Schmidt warnte davor, den Eindruck zu vermitteln, dass ein "Oberministerium" für den Klimaschutz sei und alle anderen dagegen. "Das gemeinsame Ziel eint uns, der Weg dahin ist zum Teil unterschiedlich markiert", so der CSU-Politiker im Deutschlandfunk. Die Gespräche seien zwar manchmal mühselig. Er rate aber dringend dazu, den mühseligen Weg zu gehen, um einen von allen getragenen Kompromiss zu erzielen.
Der beste Klimaschutz wäre, überhaupt keine Landwirtschaft mehr zuzulassen, meinte Schmidt. "Aber damit würden wir alle verhungern." Er sei aber optimistisch, denn in vielen Dingen sei man gar nicht so weit voneinander entfernt: "Wir werden gemeinsam zu einem Klimaschutzplan kommen, dazu hat die Bundesregierung sich verpflichtet." Es könne aber eben nicht so sein, dass einer sage: "Wir machen das jetzt so."
Das Interview in voller Länge:
Christine Heuer: Widerstand gegen Barbara Hendricks Klimaschutzplan hat auch die Landwirtschaft geübt, ein ziemlich großer Emittent von klimaschädlichen Gasen. Was geht noch vor Marrakesch? Fragen jetzt an den christsozialen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Guten Morgen!
Christian Schmidt: Guten Morgen.
Heuer: Michael Fuchs von der CDU hat gesagt, Frau Hendricks habe sich verhoben, ihr Plan sei ein unwissenschaftliches Sammelsurium. Sind Sie gnädiger mit Ihrer Kabinettskollegin?
Schmidt: Wir arbeiten gerade daran, dass in Marrakesch, wo übrigens auch ich teilnehmen werde, wir einen Plan vorlegen können. Ich sehe auch noch nicht, dass bis nächste, übernächste Woche wir nicht zu einem Ergebnis kommen können. Wir müssen uns an den wichtigen Grundlagen, die wissenschaftlich sind, halten und wir müssen natürlich auch die Auswirkungen auf die verschiedenen Teile unserer Wirtschaft und auch unserer Gesellschaft im Auge behalten. Das gilt es, gegenwärtig noch ein Stück zusammenzubringen.
Heuer: Aber nach den Beratungen bislang fühlt sich ja die Bundesumweltministerin ganz offensichtlich in der Defensive. Barbara Hendricks fordert heute ein Machtwort der Kanzlerin. Das geht auch eigentlich gegen Sie, Herr Schmidt.
"Es gibt keine emissionsfreie landwirtschaftliche Produktion"
Schmidt: Ich verstehe die Diskussion, aber üblicherweise sind solche komplexen Dinge, die ja viele Auswirkungen haben, auch notwendigerweise Dinge, die gemeinsam besprochen werden müssen. Das dauert etwas und wir haben unterschiedliche Vorstellungen. Wir weisen zum Beispiel darauf hin, dass die Landwirtschaft ja nicht ein Störfaktor ist, sondern sie sichert nebenbei bemerkt auch noch die Ernährung der Menschen. Deswegen: Es gibt ja auch keine emissionsfreie landwirtschaftliche Produktion. Wir müssen uns deswegen schon auch in die Details beugen. Das ist nicht Aufgabe des Bundeskanzleramtes, sondern das ist Aufgabe der Ressortministerien und da sind wir gerade dabei. Das ist manchmal mühselig, aber ich empfehle, dass wir den mühseligen Weg gehen, um dann auch einen von allen getragenen Erfolg präsentieren zu können.
Heuer: Aber im Ergebnis bislang, Herr Schmidt, ist es ja so, dass sich tatsächlich viele Ressorts vorab eingemischt haben, auch ganz aktiv. Die Landwirtschaft war dabei, das Verkehrsministerium, der Bundeswirtschaftsminister von der SPD und auch Peter Altmaier im Kanzleramt, und die alle haben ganz viel aus diesem Klimaschutzplan von Barbara Hendricks rausgestrichen.
