finanzminister: Wuppertal ist eine Marke
In einem solchen Umfeld, in dem man sich mächtige Feinde gemacht habe, beispielsweise am Finanzstandort Schweiz, dem das Geschäftsmodell "Reiche Deutsche verstecken ihr Geld vor dem Fiskus" weggebrochen ist, sei Vertrauen innerhalb der eigenen Behörde letztendlich die Währung – und eine Personalrochade durchaus ein Risiko. Votsmeier:
"Das Risiko wäre tatsächlich, dass die Steuerfahndung Wuppertal ihren Nimbus verliert, eben als herausragende Steuerfahndung in NRW, im Bund, aber auch international, weil sie möglicherweise so agieren würde, wie andere Steuerfahndungen auch. Die machen natürlich auch eine gute Arbeit, aber es wäre halt nicht mehr so herausragend, wie es derzeit in Wuppertal geschieht."
Ein Café in Köln am Vormittag: Mütter und Väter sitzen hier mit ihren Kindern zusammen, in einer Wand ist ein überdimensioniertes Aquarium angebracht, in dem große Fische stoisch ihre Runden schwimmen. Norbert Walter-Borjans hat sich ein Frühstück bestellt. Sieben Jahre war Nowabo, so der Spitzname des SPD-Politikers, im politischen Betrieb, Finanzminister von NRW, er profilierte sich vor allem durch die politische Unterstützung beim Kampf gegen Steuerhinterziehung – und in der Stärkung der Steuerfahndung Wuppertal:
"Auch wenn das für Politik und Verwaltung immer noch ein wenig fremd ist, in der Wirtschaft ist das ganz normal: Wenn Sie eine Marke haben, wenn sich jemand unter einem bestimmten Namen etwas vorstellen kann und Vertrauen da reinsetzt, dann ist natürlich die Wirkung groß und dann wäre man verrückt, wenn man das abschleifen würde. Und es ist so geworden, ich habe das mal in ein Bild gefasst: Wenn ich in Zürich auf dem Marktplatz stehe und den Namen irgendeiner Stadt rufe, die durchaus auch eine gute Steuerfahndung hat, dann wird gar nichts passieren. Aber wenn ich Wuppertal rufe, denken die Leute nicht als Erstes an die Schwebebahn."
Steuerdaten-Kauf gefällt FDP nicht
Sein Erbe will er bewahren. Auch deswegen griff Walter-Borjans in die Personalpolitik der mächtigen Oberfinanzdirektion ein, schuf die kommissarische Lösung. Er betont immer wieder, dass nun natürlich sein Amtsnachfolger entscheiden müsse – doch es ist geradezu spürbar, Walter-Borjans sieht eine Gefahr:
"Es wäre einfach jammerschade, wenn aus Unsicherheit am Ende diese Energie ein Stückweit versiegen würde."
"Das teile ich nicht. Das ist eine Behörde, die, wie übrigens alle anderen Behörden in Nordrhein-Westfalen auch, hocherfolgreich arbeitet. Auch bei allen anderen Behörden ist es so, da gibt es an der Spitze mal irgendwann einen Wechsel und das passiert hier gerade", beschwichtigt dagegen Lutz Lienenkämper, NRWs neuer Finanzminister, seit Ende Juni für die CDU im Amt.
Auch Lienenkämper will weiterhin CDs aufkaufen lassen, doch die Situation in Wuppertal ist für den neuen Amtsinhaber nicht einfach: Der Aufkauf der Steuer-Daten ist dem Koalitionspartner FDP ein Dorn im Auge, politisch wäre es zudem nicht klug, sich direkt am Anfang mit der Verwaltung anzulegen und in die Personalpolitik einzugreifen. Also heißt es: abwarten. Man werde – Zitat – "so schnell wie möglich" die am "besten geeignete Person für die Dienststellenleitung" auswählen, heißt es in der Verwaltung.