Er wolle sich nicht in den amerikanischen Wahlkampf einmischen, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei seinem Besuch in Washington. Und dann tat er es trotzdem.
"Ich möchte nicht im amerikanischen Wahlkampf Partei ergreifen, aber ich möchte erklären, was die Nato leistet. Die Nato ist wichtiger denn je für die amerikanische und die europäische Sicherheit. Wir leben in einer gefährlicheren Welt. Die Nato antwortet auf die russische Herausforderung im Osten und sie hat eine Rolle bei der Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates an unserer Südflanke."
"Wir zahlen überproportional"
Gleich mehrfach fühlte sich der Nato-Generalsekretär bemüßigt, die zentrale Rolle des Bündnisses für die transatlantische Sicherheit zu betonen, und das hatte einen Grund: Die Nato sei obsolet, hatte der republikanische Präsidentschaftsaspirant Donald Trump behauptet.
"Die Nato ist überflüssig. Ganz ehrlich, die Verbündeten müssen mehr Geld aufwenden. Wir zahlen überproportional, das ist zuviel, und wir haben heute eine andere Welt als damals, als die Nato gegründet wurde."
Dass die Welt sicherer geworden sei, kann angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und der Bedrohung durch den IS und andere Dschihadisten ernsthaft bestritten werden. Und Präsident Obama hatte dies bereits vor mehreren Tagen getan, ohne Trump beim Namen zu nennen.
"Gerade weil wir die transatlantische Allianz haben, können wir Frieden, Wohlstand und Sicherheit aufrechterhalten. Das haben wir jetzt schon viele Jahrzehnte getan."
"Dann führt es eben zum Ende der Nato"
Doch Trump legte noch einmal nach.
"Sie plündern uns aus. Die Verbündeten müssen mehr zahlen, auch für ihre Versäumnisse in der Vergangenheit, oder sie müssen aus der Nato austreten. Und wenn das zum Ende der Nato führt, dann führt es eben zum Ende der Nato."
Jens Stoltenberg wies in einem Interview mit dem außenpolitischen Magazin Foreign Affairs darauf hin, dass nach den Anschlägen des 11. September 2001 der Nato-Bündnisfall ausgerufen wurde – als Reaktion auf einen Angriff auf die USA. Ein Drittel der Streitkräfte in Afghanistan sei von den Europäern und Kanadiern gestellt worden. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts zeige auch, dass es im Interesse der USA sei, dass Europa sicher sei.
Geld war schon vorher ein Thema
Stoltenberg gestand implizit ein, dass die Verbündeten in der Allianz proportional lange weniger für Verteidigung aufgewendet hätten als die USA, aber:
"Wir haben 2014 beschlossen, unsere Verteidigungshaushalte nicht weiter zu kürzen. Im vergangenen Jahr haben die Kürzungen aufgehört. Jetzt üben wir Druck aus, dass die Verbündeten alle auf die vereinbarten zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung kommen."
16 europäische Verbündete hätten im vergangenen Jahr ihre Verteidigungsausgaben angehoben, so Stoltenberg.
Die Debatte über die geringen Verteidigungsausgaben der meisten Europäer im Vergleich zu den USA wird in Washington nicht erst seit Trump geführt. Die Europäer sollten aufmerksam zur Kenntnis nehmen, dass die Nato zum ersten Mal seit langem zum Thema eines amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes geworden ist und der Sicherheitspolitik eine größere Priorität einräumen.