"Biodiversität in der Landwirtschaft trägt nicht zum Klimaschutz bei"
Heuer: Frau Heuer, es ist meine Aufgabe auf wissenschaftlicher Grundlage. Übrigens ich habe ein eigenes umfangreiches Gutachten meines wissenschaftlichen Beirates zum Klimaschutz erstellen lassen, dass wir dann über diese Dinge verhandeln. Ich will ein Beispiel sagen: Wir sind im Bereich der Speicherung von Kohlendioxid im Boden, im Wald und in Holzprodukten ja in der Land- und Forstwirtschaft führend. Das heißt die Frage, wie können wir das weiterentwickeln und wo sind die Punkte, wo wir dem Klimaschutz entsprechend näherkommen.
Ich bin auch bereit zu akzeptieren, dass wir im Bereich der Emissionen reduzieren müssen. Das findet statt, das wird aber nicht stattfinden mit einer Strafsteuer für Fleischesser. Das sind dann Themen, die ich bitte zu verstehen, dass wir die innerhalb der Bundesregierung in partnerschaftlicher Weise, aber doch intensiv diskutieren, und ich habe der Kollegin jetzt über Medien keine Empfehlung zu geben. Wir sitzen gleich nebeneinander im Bundeskabinett und da können wir feststellen, dass hier unsere gemeinsamen Ziele in vielen Dingen gar nicht weit entfernt sind.
Ich sage nach wie vor, ich sehe bei Berücksichtigung der Sonderrolle der Landwirtschaft zur Kernaufgabe der Ernährungssicherung durchaus eine Möglichkeit, dass wir schon mit einem Konzept nach Marrakesch gehen. Das liegt in ihrem Interesse und das liegt in meinem Interesse. Und da muss man allerdings dann auch ein Stück - und da sind die Abstriche vielleicht, von denen Sie sagen, die ausgetauscht werden durch andere Ideen, Biodiversität in der Landwirtschaft ist ein wichtiges Thema. Aber es trägt ehrlich gesagt nicht zum Klimaschutz bei.
Heuer: Gut! - Aber, Herr Schmidt, dann machen wir es doch mal ganz konkret.
Schmidt: Das mache ich die ganze Zeit, wenn ich das sagen darf, in der Diskussion mit der Kollegin, weil das ja sehr wichtig ist.
Heuer: Okay. Aber jetzt wollen wir es auch für unsere Hörer konkret machen. Sie haben jetzt zweimal im Laufe unseres Gespräches angedeutet, dass Sie schon auch mit einem fertigen Klimaschutzplan nach Marrakesch fahren möchten. Was bieten Sie Frau Hendricks denn an, konkret an Klimaschutz in der Landwirtschaft, wo Sie sagen würden, das können wir da auch reinschreiben?
"Nicht den Eindruck erwecken, dem Klimaschutz entgegenzuarbeiten"
Schmidt: Ich biete an, dass wir einen wissenschaftlich ermittelten Reduktionsbeitrag der Treibhausgase in der Landwirtschaft mit aufnehmen, dass wir den an den verschiedenen Möglichkeiten der Umsetzung messen. Ich weise darauf hin, dass wir gerade nach vielen mühseligen Jahren und Gesprächen endlich dabei sind, die Düngeverordnung nun konkret umzusetzen. Das ist ein Asset, das man benennen muss. Wir werden des Weiteren bei der Vernetzung der Forschung im Bereich der Treibhausgas-Emissionen vorangehen. Ich biete an, dass wir das, was bereits seit 2015 ist, uns noch mal betrachten, die Anknüpfung an Leistungen für die Landwirtschaft im Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutzleistungen, die Frage der Absatzförderung für nachhaltige Erzeugnisse, abholzungsfreie Lieferketten, Aufstockung der Bodenkohlenstoff-Vorräte und weitere Dinge, zum Beispiel Reduzierung des Stickstoff-Überschusses bei der Stickstoff-Verwertung im Bereich von Düngern.
Sie sehen, wir haben eine ganze Reihe von Punkten, wo wir bitte nicht den Eindruck erwecken sollten, hier ist ein Oberministerium, das möchte Klimaschutz, und dann sind andere, die dem entgegenarbeiten. Nein, wir arbeiten ziemlich konkret auf dem Punkt zusammen. Da muss allerdings auch jeder bereit sein, einen Weg zu gehen. Das gemeinsame Ziel eint uns. Der Weg dorthin ist zum Teil unterschiedlich markiert.
