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Straßenlaterne überm Hotelbett

Die Atmosphäre und Einrichtung eines Hotelzimmers als Ausgangspunkt für Installationen nutzen - das macht das Hotel Mariandl in München für elf Künstler möglich. Jedes Jahr gibt das Hotel für mehrere Tage sämtliche Zimmer für Soundinstallationen, Videos und Performances frei.

Von Astrid Mayerle |
    "Ich glaub, das Voyeuristische ist überhaupt das, was ein Hotel hat. Bei mir ist der erste Gedanke an ein Hotel immer: Wer wohnt da im Nachbarzimmer? Man hört Geräusche, man sieht jemanden auf dem Gang und spinnt sich seine Geschichte zusammen."

    Gabi Blum, Künstlerin, Performerin und Sängerin der Band Damenkapelle sitzt auf der Bettkante in Zimmer 14. Sie erzählt vom Hotel als Mythos, als Filmkulisse, als Ort, der ihre Neugier und Fantasie reizt:

    "Wenn man sich überlegt in der Historie, wie viel dieser Mythos schon gemacht hat, mit diesen Geschichten spiele ich. Wenn man sich so Geschichten wie Four Rooms vorstellt, wo vier Regisseure Geschichten erzählen, die total absurd sind. An so was hab ich mich schon angelehnt."

    In zwei benachbarten Hotelzimmern spielt Gabi Blums Performance: Ein Raum ist für die Zuschauer reserviert, der andere bildet die Kulisse für den Auftritt der Künstlerin:

    "Letztendlich geht’s bei der Performance darum, dass die Leute den unverstellten Blick auf die Performerin haben. Sie schauen mir quasi, als wär ich nackt im Nachbarzimmer - so ein voyeuristisches Verlangen, was die Leute immer in Hotelzimmern haben - zu, was ich da mache. Es beginnt harmlos, weil ich bin weiß gekleidet, letztendlich werde ich den kompletten Raum auseinandernehmen und zwar so rabiat, dass ich befürchte, dass der Besitzer mir die Tür einschlägt."

    Wesentlich behutsamer geht es in Zimmer 12 zu: Zwei brokatbezogene Sessel stehen sich gegenüber, über die Lehnen sind Gummilitzen gezogen wie bei dem bekannten Pausenhofspiel Gummihüpfen. Auf den Sitzflächen der Sessel Farbfernsehrgeräte, geschätzte 30 Jahre alt: Zu sehen sind Aufnahmen mit Mädchen, die gummihüpfen. Ein Video hat Tamara Pridonishvili im Hotel Kavskasia in Tiflis gedreht, das andere im Mariandl in München. Die Installation hat einen politischen Hintergrund:

    "Dieses Thema habe ich mit georgischen Flüchtlingen verbunden, die in Hotelräumen immer noch wohnen seit über 20 Jahren. Ich war in diesem Sommer in Georgien und habe entdeckt, die wohnen immer noch in Hotelzimmern, die kommen aus Abchasien, ein Teil von Georgien, und die wurden vertrieben."

    Tamara Pridonishvilis Installation erinnert an die nachhaltigen Auswirkungen des Zusammenbruchs der Sowjetunion: Einige der 250.000 Georgier, die aufgrund so genannter ethnischer Säuberungen aus Abchasien vertrieben wurden, leben noch heute in provisorischen Unterkünften und Hotels.

    "Man sieht hier den Protagonisten mit roten Gummihandschuhen und seiner Gartenschaufel, mit der er die Laterne ausgegraben hat und die liegt jetzt quer vor ihm auf der Straße."

    ...und zwar eine etwa fünf Meter lange Straßenlaterne. Florian Froese-Peeck hat mehrere, ziemlich rätselhafte Nachtszenen fotografisch festgehalten: Sein Protagonist - quasi ein Edelchlochard, in grauem Anzug - schläft schon mal in schwindelerregender Höhe in der Gabelung eines Laternenmasts.

    "Das sind Lampen, die wurden so eingeführt in den 50er Jahren und die stehn auch überall in der Stadt und werden noch immer gewartet. Ich hab angefangen, mit denen zu arbeiten wegen dieser floralen Ästhetik, und weil Straßenlaternen als zivilisatorisches Element für die Seele einer Stadt ganz wichtig sind."

    Auf dem Bett des Hotelzimmers liegt ein grauer Anzug, an der Badtür hängt ein Schutzhelm und in einer Ecke steht eine Gießkanne: sämtliche dieser Requisiten tauchen auch in den Fotos auf.

    "Ich zieh die Sachen aus der fiktiven Welt, ein bisschen rüber in die Realität. Ich sag damit: Das ist echt."