Schmidt stellte klar, dass es bis zur vergangenen Woche eine Einigung mit der SPD gegeben habe. Dann aber hatten sich SPD-Abgeordnete mehrheitlich gegen eine Verlängerung der Genehmigung für Glyphosat ausgesprochen. Schmidt erklärte nun, er verlasse sich auf die wissenschaftliche Expertise. Wenn die EU Glyphosat tatsächlich weiter zulasse, dann müsse es Beschränkungen geben.
Das Pflanzengift sollte nur von Profis und nicht im heimischen Garten und auch nicht kurz vor der Ernte eingesetzt werden, betonte Schmidt. Die EU-Zulassung für Glyphosat endet am 30. Juni. Das Herbizid steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen in diesem Punkt zu widersprüchlichen Ergebnissen.
Das Interview in voller Länge:
Christine Heuer: Für uns Verbraucher ist das alles sehr verwirrend. Die einen sagen, das Pestizid Glyphosat könne möglicherweise Krebs auslösen; die anderen schließen dieses Risiko nicht ganz, aber doch fast ganz aus. Wo die Experten sich nicht einig sind, muss die Politik allein entscheiden, ob auf unseren Feldern künftig noch mit Glyphosat gegen Unkraut vorgegangen werden darf oder nicht, und mit genau dieser Entscheidung schlägt sich gerade das zuständige EU-Gremium aus Kommission und Mitgliedsländern herum, genauso wie die Große Koalition in Berlin. In Brüssel soll heute abgestimmt werden. Deutschlands Stimme dort ist wichtig. Aber SPD und Union haben noch keine gemeinsame Gangart gefunden.
Am Telefon begrüße ich Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU. Guten Morgen.
Christian Schmidt: Guten Morgen, Frau Heuer.
Heuer: Wie stimmt die deutsche Regierung in Brüssel ab, Herr Schmidt? Können Sie uns heute Morgen vielleicht über eine Einigung zwischen Union und SPD informieren?
Schmidt: Ich glaube, es ist wichtig, dass wir klären, über was wir überhaupt sprechen. Es geht um eine regelmäßige Überprüfung von Wirkstoffen, nicht nur von Glyphosat, im Rahmen eines Routineverfahrens der Europäischen Union mit hohen Standards. Die EU stellt damit im Sinne des Vorsorgeprinzips sicher, dass die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln regelmäßig nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik geprüft werden. Glyphosat ist ja bereits bisher zugelassen. Allerdings läuft diese befristete Zulassung über 15 Jahre Ende Juni aus. Dazu sind unabhängige Wissenschaftler in Deutschland und in den EU-Mitgliedsstaaten seit zwei Jahren, mindestens seit zwei Jahren unterwegs, alle Studien auszuwerten, alle Untersuchungen wissenschaftlicher Art, auch die der genannten Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation, und sie kommen zum Ergebnis, die Wissenschaftler - das ist der Bericht an die Europäische Union -, dass bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung des Wirkstoffes Glyphosat keine Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit bestehen.
Heuer: Okay, Herr Schmidt. Jetzt haben Sie das noch mal alles hergeleitet. Ich war eigentlich der Meinung, das hätte unser Korrespondent aus Brüssel gerade erledigt.
Schmidt: Ja, ich glaube, das ist schon mal wichtig, über was wir reden.
"Bis letzte Woche hatten wir eine Einigung"
Heuer: Die Frage war ja: Es ist ja bekannt, Sie sind für die Weiterzulassung von Glyphosat. Es gibt darüber Streit zwischen Union und SPD in der Großen Koalition. Und meine Frage an Sie war: Haben Sie eine Einigung mit der SPD erzielt?
Schmidt: Ich hatte eine Einigung. Bis letzte Woche hatten wir eine Einigung. Und deswegen darf ich den Satz nach wie vor im Bericht aus Brüssel korrigieren. In der letzten Woche hat ein Koalitionspartner auf Wunsch seiner Bundestagsfraktion, die eigentlich verfahrensmäßig gar nicht beteiligt ist an diesem Thema, weil es ein Regierungshandeln ist und weil das Regierungshandeln auch basiert auf den Entscheidungen und Empfehlungen der unabhängigen Institute, die sich damit beschäftigen. Von Wissenschaftlern, die Zustimmung zurückgezogen. So herum wird ein Schuh daraus und mein Problem damit ist, dass sich damit eigentlich Politik an die Stelle der Wissenschaft setzt. Stellen Sie sich vor, wir fangen bei der Arzneimittelzulassung, die ähnlich genauso schwierig und wissenschaftlich fordernd ist wie Pflanzenschutzmittelzulassung auf andere Weise, wir fangen damit an, dass dann der politischen Opportunität zu überlassen. Ich habe bisher noch keine Einigung; wir arbeiten aber daran.
