Archiv

Stresstest
"Die Welt der Banken ist viel sicherer geworden"

Der Bundesverband Deutscher Banken ist mit dem Ergebnis des europäischen Stresstests zufrieden. Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer sagte im DLF, die deutschen Banken hätten sich in der Simulation wirklich bewährt. Man dürfe sich aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen.

Michael Kemmer im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Die Bankentürme von Frankfurt am Main scheinen kurz nach Sonnenuntergang aus vielen kleinen Eurozeichen zu bestehen.
    Beim Banken-Stresstest ist nur die Münchner Hypothekenbank durchgefallen (picture alliance / Daniel Reinhardt)
    Die Banken hatten noch einige "Hausaufgaben zu machen". Er nannte als Aufgaben die weitere Kapitalstärkung und das Arbeiten an neuen Geschäftsmodellen. Auf die Frage, ob nun ausgeschlossen sei, dass deutsche Banken künftig vom Steuerzahler gerettet werden müssten, sagte Kemmer, dass man "nie nie sagen sollte". Die Wahrscheinlichkeit, dass der Staat noch einmal einspringen müsse, sei "viel, viel geringer geworden". Dafür seien viele Instrumente geschaffen worden, beispielsweise die Haftung von Aktionären.
    Auch wenn die Münchner Hypothekenbank als einzige Bank in Deutschland den Kapitalprüfungstest nicht bestanden habe, trübe das keinesfalls das gute Bild, das die deutschen Banken abgeben, sagte Kemmer weiter. Der neue Stresstest sei glaubwürdiger als der Vorgänger von vor drei Jahren. Neu sei die Bilanzüberprüfung, die es bisher nicht gab. "Da haben die Aufseher ganz genau geschaut, ob am 31.12.2013 "alles richtig in den Büchern steht", sagte Kemmer. Die Annahmen seien sehr restriktiv gewesen. Der Stresstest jetzt sei eine "deutlich härtere Übung" als vor drei Jahren gewesen.
    Risiko für Staatsbankenrettung gesunken
    Kemmer räumte ein, dass mit einem Stresstest nur bestimmte Situationen simuliert werden könnten. "Dieser Stresstest hat Neuland betreten.". Dennoch habe die Europäische Zentralbank (EZB) klar gesagt, dass das Ergebnis der Prüfung ein guter Zwischenschritt sei.
    Mit dem Stresstest wurden Banken in Europa geprüft. Mit zwei Krisenszenarien wurde geprüft, ob die Kreditinstitute einer neuen Finanzkrise standhalten könnten. Unter den überprüften Banken waren 25 aus Deutschland. Bei der Bilanzprüfung war der Stichtag der 31. Dezember 2013.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Nach der Finanzkrise 2007/2008 wurden Banken mit Milliarden an Steuergeldern gerettet. Das soll sich nicht mehr wiederholen. Bevor die Europäische Zentralbank es aber übernimmt, die wichtigsten Banken in Europa künftig strenger zu überwachen, hat sie diese Institute noch einmal aufwendig auf Herz und Nieren geprüft, die Bücher gecheckt und die Folgen einer Krise simuliert. Die meisten Banken sind demnach für eine solche Krise gut gerüstet, einige aber nicht.
    Am Telefon ist Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der deutschen Banken. Schönen guten Morgen.
    Michael Kemmer: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Ihr Präsident, Herr Kemmer, Jürgen Fitschen von der Deutschen Bank, war ja sehr zuversichtlich vorab, dass alle deutschen Banken die Prüfung bestehen werden. Jetzt ist doch eine Bank durchgefallen. Ein Zeichen dafür, dass die Institute in Deutschland doch nicht so gut aufgestellt sind wie gedacht?
    Kemmer: Überhaupt nicht. Der Fall, den Sie ansprechen, ist die Münchner Hypothekenbank, ein vergleichsweise kleines Institut. Das ist auch keine Neuigkeit. Die haben selbst zur Jahresmitte schon gesagt, dass sie formal die Voraussetzungen zum Ende 2013 - das war ja der Stichtag - nicht erreicht haben. Aber sie haben auch gesagt, dass sie bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse das Kapital schon entsprechend aufgestockt haben. Das ist geschehen. Auch diese Bank hat ausreichend Kapital. Das trübt das gute Bild, das die deutschen Banken abgeben, in keiner Weise.