"Der beste Klimaschutz wäre, keine Landwirtschaft mehr zuzulassen"
Heuer: Auch der Verkehrsminister muss viel beitragen?
Schmidt: Ja. Ich denke, der Verkehrsminister ist in der gleichen Situation wie ich. Er hat natürlich auch bei der Frage des Individualverkehrs, des Massenverkehrs, Dinge zu berücksichtigen, die nicht nur die Unmittelbarkeit Klimaschutz allein betrachten. Ich darf nur darauf hinweisen, dass der Bundeswirtschaftsminister mit dem Thema Braunkohle, wenn ich das so höre, gibt es da Diskussionen auch innerhalb der SPD-Kollegen in der Bundesregierung. Natürlich wird man ja nicht von heute auf morgen sagen können, Klimaschutz findet statt und das andere nicht mehr. Der beste Klimaschutz wäre, keine Landwirtschaft mehr zuzulassen. Nur damit würden wir dann, lassen Sie mich das mal so sprichwörtlich sagen, alle verhungern. Das wollen wir ja auch nicht. Also müssen wir schon wie gesagt mühselig daran arbeiten. Aber ich bin offensichtlich heute fast ein Stück optimistischer, als der eine oder die andere in der öffentlichen Wahrnehmung dargestellt wird.
Heuer: Barbara Hendricks hat ja auch öffentlich schon gesagt und eigentlich auch beklagt, dass aus ihrem Klimaschutzplan eigentlich, nachdem der im Kanzleramt war, alle Zahlen rausgestrichen worden sind. Nennen wir mal eine Zahl: Barbara Hendricks will, dass der Verkehr, aber auch die Landwirtschaft, also Ihr Ressort, die Emissionen um die Hälfte senken soll im Vergleich zu 1990. Das wäre eine Zahl. Lassen Sie sich auf diese Zahl ein?
Schmidt: Da muss ich auch berechnen bei einer Gesamtbetrachtung, dass zum Beispiel aus dem landwirtschaftlichen Bereich die CO2-Bindung allein in Forst und Land über 40 Prozent unseres gesamten Treibhausgas-Aufkommens in Deutschland ja bereits bindet.
Heuer: Dann können Sie doch sagen, das schaffen wir!
Schmidt: Wir werden gemeinsam zu einem Klimaschutzplan kommen. Dazu hat die Bundesregierung sich verpflichtet und das werden wir tun. Wir wollen ja nun auch wirklich nach Paris, nach Cop 21, der Konferenz im letzten Jahr, jetzt dann an die Umsetzung gehen, gemeinsam auch global, und das ist in Marrakesch das Thema und ich denke, wir haben da eine ganze Reihe sehr vernünftiger Ansätze. Über die Zahlen im Einzelnen und die Berechnungen, da sollte die Wissenschaftlichkeit und die politische Betrachtung gemeinsam wirken, und das wird auch der Fall sein.
"Mit guten Punkten nach Marrakesch gehen"
Heuer: Herr Schmidt, ganz kurz zum Schluss. Paris gilt als historischer Durchbruch und nun reist Deutschland nach Marrakesch eigentlich mit weniger als die USA und China. Ist das nicht schon ein bisschen peinlich?
Schmidt: Nein. Das ist es ja auch nicht. Ich habe das ja nun, glaube ich, deutlich unterstrichen. Ich darf aber darauf hinweisen, dass vor einigen Wochen noch die Diskussion war, schaffen wir überhaupt die Ratifizierung. Die Europäische Union und die allermeisten europäischen Mitgliedsstaaten haben bereits ratifiziert. Das heißt, wir sind in den Verpflichtungen, den völkerrechtlich bindenden Verpflichtungen von Cop 21 ja drin, und ich bin doch sehr überzeugt, dass wir mit guten Punkten nach Marrakesch gehen können. Es wird nur nicht so sein, dass einer sagt, wir machen das jetzt und gehen dahin und so sieht es aus. Da möchte ich schon ein Wörtchen mitreden.
Heuer: Der christsoziale Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Schmidt, danke schön.
Schmidt: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.