Heuer: Kriegen Sie das heute noch hin?
Schmidt: Ich denke, dass das unter den Diskussionen der letzten Woche eher schwierig ist. Aber nun müssen wir mal abwarten, was in Brüssel das weitere Verfahren ist. Völlig zurecht hat ja Ihr Korrespondent darauf hingewiesen, dass wir davon ausgehen, dass heute keine Entscheidung fällt, keine Beschlussfassung angefordert wird. Wenn die heute angefordert würde, müssten wir uns mangels Einigkeit in der Bundesregierung enthalten.
"Ich verstehe, dass da Verunsicherung besteht"
Heuer: Das wollen Sie nicht. Angela Merkel will das eigentlich auch nicht. Sie hat deutlich gesagt, dass sie mit Ihnen zusammen für die Weiterzulassung von Glyphosat ist. Sollte Sie da ihre Richtlinienkompetenz nutzen, oder ist das Thema weniger wichtig als der Fall Böhmermann zum Beispiel?
Schmidt: Das Thema ist eine Angelegenheit, die auf der wissenschaftlichen Basis bleiben sollte. Sie haben zurecht darauf hingewiesen, dass die Kommission auch eigentlich im letzten Ergebnis unabhängig von der Beschlussfassung des Ausschusses war, der übrigens auf Expertenebene tagt. Wenn dieser Ausschuss zu keinem Ergebnis kommt, dann kann auch die Kommission das alleine machen. Wir müssen uns ja auch daran erinnern: Wir befinden uns ja in einem rechtlich kontrollierbaren Verfahren und da gibt es Antragsteller und da stellt sich auch die Frage, ob die Antragsteller, wenn gesundheitliche Unbedenklichkeit besteht, nicht sogar einen Anspruch darauf haben. Wir bewegen uns ja nicht im luftleeren Raum und deswegen sollte man das da möglichst lassen, wo es ist. Wenn Dinge wissenschaftlich bestätigt werden können zulassen; wenn nicht, wenn Bedenken bestehen, dann auch nicht zulassen. Das ist die Entscheidung.
Heuer: Herr Schmidt, Entschuldigung! Fürchten Sie, dass Monsanto, der Hersteller, klagt, wenn Glyphosat nicht weiter zugelassen wird?
Schmidt: Von befürchten ist ja keine Rede. Übrigens Monsanto, nur zur Information, ist nicht der einzige Hersteller, weil der Patentschutz für dieses Glyphosat, das es nach meiner Kenntnis seit 70 Jahren gibt beziehungsweise auf dem Markt seit vielen Jahrzehnten, ist längst ausgelaufen. Und nach meinen Informationen wird ein großer Teil der Produkte von anderen Herstellern angeboten. Das ist also Generika.
Heuer: Nun sind die Verbraucher, egal ob zu Recht oder zu Unrecht, sehr verunsichert. Gibt es denn keine Alternativen zu diesem Pestizid?
Schmidt: Ich verstehe, dass da Verunsicherung besteht. Mit solch komplexen Fragestellungen sich zu beschäftigen, das ist ja kein Punkt von zwei Minuten mal hin und her geredet. Wie gesagt, zwei Jahre sind tausend Studien ausgewertet worden. Bei jedem Pflanzenschutzmittel, bei jeder chemischen Nutzung oder Antinutzung von Mitteln muss immer das Vorsorgeprinzip gelten.
Die Frage und Gefahr, die ich allerdings sehe, dass eine weitere Zulassung von anderen Mitteln dann im Ergebnis erstens mal sehr lange dauert und die Risiken dann erst noch mal sauber bewertet werden müssen, bevor man zulassen kann, das bleibt. Deswegen verlasse ich mich hier auch und gerade auf die wissenschaftliche Expertise, die sagt, in der Relation ist die Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Ich darf übrigens darauf hinweisen, dass selbst das Bundesumweltamt bei der Erarbeitung der deutschen wissenschaftlichen Position mitgearbeitet hat. Wir sehen den Bereich der Biodiversität als einen ganz wichtigen. Es darf nicht dazu kommen, dass die Biodiversität darunter leidet. Deswegen haben wir darauf bestanden, wenn die EU das weiter zulässt, dass Beschränkungen und auch Rücksichtnahmen auf die Landschaft und die Natur allgemein stattfinden.
