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Störerhaftung bei WLAN
"Unterlassungsanspruch bisher nicht ausgeschlossen"

Wenn man sein WLAN öffnet - wie zum Beispiel manche Café-Besitzer für ihre Kundschaft, dann können über diese Verbindung illegale Dateien heruntergeladen oder verschickt werden. Zurzeit können die WLAN-Besitzer dafür haftbar gemacht werden. Die Bundesregierung will das ändern - doch der Entwurf greift zu kurz, sagte Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin und Experte für Netzpolitik, im DLF.

Stefan Römermann im Gespräch mit Ulf Buermeyer |
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    Sein WLAN für die Nachbarn zu öffnen, kann Ulf Buermeyer zur Zeit noch nicht empfehlen (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Stefan Römermann: Gestern ging eine Art kollektives Aufatmen durch das Internet. Die Bundesregierung hat angekündigt, die sogenannte Störerhaftung für die Betreiber von WLAN-Netzwerken abzuschaffen, also beispielsweise für die Betreiber von Cafés oder Restaurants, die für ihre Kunden kostenloses Internet anbieten, aber auch für Privatleute, die beispielsweise ihren Internetanschluss, ich sage mal, mit der Nachbarschaft teilen. Darüber spreche ich jetzt mit Ulf Buermeyer. Er ist Richter am Landgericht Berlin und Experte für Netzpolitik. Herr Buermeyer, bevor wir loslegen, vielleicht klären wir noch mal ganz kurz: Was ist denn überhaupt diese Störerhaftung und warum war die bisher ein Problem für die WLAN-Betreiber?
    Ulf Buermeyer: Guten Tag, Herr Römermann! Die Störerhaftung ist ein Rechtsinstitut im deutschen Recht, das dazu führt, dass Menschen quasi in Anspruch genommen werden können für Handlungen anderer. Das heißt, wenn man sich das in einem WLAN vorstellt: Wenn einer zum Beispiel eine urheberrechtsgeschützte Datei illegal im Netz verbreitet, dann kann gleichwohl der WLAN-Betreiber dafür im Wege dieser Störerhaftung in Anspruch genommen werden. Er muss zwar keinen Schadenersatz leisten, aber der Rechteinhaber dieser Urheberrechte zum Beispiel kann von dem WLAN-Betreiber verlangen, dass er seine Mitwirkung an der Rechtsverletzung unterlässt. Das nennt man einen Unterlassungsanspruch und darauf baut das Rechtsinstitut der Störerhaftung auf.
    Römermann: Ich leihe meinem Nachbarn einen Hammer, er erschlägt damit seine Frau und am Ende bin ich schuld, oder wie muss ich mir das vorstellen?
    Buermeyer: Ganz genau so muss man sich das vorstellen. Es gibt natürlich noch bestimmte rechtliche Grenzen dieser Verantwortung, aber im Prinzip ist es ganz genau so. Wenn Sie den Hammer verleihen, haben Sie einen, wie die Rechtsprechung so schön sagt, adäquat kausalen Beitrag geleistet zu der Rechtsverletzung des anderen. Aber es gibt natürlich noch Grenzen. In dem Hammerbeispiel würde man nicht zu einer Störerhaftung kommen. In dem Beispiel der WLAN-Provider ist es allerdings so, dass die Rechtsprechung da bislang jedenfalls unklar war, und das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Das eine ist dieser Unterlassungsanspruch, von dem ich gerade gesprochen habe. Da geht es darum, die Mitwirkung an der fremden Rechtsverletzung zu unterlassen, und diese Mitwirkung wird gesehen im zur Verfügung stellen des WLANs. Und der zweite Punkt ist die Frage, ob eigentlich ein WLAN-Anbieter als ein Internet-Provider anzusehen ist im Sinne des Telemediengesetzes.
    Römermann: Jetzt hat die Bundesregierung angekündigt, ich sage es jetzt mal vereinfacht, diese Störerhaftung abzuschaffen. Wird jetzt also alles gut?
    Buermeyer: Wenn die Bundesregierung die Störerhaftung tatsächlich abschafft, dann, würde ich sagen, wird jetzt erst mal alles gut im WLAN-Bereich. Das Problem ist allerdings, dass bislang ja noch kein Gesetzentwurf vorliegt, und wenn man genau zuhört, was Vertreter der Bundesregierung zu den genauen Plänen im Kontext Störerhaftung gesagt haben, dann muss ich sagen, dass leider nur eines der beiden Elemente, von denen ich gerade gesprochen habe, angegangen werden soll. Das heißt, man will zwar WLAN-Provider klassischen Providern gleichstellen; bislang aber soll der Unterlassungsanspruch nicht gesetzlich ausgeschlossen werden. Das heißt: Zwar wären WLAN-Anbieter dann auch normale Provider, aber sie könnten weiter abgemahnt werden, und insofern muss man sagen, Abschaffung der Störerhaftung erfordert zwei gesetzliche Eingriffe. Bislang ist, soweit die Koalitionsvertreter sich geäußert haben, aber nur einer dieser beiden gesetzlichen Schritte geplant.
    Offenes WLAN noch nicht empfehlenswert
    Römermann: Sie würden jetzt, so wie es bisher klingt, noch nicht ihr WLAN für Ihre Nachbarn öffnen?
    Buermeyer: Das würde ich wohl noch nicht empfehlen. Das ist genau das Problem. Aber es ist ja noch nicht zu spät. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist die Abstimmung im Bundestag erst für den kommenden Donnerstag geplant, und die Koalitionsfraktionen sollten jetzt sehr schnell auf die Meinung aller Experten hören, die sich zum Beispiel im vergangenen Dezember dazu geäußert haben in einer Anhörung im Bundestag. Da waren sich im Grunde alle einig, dass es diese beiden Elemente braucht, Gleichstellung WLAN-Provider klassische Provider und Abschaffung des Unterlassungsanspruchs. Und nur wenn beides geschieht, wird die Störerhaftung tatsächlich abgeschafft. Aber wie gesagt, dazu wäre Zeit. Es liegen seit vielen Jahren konkrete Vorschläge auf dem Tisch.
    Römermann: Die Musik- und Filmindustrie, die befürchtet Schlimmes, dass jetzt beispielsweise Raubkopien in Tauschbörsen praktisch überhaupt nicht mehr verfolgt werden könnten, wenn das alles so umgesetzt wird. Ist es nicht vielleicht doch sinnvoll, da zumindest ein paar Regeln zu haben?
    Buermeyer: Ja, in der Tat. Das europäische Recht gibt auch vor, dass weiter sogenannte Sperrverfügungen möglich sein müssen. Das heißt, jedenfalls wenn man das zugrunde legt, was der Generalanwalt im Europäischen Gerichtshof vor kurzem vorgeschlagen hat zu entscheiden in einem Fall, der ursprünglich aus Deutschland stammt, dann muss es weiter Sperrverfügungen geben. Aber diese Sperrverfügungen setzen nicht zwingend einen Unterlassungsanspruch voraus. Das könnte man sich auch so vorstellen, dass zum Beispiel ein Rechteinhaber einfach bei einem Gericht eine solche Sperrverfügung beantragen kann. Dazu braucht es den Unterlassungsanspruch nicht. Das heißt, man kann gesetzlich den Unterlassungsanspruch abschaffen. Dann wären die Abmahnungen vom Tisch. Aber in Extremfällen können Rechteinhaber weiter von WLAN-Betreibern oder anderen Providern verlangen, zum Beispiel den Zugang zu Seiten zu sperren, auf denen sich rechtswidrige Inhalte finden.
    Römermann: Internet-Experte Ulf Buermeyer - vielen Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.