    Ich bin insgesamt mit dem Ergebnis der deutschen Banken sehr zufrieden
    Barenberg: In Österreich ist ja ebenfalls eine Bank durchgefallen. Die wird gerade abgewickelt. Warum gilt das nicht für Institute in Deutschland, die den Test nicht bestanden haben?
    Kemmer: Das ist überhaupt nicht notwendig. Wie gesagt: Es war in Deutschland nur ein kleineres Institut, das im Grunde genommen auch von vornherein ausreichend kapitalisiert war. Es war das Kapital nur in einer anderen Form vorgelegen, die nicht als hochwertiges, ganz hartes Eigenkapital anerkannt wurde. Dieses Kapital wurde dann umgetauscht. Das Thema Münchner Hypothekenbank ist wirklich nur ein ganz kleines Thema.
    Wir sollten den Blick darauf lenken, dass die deutschen Banken insgesamt sehr gut abgeschnitten haben, dass sie sehr gute Kapitalquoten zeigen, dass sie sowohl in der Bilanzprüfung kaum getroffen worden sind als auch einen wirklich harten wirtschaftlichen Stress, der hier simuliert worden ist, gut aushalten. Ich bin insgesamt mit dem Ergebnis der deutschen Banken sehr zufrieden.
    Dieser Stresstest hat Neuland betreten
    Barenberg: Die Banken gerade in Deutschland haben sehr gut abgeschnitten, sagen Sie. Nun lehrt ja die Erfahrung aus früheren Tests, auch bei früheren Tests haben Banken sehr gut abgeschnitten, die dann später zerschlagen werden mussten oder mit sehr viel Geld gerettet, in Griechenland beispielsweise. Warum ist dieser Test glaubwürdiger als frühere, verlässlicher?
    Kemmer: Stresstest können natürlich nur begrenzte Aussagekraft haben. Sie simulieren bestimmte Situationen, die so eintreten können, aber nicht eintreten müssen.
    Dieser Stresstest hat Neuland betreten. Er besteht im Grunde genommen aus zwei Übungsteilen: einmal einer Bilanzüberprüfung. Das gab es in der Form in der Vergangenheit noch nicht. Das heißt, da haben die Aufseher ganz genau reingeguckt, ob bis zum 31. 12. 2013 auch alle Werte aus Sicht der Bankenaufseher richtig in den Büchern stehen.
    Und im zweiten Schritt ist das dann einem sehr harten Stress unterzogen worden. Man hat zum Beispiel in Deutschland simuliert, was würde passieren, wenn die Konjunktur innerhalb von drei Jahren kumulativ um 7,6 Prozent einbrechen würde, das Bruttoinlandsprodukt um diesen Prozentsatz zurückgehen würde. Das ist etwas, was es nicht mal in der ganz, ganz harten Krise 2009 gegeben hat.
    Das heißt, die Annahmen waren hier schon sehr restriktiv. Es ist auch ein sehr hoher Prozentsatz der Kredite der Häuser geprüft worden. Das insgesamt stimmt mich zuversichtlich, dass wir hier eine deutlich härtere, deutlich realistischere Übung haben, als es beispielsweise vor drei Jahren der Fall war, als der erste europäische Stresstest durch die europäische Bankenaufsichtsbehörde in London durchgeführt worden ist.
    Kein Grund, in Euphorie zu verfallen
    Barenberg: Warum warnt dann etwa der Obmann der Union im Finanzausschuss im Bundestag, Hans Michelbach, dass jetzt kein Anlass zur Beruhigung bestünde?
    Kemmer: Man darf sich auf den Lorbeeren nicht ausruhen. Das hat gestern die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Bundesbank als zuständige Aufsichtsbehörden in Deutschland sehr klar gesagt.
    Das Ergebnis ist ein guter Zwischenschritt. Sicherlich ist es noch nicht am Ende. Die Banken müssen weiterhin ihre Hausaufgaben machen. Sie müssen weiter ihr Kapital stärken, vor allem an ihren Geschäftsmodellen arbeiten. Es ist schon richtig, dass man jetzt hier nicht in Euphorie verfällt. Auf der anderen Seite sollte man aber schon auch festhalten, dass dieser harte Stresstest ergeben hat, dass die Banken schon sehr viel stabiler, sehr viel kapitalkräftiger sind als vor der großen Finanzkrise und externe Schocks sehr viel besser aushalten könnten.