Heuer: Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Nachgewiesen ist ja, dass Glyphosat der Umwelt schädigt, Bienen zum Beispiel. Wenn es keine Bienen mehr gibt, dann gibt es irgendwann auch keine Menschen mehr. Was meinen Sie mit Einschränkungen? Soll es ein Verbot für Hobbygärtner zum Beispiel geben, oder soll Glyphosat ausbringen kurz vor der Ernte verboten werden? Welche Einschränkungen sehen Sie da vor?
Schmidt: Bei den Bienen, wenn ich das ergänzen darf, geht es aktuell um Neonicotinoide, die nicht im Glyphosat enthalten sind, sondern in anderen Wirkstoffen, die ich verboten habe für Deutschland gerade wegen der Bienen. Und ich will diese Eilverfügung auch verlängern. Die Frage des Glyphosats als Nutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel - von Profis ist das gemacht - sollte von Profis auch genutzt werden. Ich bin kein Freund der weitverbreiteten Nutzung von Glyphosat oder Roundup, wie man es dann als Produkt nennt, im heimischen Garten.
"Es gibt kein deutsches glyphosathaltiges Pflanzenschutzmittel, das Tallowamine beinhaltet"
Heuer: Darf ich da noch mal nachfragen, damit ich es auch richtig verstehe und damit auch die Hörer? Sie bieten an oder Sie planen Einschränkungen. Hobbygärtner haben Sie gerade erwähnt. Oder vielleicht auch, dass man Glyphosat nicht mehr kurz vor der Ernte ausbringt. Ist das Ihre Marschroute?
Schmidt: Auch dieses ist in Deutschland nicht. Wir sind sehr streng. Die sogenannte Sikation, das heißt die Ernte, das Erntebeschleunigen, das ist nicht der Sinn des Pflanzenschutzmittels. Deswegen darf es da nicht angewendet werden. Dazu gehört übrigens auch, dass andere Stoffe wie sogenannte Tallowamine in Deutschland in den Rezepturen nicht mehr verwendet werden. Das ist auf europäischer Ebene bisher noch möglich. Wir haben das im Alleingang in Deutschland bereits in den letzten zwei Jahren komplett aus den Rezepturen herausgebracht. Das heißt, es gibt kein deutsches glyphosathaltiges Pflanzenschutzmittel, das Tallowamine beinhaltet. Das sind alles die Besorgnisse, wo Hinweise waren, dass daraus weitere Gefährdungen entstehen können und Weiterungen, und das ist in Deutschland nicht mehr möglich beziehungsweise alle Instrumente werden bei mir genutzt und ich will, dass wir sehr zurückhaltend damit umgehen, übrigens auch mit einer Beschränkung des Volumens von Ausbringungen.
Heuer: Herr Schmidt, Entschuldigung! Uns rennt die Zeit weg.
Schmidt: Ich will das einfach sagen, weil man muss über diese Dinge, liebe Frau Heuer, mal nüchtern reden und man muss sich in die Sache vertiefen und man kann nicht einfach sagen, wie in der öffentlichen Diskussion das leider manchmal der Fall ist, ach das wollen wir nicht, weg damit. Was sind die Alternativen? Und ich empfehle uns dringend, dass wir uns der Mühe unterziehen, Wissenschaftlichkeit auch Wissenschaftlichkeit sein zu lassen und nicht einfach darüber herzuschwadronieren, wie ich das leider in der letzten Zeit häufig gesehen habe, und das ärgert mich, wie Sie merken. Wir sind auch in der Bundesregierung dazu verpflichtet, nicht gerade nach dem, was uns so aus der Öffentlichkeit entgegenkommt, zu entscheiden, sondern schon auf Basis. Dafür bin ich zu haben; für anderes bin ich schwierig zu bekommen.
Heuer: Herr Schmidt, jetzt haben wir das versucht, in einem sehr langen Interview im Deutschlandfunk möglichst zu klären. Ausführlicher kann man kaum werden im deutschen Radio. Ich hätte Sie gerne noch mal nach der SPD gefragt, das schaffen wir nicht mehr. - Christian Schmidt, christsozialer Bundeslandwirtschaftsminister war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Ich bedanke mich dafür und ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.