    Aber es ist richtig, was Michelbach sagt. Es ist kein Grund, sich zurückzulehnen und zu sagen, alles ist wunderbar.
    Man darf nie nie sagen
    Barenberg: Können Sie uns heute Morgen hier sagen, dass es nach diesem Test ausgeschlossen ist, dass in Zukunft eine dieser großen Banken, sollte sie in Schwierigkeiten geraten, am Ende vom Staat und also von den Steuerzahlern gerettet werden muss?
    Kemmer: Man darf in solchen Fällen nie nie sagen. Wir haben natürlich immer noch das Problem, wie es so schön heißt, des too big to fail. Das heißt, dass es Banken gibt, die so groß sind, dass sie nicht ohne Schaden für die Volkswirtschaft Pleite gehen könnten. Aber an diesem Problem wird intensiv gearbeitet.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass der Staat noch mal einspringen muss, ist im Vergleich zu den Zeiten vor der großen Krise viel, viel, viel geringer geworden. Es gibt sehr viele Instrumente, die hier neu geschaffen worden sind. Es haften zunächst die Aktionäre, es haften dann aber eben auch die Gläubiger. Das ist neu.
    Das heißt, große Einleger, auch Einleger, die sogenannte Hybridkapitalien gezeichnet haben, die einen gewissen Eigenkapitalcharakter haben, verlieren ihr Geld, bevor der Steuerzahler einspringen muss. Das heißt, der Puffer, der vorhanden ist, bevor letztlich der Steuerzahler drankommt, ist viel, viel dicker geworden als in der Vergangenheit. Also hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir krisenfest sind.
    Die Welt der Banken ist sehr viel sicherer geworden
    Barenberg: Schauen wir uns diesen Puffer noch mal kurz an, weil ich das als Laie wirklich schwer nur nachvollziehen kann. Da wird diese Kapitalquote von acht Prozent zugrunde gelegt. Eine Bank hat 100 Euro in riskanten Papieren und sie hat acht Euro in der Hand, um die abzudecken. Wenn dieses Geschäft platzt, wer zahlt dann den Ausfall von 92 Euro?
    Kemmer: Das ist natürlich immer eine Mischkalkulation, wenn Sie so wollen. Natürlich gehört der Ausfall von Kreditgeschäften zum normalen Geschäft von Banken. Nur üblicherweise werden die Zinsen, also das Entgelt für das Herauslegen von Krediten, so kalkuliert, dass sie auch einen Ausfall einzelner Kredite mit verkraften können. Das funktioniert normalerweise auch.
    Acht Prozent klingt zunächst mal nicht sehr viel, ist aber deutlich mehr, als es in der Vergangenheit gab. Außerdem müssen Sie sehen: Das ist ja nur dieser sogenannte 'Core Equidity Tier 1', also das ganz, ganz harte Kernkapital. Daneben gibt es auch noch andere Kapitalinstrumente, die im Verlustfall unter bestimmten Bedingungen herangezogen werden können. Das geht sehr schnell in den deutlich zweistelligen Bereich. Und wenn Sie sich die Ergebnisse der Banken anschauen in dem Stresstest, dann sehen Sie, dass die selbst nach dem harten Stress im Regelfall noch in dem Bereich, sage ich mal, von sechs, sieben, acht Prozent gelegen haben.
    Das heißt, da hat man schon simuliert einen massiven Einbruch der Wirtschaft, den es in dieser Form in der Vergangenheit gar nicht gegeben hat. Man darf sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, das ist richtig, aber man darf schon konstatieren, dass die Welt der Banken sehr viel sicherer geworden ist, und insbesondere gilt das für die deutschen Banken, und ich bin darüber sehr froh, weil man ja in der Vergangenheit auch immer wieder aus dem Ausland gehört hat, ach Gott, die deutschen Banken, die sind gar nicht so sicher und und und.
    Das ist durch diesen Test, glaube ich, eindrucksvoll widerlegt worden. Aber wir müssen dran bleiben. Die Regulierung ist auch noch nicht am Ende und die Banken haben wie gesagt auch durchaus noch einige Hausaufgaben zu machen.
    Barenberg: Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, heute hier im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch.
    Kemmer: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.